Allgemeines
Architekturarchive
Archivbau
Archivbibliotheken
Archive in der Zukunft
Archive von unten
Archivgeschichte
Archivpaedagogik
Archivrecht
Archivsoftware
Ausbildungsfragen
Bestandserhaltung
Bewertung
Bibliothekswesen
Bildquellen
Datenschutz
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
null

 
"Während über die Vorkriegsstädte unsere Archive nur lückenhaft Auskunft geben, erweist sich das Material zur Architektur nach 1945 als äußert umfangreich. Universitäten, Museen und Architekturzentren sind herausgefordert, die jüngere Architekturgeschichte zu erforschen. Herbei spielen Architektennachlässe eine zentrale Rolle. Um der Dokumentationsflut zu begegnen, werden neue Strukturen der Zusammenarbeit und Vermittlung notwendig sein – mit der Hilfe von Bund, Ländern und Städten. .....
Die Stadt stellt ein Schichtwerk dar, das mannigfaltige Kenntnisse voraussetzt, will man es als Zusammenhang deuten. Doch zumeist ging mit der Zerstörung im Krieg auch sämtliches Archivgut verloren. Ganze Stadt- und Architekturüberlieferungen sind nicht mehr existent. Die Nachwirkungen reichen bis in die Gegenwart. Die Biografien einzelner Bauten lassen sich daher nur mühsam rekonstruieren. Und von vielen Häusern der Vorkriegszeit ist bis heute kein Autor bekannt. Ebenso ergeht es unzähligen Architekten jener Zeit, denn auch das Wissen um ihr Leben und Werk ist häufig nicht mehr rekonstruierbar. Gerade die Architekten der Gründerzeit sind heute vielfach ohne Stimme, das Wissen um das Neue Bauen ist in den verschiedenen Städten vergleichsweise rar. Selbst zu maßgeblichen Protagonisten einer Stadt fehlt es uns an Material: etwa zu einem Alfred Hensen in Münster, einem Fritz Catta in Kassel oder einem Oskar Pfennig in Stuttgart. .....
Ganz anders stellt sich die Situation der Architekturgeschichte nach 1945 dar. Erstmals hat unsere Gesellschaft die Chance, wieder in eine Zeit hineinzuwachsen, die auf mehrere vollständig überlieferte Jahrzehnte zurückblicken kann. Denn das Material über die Zeit seit dem Wiederaufbau steht uns (noch) nahezu lückenlos zur Verfügung. Gepaart mit dem Fortschritt der Medien sind Bauten und Architektenbiografien wie nie zuvor in vielfältigen Formaten überliefert, in Plänen und Zeichnungen, in Modellen, Fotografien und Akten. Um dieses Material zu sammeln, aufzuarbeiten, zu dokumentieren, zu erforschen und zu veröffentlichen, wird es wichtig sein, neue Strukturen zu schaffen – eine Aufgabe, die nur mit der Hilfe von Bund, Ländern und Gemeinden zu bewältigen sein wird.
Im Vorteil sind hier die Hochschulen als traditionelle Orte der Forschung und Sammlung. Gerade die Technischen Hochschulen in München, Berlin und Karlsruhe (SAAI) haben in den letzten Jahren deutlich an Profil gewonnen, ihre Architekturmuseen zählen zu den ältesten und bedeutendsten der Republik. Als ebenso unerlässlich erweisen sich auch die spezielleren Kunstarchive, wie beispielsweise das 1954 von Hans Scharoun gegründete Baukunstarchiv der Akademie der Künste, das 1960 beschlossene Bauhaus-Archiv (beide Berlin) und das Deutsche Kunstarchiv im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg (1964). Einen wichtigen Schub erfuhr die Architekturarchivwelt sodann in den 1970er Jahren mit der Gründung der Berlinischen Galerie (1975) und des Deutschen Architektur Museums in Frankfurt (1979), gerade auch in den Fragen der Vermittlung. Nicht weniger verdienstvoll sind die Einrichtungen auf Länderebene, häufig initiiert durch die jeweiligen Architektenkammer, die in den 1980er und 1990er