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http://www.ossietzky.net/8-2009&textfile=583

Auszug:

Von November 1959 bis April 1960 war ich an der Verteidigung führender Persönlichkeiten des Friedenskomitees der Bundesrepublik Deutschland beteiligt, denen die Staatsanwaltschaft vorwarf, sich als »Rädelsführer in einer verfassungsfeindlichen Organisation« betätigt zu haben. Daß es sich beim Friedenskomitee um den bundesdeutschen Teil einer über alle Kulturstaaten der Erde verbreiteten Weltfriedensbewegung handelte, die außer bei uns nur im damals faschistisch beherrschten Spanien als angebliche kommunistische Tarnorganisation verfolgt wurde, focht die bundesdeutschen Ankläger und Richter nicht an. Sie gingen von der im herrschenden Zeitgeist der Adenauer-Ära verankerten Bedrohungslegende aus, wonach die Rote Armee der Sowjetunion bereitstehe, die Bundesrepublik zu überfallen, so daß die Friedensbewegung nur den Sinn haben könne, das Abendland wehrlos gegenüber der Welt des Bösen zu machen. Alle Beweisanträge der Verteidigung, mit denen wir die Richter über die wirklichen Bedrohungen des Weltfriedens aufklären wollten, gegen die unsere Mandanten mit publizistischen Mitteln gekämpft hatten, wurden vom Gericht unter Mißachtung der bis dahin gültigen Regeln der Strafprozeßordnung zurückgewiesen. In den Augen der vom Bundesgerichtshof (BGH) bestätigten Düsseldorfer Richter konnten die von uns vorgebrachten Fakten und Beweismittel nur kommunistische Propaganda sein, mit der man sich nicht auseinanderzusetzen brauchte.

Die westdeutsche Öffentlichkeit hat von diesem fünf Monate dauernden Großverfahren, in dem wir Verteidiger dem Gericht zahlreiche prominente Zeugen der Friedensbewegung aus aller Welt durch direkte Ladung aufgezwungen haben, so gut wie nichts erfahren. Das Schweigen der Medien funktionierte auch ohne Anweisung aus einem Propagandaministerium.

Es wurde dafür gesorgt, daß dieses historisch bedeutsame Verfahren auch für nachfolgende Generationen so unbekannt wie möglich blieb. Historisch wertvolle Akten werden in der Regel nach Abschluß der Sache an das Staatsarchiv abgegeben. Mit den Akten des Friedenskomitee-Prozesses ist das nicht geschehen. Sie sind nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Düsseldorf nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist vernichtet worden. Mit ihnen etwa 600 Dokumente zum neuen Rüstungswettlauf nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, die wir dem Gericht mit unseren Beweisanträgen übergeben hatten.
MehrFragen (Gast) meinte am 2009/05/11 22:21:
Stimmt das so? Wieso wurde hier nicht von Archivseite bewertet, sondern von der Seite der abgebenden Behörde? Ist an der Verschwörungstheorie etwas dran, oder ist da eher Unbedarftheit und Dummheit zu vermuten? 
flx (Gast) meinte am 2009/05/12 09:20:
Eine Staatsanwaltschaft sondert (heute) pro Jahr über 50.000 Verfahrensakten aus. Glauben Sie allen Ernstes, der zuständige Archivar hat Zeit, jede davon einzeln anzusehen? Zum Zeitpunkt der Anbietung gab es ja noch nicht mal eine EDV-Anwendung, womit man gezielt nach Tatvorwurf "Landfriedensbruch" o. ä. hätte suchen können. Ganz abgesehen davon, dass damals auch noch kein Archivgesetz die Bewertungshoheit des Archivs verbindlich festschrieb. Wenn weder aus den Medien noch aus der Staatsanwaltchaft ein Hinweis auf die Brisanz der Unterlagen kommt, hat man als Archivar keine Chance - damals nicht und heute auch nicht. 
 

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