11 LB 123/02 OVG Lüneburg
Urteil vom 17.09.2002
Volltext unter
http://www.dbovg.niedersachsen.de/Entscheidung.asp?Ind=05000200200012311%20LB
Leitsatz/Leitsätze
1. Zum "sonst berechtigten Interesse" i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 NArchG gehören auch private Interessen zum Zweck der Durchsetzung privater Vermögensinteressen.
2. a) Der Archivbenutzungsanspruch nach §§ 5 Abs. 1 Satz 1 NArchG und 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 NArchG umfasst auch sog. Findmittel wie Findbücher und Repertorien.
b) Der Zustimmungsvorbehalt des Depositalgebers in Depositalverträgen i.S.d. § 3 Abs. 7 Satz 2 NArchG erstreckt sich auch auf diese Findmittel.
3. Wenn sich ein privater Dritter gegenüber dem Staatsarchiv eines (Mit-)Eigentumsanspruches an dem Depositalgut berühmt, ist er gehalten, auf dem Zivilrechtswege gegen den Depositalgeber vorzugehen, um die Eigentumsfrage verbindlich klären zu lassen.
4. Die Verarbeitungsregelungen der Datenschutzgesetze und insbesondere das Einsichtnahmerecht aus §16 Abs.3 NDSG sind auf das Archivbenutzungsverhältnis nach dem Niedersächsischen Archivgesetz nicht anwenbar.
Es ging um eine Streitkeit im Haus Schaumburg-Lippe. Die Depositalverträge, die eine Zustimmung des Eigentümers voraussetzen, wurden als absolut bindend betrachtet.
Es wurden auch fideikommissrechtliche Ausführungen gemacht.
Die Ausführungen zum Datenschutz erscheinen mir bei näherem Zusehen bedenklich, da im Staatsarchiv eine Datenerhebung (durch Übernahme) und Datenverarbeitung erfolgt. Da das Depositalgut in erheblichem Umfang sensible personenbezogene Daten noch lebender Personen enthält (etwa des fürstl. Hauses als Arbeitgeber), kann es nicht angehen, dass für diese keine Schutzmaßnahmen bei der Benutzung angezeigt sind. Diesen aber korrespondieren die Einsichtsrechte Betroffener, die bei privatem Archivgut verneint wurden.
Urteil vom 17.09.2002
Volltext unter
http://www.dbovg.niedersachsen.de/Entscheidung.asp?Ind=05000200200012311%20LB
Leitsatz/Leitsätze
1. Zum "sonst berechtigten Interesse" i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 NArchG gehören auch private Interessen zum Zweck der Durchsetzung privater Vermögensinteressen.
2. a) Der Archivbenutzungsanspruch nach §§ 5 Abs. 1 Satz 1 NArchG und 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 NArchG umfasst auch sog. Findmittel wie Findbücher und Repertorien.
b) Der Zustimmungsvorbehalt des Depositalgebers in Depositalverträgen i.S.d. § 3 Abs. 7 Satz 2 NArchG erstreckt sich auch auf diese Findmittel.
3. Wenn sich ein privater Dritter gegenüber dem Staatsarchiv eines (Mit-)Eigentumsanspruches an dem Depositalgut berühmt, ist er gehalten, auf dem Zivilrechtswege gegen den Depositalgeber vorzugehen, um die Eigentumsfrage verbindlich klären zu lassen.
4. Die Verarbeitungsregelungen der Datenschutzgesetze und insbesondere das Einsichtnahmerecht aus §16 Abs.3 NDSG sind auf das Archivbenutzungsverhältnis nach dem Niedersächsischen Archivgesetz nicht anwenbar.
Es ging um eine Streitkeit im Haus Schaumburg-Lippe. Die Depositalverträge, die eine Zustimmung des Eigentümers voraussetzen, wurden als absolut bindend betrachtet.
Es wurden auch fideikommissrechtliche Ausführungen gemacht.
Die Ausführungen zum Datenschutz erscheinen mir bei näherem Zusehen bedenklich, da im Staatsarchiv eine Datenerhebung (durch Übernahme) und Datenverarbeitung erfolgt. Da das Depositalgut in erheblichem Umfang sensible personenbezogene Daten noch lebender Personen enthält (etwa des fürstl. Hauses als Arbeitgeber), kann es nicht angehen, dass für diese keine Schutzmaßnahmen bei der Benutzung angezeigt sind. Diesen aber korrespondieren die Einsichtsrechte Betroffener, die bei privatem Archivgut verneint wurden.
