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http://www.jurpc.de/rechtspr/20090136.htm

LG München I
Urteil vom 13.05.2009
21 O 618/09

Zum Umfang des Zitatrechts nach § 51 UrhG
JurPC Web-Dok. 136/2009, Abs. 1 - 52

Leitsätze

1. Der Abdruck der ersten zwei Zeilen eines insgesamt 116 Zeilen umfassenden Gedichts, in welchen eine Aussage über die Bewohner einer bestimmten Stadt getroffen wird, im vorderen und hinteren Vorsatz eines Begleitbands zu einer Museumsausstellung anlässlich des Stadtgründungsjubiläums sowie in einem Faltprospekt über diese Ausstellung ist als sog. Kleinzitat gem. § 51 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 UrhG zulässig.
2. In der Weglassung eines Kommas im Zitat sowie in der grammatikalisch und inhaltlich korrekten Übersetzung des Zitats in drei Sprachen ist weder ein Verstoß gegen das Änderungsverbot i.S.v. §§ 62, 39 UrhG, noch gegen das Entstellungsverbot i.S.v. § 14 UrhG zu sehen.

T A T B E S T A N D

Die Kläger nehmen die Beklagten wegen Verletzung ihrer Urheberrechte aufgrund unerlaubter Verwertung eines Zitats aus einem Werk des Lyrikers Eugen Roth auf Unterlassung in Anspruch.

Die Kläger sind die Erben nach dem 1976 verstorbenen Autor Dr. Eugen Roth. Die Beklagte zu 1 gibt durch das von ihr als rechtlich unselbstständige Einrichtung betriebene Stadtmuseum das im Verlag der Beklagten zu 2 erschienene Buch "Typisch München! — Das Jubiläumsbuch des Münchner Stadtmuseums" (Anlage SNP 4) entgeltlich ab. Dieses Buch wurde als Begleitband zur Einrichtung der Dauerausstellung unter dem Titel "Typisch München!" im Stadtmuseum anlässlich der 850-Jahr-Feier der Beklagten zu 1 publiziert. Die Ausstellung zeigt das, was typisch für München ist, und zwar beginnend von der Stadtgründung bis zur Neuzeit. Die Ausstellungsstücke und Materialien sollen das Lebensgefühl der Münchner Bürger dokumentieren.
Im vorderen Vorsatz des streitgegenständlichen Buchs ist die erste Zeile des Gedichts "Auf geht's — eine oktoberfestliche Moritat" von Eugen Roth (Anlage SNP 1) in Großbuchstaben mit dem Wortlaut

VOM ERNST DES LEBENS
HALB VERSCHONT

und im hinteren Vorsatz die zweite Zeile in Großbuchstaben mit dem Wortlaut

IST DER SCHON
DER IN MÜNCHEN WOHNT

wiedergegeben. Im hinteren Vorsatz ist nach dem Zitatende der Name des Verfassers "EUGEN ROTH" aufgeführt. Im Originalgedicht, das insgesamt 116 Textzeilen umfasst, lautet der Vers, mit dem das Gedicht beginnt, wie folgt:

Vom Ernst des Lebens halb verschont
Ist der schon, der in München wohnt,
[...]

Ferner hat die Beklagte zu 1 einen Werbeflyer/Faltprospekt in deutscher, englischer, französischer und italienischer Sprache herausgegeben, welcher z.B. in der Touristeninformation der Beklagten zu 1 am Bahnhofsplatz/Westseite auslag. Während auf der ersten Faltseite zwölf mit München zusammenhängende Symbole abgebildet sind (Weißwürste, Marienkäfer, Brezel, Frauenkirche, Chinesischer Turm, Moschee, Hund, Dackel, Katze, Stöckelschuh, Soldatenstiefel, Haferlschuh) und darunter der Schriftzug "TYPISCH MÜNCHEN!" bzw. "TYPICALLY MUNICH" bzw. "TYPIQUE MUNICH!" bzw. "TIPICO DI MONACO!" sowie darunter jeweils "MÜNCHNER STADTMUSEUM" zu lesen ist, folgt auf der zweiten Faltseite nach Wiederholung der Überschrift das streitgegenständliche Zitat mit anschließender Nennung des Autors, wobei die Übersetzungen des Verses in den genannten Sprachen wie folgt lauten:

