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Leserbrief

Was nicht im Internet existiert, wird verloren sein

Zu "Unsere Kultur ist in Gefahr" von Roland Reuß (F.A.Z. vom 25. April): Die Verächter des elektronischen Publizierens haben zuletzt auf polemische Weise wissentlich zwei Dinge durcheinandergeworfen, die es zu unterscheiden gilt. Einmal ist da die Google-Initiative, die urheberrechtsgebundene Werke kopiert und im Internet zur Verfügung stellt. Es dürfte außer Frage stehen, dass hiermit massiv gegen deutsches Recht verstoßen wird. Auf der anderen Seite ist das von vielen (eigentlich von allen) Wissenschaftsorganisationen propagierte Prinzip des "open access", dessen Vorteile in Sachen Sichtbarkeit und Kostengünstigkeit auf der Hand liegen. Dabei spielt der Aspekt der Sichtbarkeit eigentlich die Hauptrolle. Untersuchungen belegen, dass Publikationen im Internet schon jetzt mehr wahrgenommen werden als traditionell gedruckte. Wie mag das erst in Zukunft sein? Und an den Universitäten ist es ganz einfach so, dass Studierende Veröffentlichungen tendenziell nur noch wahrnehmen, wenn sie im Internet zur Verfügung stehen. Der Trend wird sich absehbar verstärken, und es sei die These gewagt, dass über kurz oder lang das, was nicht im Internet existiert, praktisch verloren ist.

Wer also seinen Kampf gegen die neuen Veröffentlichungsformen mit Untertönen versieht, die nach Verteidigung europäischer Kultur gegen amerikanischen Kulturimperialismus klingen, sollte sich fragen, ob er nicht das Gegenteil von dem tut, was er angeblich anstrebt. Ob er nicht zum Totengräber Europas dadurch wird, dass er ihm seine Präsenz in einem Medium verweigert, das seine Dominanz mit Macht durchsetzen wird. Das Problem dabei: Man muss in der Tat den Mut haben, die Kultur von der Zukunft her zu denken und nicht immer die Bedingungen der Vergangenheit absolut zu setzen, die gerade dabei sind, radikal verändert zu werden. Und man muss willens sein, der Wirklichkeit ins Gesicht zu sehen, ob man sie mag oder nicht.

Eine zweite Polemik ist gleichfalls irreführend. Es wird so getan, als würden die Wissenschaftsfinanzierer, also insbesondere die DFG, ihre Förderung regelmäßig mit der Auflage verbinden, die Ergebnisse der Forschungen nach den Regeln des "open access" zu veröffentlichen. Als ehemaliges Mitglied eines DFG-Fachausschusses kann ich guten Gewissens sagen: Das Gegenteil ist der Fall. Zumindest in den Geisteswissenschaften wünschte man sich eher, dass eine solche Auflage ein wenig häufiger gemacht würde. Und kann es rechtswidrig sein, wenn ein Geldgeber Auflagen für die Mittelverwendung formuliert, Auflagen, deren Berechtigung inzwischen außer Frage steht?

Für die Wissenschaftsverlage ist der Trend zum "open access" vielleicht doch gar kein so großes Problem. Es spricht vieles dafür, dass vollständig im Internet vorliegende Texte trotzdem in Druckform gekauft werden, weil sich die Begeisterung, stundenlang zu lesen, offenbar in Grenzen hält. Dass sich die Verlage im Übrigen Gedanken machen müssen, wie sie mit dem und nicht gegen das Internet in Zukunft Geschäfte machen können, liegt gleichwohl auf der Hand.

PROFESSOR DR. HUBERTUS KOHLE, MÜNCHEN

F.A.Z., 30.04.2009, Nr. 100 / Seite 35
 

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