Jahren folgten. So entstanden das Hamburgische Architekturarchiv (1984), das Schleswig-Holsteinisches Archiv für Architektur und Ingenieurbaukunst (1992), das Architekturmuseum Schwaben (1995) und das an der TU Dortmund ansässige Archiv für Architektur und Ingenieurbaukunst NRW (A:AI), zuletzt die Initiative Architekturforum Rheinland und 2004 das Bremer Zentrum für Baukultur (b.zb). Einen besonderen Status nimmt hierbei das überregionale Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung in Erkner (IRS) ein, das 1992 im Wesentlichen aus dem “Institut für Städtebau und Architektur” der Bauakademie der DDR hervorgegangen ist und über eine umfangreiche Sammlung zur Planungs- und Baugeschichte der DDR verfügt. Für einzelne Städte aber im Zweifel wichtiger sind die lokalen Institutionen wie Stadtmuseen und Stadtarchive, Planungsämter, Bibliotheken, Privatarchive von Bürgern, Unternehmern, Instituten, Gesellschaften und Vereinen. Die Archivwelt in Deutschland zeigt sich in den unterschiedlichen Ebenen und Regionen somit unterschiedlich gut gewappnet und ausgestattet, doch wird es gerade darauf ankommen, auf jeder Stufe mit offenen Augen die Architektennachlässe zu sichern, solange sie noch zu greifen sind.Zeche Zollverein: Weltkulturerbe, 2010 Zentrum der Kulturstadt Essen und der gesamten Region Ruhr. Künftiger Ort des NRW-Baukunst-Archivs?
Klug ist daher die Idee der Stiftung Deutscher Architekten, die in NRW bislang mit der Archivarbeit befassten Einrichtungen, wie die Architektenkammer NRW, die Ingenieurkammer-Bau, die TU Dortmund, das Architekturforum Rheinland, M:AI und die Landschaftsverbände, in dieser Angelegenheit zusammenzuführen und ein zentrales Baukunst Archiv NRW zu gründen. Auch das Land NRW hat bereits für dieses Projekt Unterstützung zugesagt und angeboten, entsprechende Räumlichkeiten auf der Zeche Zollverein kostenlos zur Verfügung zu stellen. Jedoch nur, wenn die Projektpartner den laufenden Betrieb – geschätzte 500.000 Euro jährlich – finanzieren. Wie schnell man sich hier einig werden wird, ist offen, doch soll noch dieses Jahr eine Betreibergesellschaft gegründet werden. Gerade auch für die lokale Ebene, für die einzelnen Städte und Gemeinden in NRW, wäre diese Einrichtung ein wichtiges Signal. Es würde auch den Dialog vor Ort entfachen und so manches Material aus den Regalen, ob von privaten Dachkammern oder aus städtischen Kellern, ans Licht der Öffentlichkeit befördern. Das Modell wäre daher auch geeignet, an anderen Orten die lokale und die regionale Ebene miteinander zu verknüpfen, die professionelle Sicherung auch für jene Städte zu gewährleisten, die sonst damit möglicherweise überfordert wären. Da vielfach Geld fehlt, kann nur Synergie durch Kooperation das Gebot der Stunde sein, um unwiderbringliche Verluste zu verhindern. Will man nicht kommenden Generationen die Architekturgeschichte der Nachkriegszeit ähnlich lückenhaft wie die der Vorkriegszeit überlassen, darf die Frage nach dem Umgang mit den Architektennachlässen nicht weiter aufgeschoben werden, denn Architektennachlässe zählen zum Gedächtnis einer jeden Stadt."


Stefan Rethfeld ist Architekt, Journalist, Co-Autor des Architekturführers Münster und arbeitet derzeit als Stipendiat der Stiftung Deutscher Architekten an einer Dissertation zum Werk des Architekten Harald Deilmann (1920-2008).

Vollständiger Text:
http://german.magazin-world-architects.com/de_09_23_onlinemagazin_archiv_de.html
 

twoday.net AGB

xml version of this page

powered by Antville powered by Helma