"Half life's worries will take flight, if in Munich you reside"

«Les choses sérieuses de la vie sont á moitié éspargnées á celui qui habite Munich»

"Chiunque abiti a Monaco viene risparmiato per metà dalla severità della vita"


Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Ihr ist zuzustimmen. Das Gericht sieht in der Verwendung des Zitats, dessen Schöpfungshöhe es früher einmal bejaht hat (während es nun vorsichtiger formuliert), eine zulässige Mottoverwendung.

Ob der streitgegenständliche Vers die notwendige urheberrechtliche Schöpfungshöhe i.S.v. § 2 Abs. 2 UrhG erreicht (wozu die Kammer tendiert und wie sie es — in anderer Besetzung — im Verfahren 21 S 3130/98 in ihrem Urteil vom 14.10.1998, veröffentlicht in NJW 1999, 1978, angenommen hat), braucht vorliegend nicht entschieden zu werden; jedenfalls sind bei Annahme der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit die Zitate im Begleitband und auf den Faltprospekten durch das Zitatrecht gem. § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG gedeckt, ohne dass die Beklagten gegen das Änderungsverbot i.S.v. §§ 62, 39 UrhG bzw. das Entstellungsverbot i.S.v. § 14 UrhG verstoßen hätten.

Das Urteil vom 14.10.1998, dem nicht beigepflichtet werden kann, hatte in dem von der NJW wiedergegebenen Teil das Grundrecht der Kunstfreiheit nicht in die Waagschale geworfen:

LG München I, Urteil vom 14. 10. 1998 - 21 S 3130-98

Zum Sachverhalt:

Die Parteien streiten sich über die Befugnis der Bekl. eine Wandinschrift in ihren Räumen anzubringen. Die Kl. sinddie Erben des Dichters Eugen Roth, die Bekl. die Stadt M. Bei der Wandinschrift handelt es sich um die Anfangszeilen des von Roth geschaffenen Gedichts „Auf geht’s. Eine oktoberfestliche Moritat„, die die Bekl. in den Räumen ihrer Touristeninformation anbringen ließ.

Die Klage, mit der die Kl. die Bekl. auf Entfernung der Inschrift inAnspruch nahmen hatte in beiden Instanzen Erfolg.
Aus den Gründen:

Das AG hat zu Recht einen Anspruch der Kl. auf die Entfernung der Wandinschrift nach § 97 I S. 1 UrhG bejaht.

I. Den Kl. steht ein Anspruch auf Entfernung der Wandinschrift zu, da die Verwendung der Anfangszeilen des von dem Vater der Kl. geschaffenen Gedichtes „Auf geht’s. Eine oktoberfestliche Moritat" als Wandinschrift ohne Zustimmung der Urheberrechtsinhaber erfolgte und die Bekl. sich nicht auf ein Zitatrecht berufen kann.

Die Bekl. geht zutreffend davon aus, daß eine Urheberrechtsverletzung nur dann ausscheidet, wenn ein zulässiges Zitat vorliegt und die Zulässigkeit sich nur aus § 51 Nr. 2 UrhG ergeben kann. Ein zulässiges Zitat hätte nur dann vorgelegen, wenn § 51 Nr. 2 UrhG auch auf Werke der (Innen-)Architektur anzuwenden ist, die Innenausgestaltung der Räume ein urheberrechtsfähiges Werk darstellt und die Anbringung der Wandinschrift zu Zitatzwecken erfolgte.