KlausGraf - am Samstag, 12. März 2005, 02:07 - Rubrik: Archivrecht
vom hofe meinte am 2008/04/15 19:18:
Was wirklich dahinter steckt
Zur Problematik siehe: Alexander vom Hofe: Vier Prinzen zu Schaumburg-Lippe und das parallele Unrechtssystem, VIERPRINZEN S.L., Madrid 2006, ISBN 84-609-8523-7,zu beziehen unter vomhofe@tconsultalia.com. Ausgabe ohne Illustrationen einsehbar unter http://edocs.fu-berlin.de/docs/receive/FUDOCS_document_000000000100
Bewahrung von Quellen oder Bewahrung des status Quo ? Im Rahmen der damaligen Prozesse um Akteneinsicht argumentierte die niedersächsische Staatskanzlei wie folgt:
"Eine uber den Rahmen der vertraglichen Regelung hinaus zu erwartende Einsichtnahme durch dritte wird gerade dann die Entscheidung des Verfügungsberechtigten, sein Material der Archivverwaltung und damit ggf. nach Massgabe des Depositalvertrages beschränkt) der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, massgeblich beeinflussen, wenn es sich um besonders gehaltvolle Materialien, etwa wie im vorliegenden Fall Schriftgut einer ehedem regierenden Adelsfamilie handelt. Damit beschränkte man im Ergebnis die Aufgabe der Archivverwaltung auf Schriftgut im Sinne des Paragrafen 1 Absatz 1 S. 1 NArchG und entzöge der historischen Forschung in Niedersachsen andere wichtige Quellen.Als solche gelten insbesondere Adelsarchive, die bis weit ins 19. Jahrhundert hinein aber wegen einer fehlenden verfassungsrechtlichen Abgrenzung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Bereich der Herrschaftsinhaber zahllose Sachverhalte enthalten, die nach heutigen Masstäben der Sphäre staatlicher Hoheit zuzuordnen sind. Dieses gewichtige öffentliche Interesse an der Vorhaltung einer substanzreichen Quellengrundlage und deren Erschliessung auch über Depositalverträge geht aus Sicht der Beklagten dem privaten interesse der Klägerin, Erkenntnisse zu gewinnen, die sie möglicherweise in die Lage versetzen, andernfalls nicht realisierbare zivilrechtliche Ansprüche geltend machen zu können, auch dann vor, wenn letztlich die Zahlung hoher als Folge der Akteneinsicht erwartet werden."
Am 23 Juni 2009 hat ein Ausschuss des EGMR bestehend aus drei Richtern entschieden, dass die Beschwerde gegen die Versagung der Einsichtnahme in Archivalia durch die Staatsarchive für unzulässsig erklärt wird. Geltend gemachte Anspruchsgrundlagen waren öffentlich rechtlicher Natur, u.a. das niedersächssische Archivgesetz. Das OVG Lüneburg hatte an den Zivilrechtsweg verwiesen und gesagt, es müsse gegen den Depositar auf Zustimmung zur Einischtnahme geklagt werden. Wörtlich: "Die Klägerin muss sich vielmehr an den Beigeladenen als Eigentümer der Depositalien halten und diesen notfalls auf dem Zivilrechtswege auf Zustimmung zur Erlaubnis zur Einsichtnahme oder auf Einsichtnahme selbst verklagen." Mitglieder des Ausschusses: eine Richterin aus Makedonien, eine aus Bulgarien und Frau Dr. Renate Jäger, ehemalige deutsche Richterin beim Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts.
Eine andere Beschwerde ist beim EGMR in Strasbourg noch anhängig: Sie richtet sich gegen ein 58 Seiten langes Urteil des OLG Celle vom 16. April 2003 (7 U 159/02) welches die zivilrechtliche Klage aus erbrechtlichen Ansprüchen gegen Philipp Ernst Prinz zu Schaumburg Lippe auf Gewährung von Einsichtnahme in das Familienarchiv abgewiesen hatte.
siehe auch:
http://archiv.twoday.net/stories/4879981/#5764034
Und im März 2010 erklärt der EuGH, dass das deutsche Datenschutzrecht nicht wirklich Datenschutzrecht ist. Siehe hierzu:
http://archiv.twoday.net/stories/6230967/
update 7 Februar 2011:
die niedersächssichen Gerichte gehen in Ihren Urteilen immer davon aus, dass es eine Fürstliche Hofkammer gibt. Das ist grottenfalsch:
Es ist sehr leicht den Lügner zu enttarnen. Zum Beispiel am Begriff Fürstliche Hofkammer.
Georg Fürst zu Schaumburg Lippe erliess am 14. März 1911 das Gesetz betreffend rechtliche Stellung der Hofkammer. Das Gesetz lautete in seinem einzigen Artikel: "Unsere Hofkammer hat die Rechte einer öffentlichen Behörde".
Artikel 109 der Weimarer Reichsverfassung von 1919 besagte:
(1) Alle Deutschen sind vor dem Gesetze gleich. Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.
(2) Öffentlich-rechtliche Vorrechte oder Nachteile der Geburt oder des Standes sind aufzuheben. Adelsbezeichnungen gelten nur als Teil des Namens und dürfen nicht mehr verliehen werden.
(3) Titel dürfen nur verliehen werden, wenn sie ein Amt oder einen Beruf bezeichnen; akademische Grade sind hierdurch nicht betroffen.
(4) Orden und Ehrenzeichen dürfen vom Staat nicht verliehen werden.
(5) Kein Deutscher darf von einer ausländischen Regierung Titel oder Orden annehmen.
Somit hatte die "Hofkammer" keinerlei Befugnisse einer Behörde mehr.
Im Gesetz betreffend Aufhebung des Gesetzes vom 14. März 1911 über die rechtliche Stellung der Hofkammer vom 30 Juni 1923 hiess es:
"Das Gesetz betreffend die rechtliche Stellung der Hofkammer vom 14. März 1911 wird aufgehoben."
http://www.politikkritik.info/Schaumburg-Lippe.html
Somit dürfte jedem klar sein, dass es eine Hofkammer mit Befugnissen einer Behörde seit 1918 nicht mehr gibt. Die "Fürstliche Hofkammer" verlor mit der Abdankung von Adolf Fürst zu Schaumburg Lippe im Jahr 1918 ihre Rechtspersönlichkeit.
Vierprinzen