Die Kammer teilt die Bedenken des AG hinsichtlich eineranalogen Anwendung des § 51 I Nr. 2 auf Bauwerke. Die kann aber im Ergebnis dahingestellt bleiben, da, sofern eine Anwendung des § 51 I Nr. 2 auf innenarchitektonische Werke angenommen wird, der Wandinschrift keine Zitatfunktion zukommt. Die Verwendung von Stellen aus einem fremden Werk ist dann ein zulässiges Zitat, wenn zwischen dem Zitat unddem zitierenden Werk dergestalt eine innere Verbindung hergestellt wird, daß das Zitat dem fremden Werk als Beleg oder als Motto dient (Schricker, UrhG, § 51 Rdnr. 17 m. Rspr.-Nachw.). Weitere Voraussetzung ist, daß dem zitierenden Werk selbst Urheberrechtsschutz zukommt. Selbst, wenn der innenarchitektonischen Gestaltung der Räumlichkeiten Urheberrechtsschutz zuzubilligen wäre, beschränkt sich dieser Schutzauf die architektonische Leistung und findet durch die konkrete Nutzung des Raumes keine Erweiterung. Daraus folgt, daß „M. Information„ kein Urheberrechtsschutz zukommt, sondern allenfalls den Räumen samt Möblierung unabhängig von der Nutzung als Touristeninformation. Der Raumgestaltungkann allenfalls, wie in der vorgelegten Fachzeitschrift A abgebildet, ein schutzfähiges Kunstwerk darstellen. Es reicht nicht aus, daß eine innere Verbindung zwischen der Nutzung der Räume als Touristeninformation der Stadt M. und dem Zitatmöglicherweise hergestellt werden kann, da diese Nutzung nicht zwingend durch die innenarchitektonische Gestaltung vorgegeben ist, sondern vielmehr auch eine andere Nutzung der Räume unter Beibehaltung der Innengestaltung denkbar ist. Bei der Prüfung, ob der Zitatzweck erfüllt ist, kann daher auf die Nutzung der Räume nicht abgestellt werden. Eine innere Verbindung zwischen dem zitierenden (Bau-)Werk und derverwendeten Gedichtzeilen kann nicht hergestellt werden, da das Zitat weder der Erläuterung der Raumaufteilung, Farbgebung, verwendeten Baustoffe, Formen der Möbel oder sonstigen innenarchitektonischen Gestaltungselemente dient noch ein Motto der Raumgestaltung darstellt.

Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht, wenn die Anbringung mehrerer Wandinschriften als Zitatensammlung angesehen wird. Zwar kann die Zusammenstellung von Zitatene in selbständiges Werk i.S. von § 51 Nr. 2 UrhG darstellen, sofern sich aber die eigenpersönliche Leistung in der Auswahl des Entlehnten erschöpft, bedarf es der Erlaubnis der Inhaber des Urheberrechts an den entlehnten Textstellen (BGH, NJW 1972, 2304 = LM § 51 UrhG Nr. 2 = GRUR 1973, 216 - Handbuch moderner Zitate).

Die Wandinschrift schmückt zwar den Raum und unterstützt in durchaus origineller Weise den Nutzungszweck derRäume als Touristeninformation, indem die Touristen durch diese Wandinschrift und weitere Inschriften auf die vielfältige Behandlung der Stadt M. in der Literatur aufmerksam gemacht werden. Diese billigenswerte Absicht rechtfertigt jedoch nicht den Eingriff in fremde Urheberrechte. Das in Art. 28 II GG garantierte Recht der kommunalen Selbstverwaltung schützt die Gemeinden vor Eingriffen in ihr Recht, die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft selbst zu regeln. Eine Rechtsgrundlage zur Wahrnehmung dieser Aufgaben ineine nach Art. 14 GG geschützte Rechtspositionen Dritter einzugreifen, beinhaltet Art. 28 II GG als Abwehrrecht nicht. Da die Verwendung der Gedichtszeilen nicht nach § 51 UrhG gerechtfertigt ist, Sondervorschriften, die Kommunen den Eingriff in das Urheberrecht der Kl. gestatten, nicht existieren, muß die Bekl. es hinnehmen, daß die Erben des Dichters Eugen Roth die Verwendung der Anfangszeilen des Gedichtes alsWandinschrift in städtischen Räumen nicht wünschen.
 

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