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Aus der Archivliste ein Statement von

Gerd Simon
Gesellschaft für interdisziplinäre Forschung Tübingen
Internet: http://homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon

Sehr geehrte Archivarinnen und Archivare,

Herr Wolf sprach kürzlich die Historiker an in der Frage der
Vernichtung von Originalen. Ich bin Wissenschaftshistoriker und Leiter
der >Gesellschaft für interdisziplinäre Forschung Tübingen<, deren
Mitglieder seit Anfang der 70er Jahre Kopien von Archivalien zum Thema
>Wissenschaft im 3. Reich< aus ca. 100 Archiven gesammelt haben.
Unter den ca. 45 lfd Meter Kopien befinden sich auch für uns wichtige
Texte, deren Originale inzwischen in den Archiven nicht mehr
auffindbar sind. Ich denke, sie wurden einfach kassiert. Hier liegt
also ein eindeutiger Interessenskonflikt zwischen den Archiven, die ja
weitgehend unter dem Druck finanzierender Instanzen an Platzmangel
leiden, und den Wissenschaftlern und deren Institute und Verbände,
denen Platzmangel übrigens ebenfalls durchaus nicht fremd ist.

Vermutlich trage ich für viele von Ihnen Eulen nach Athen, wenn ich
Folgendes in Erinnerung rufe: In den philologisch-historischen
Wissenschaften hat das Prinzip der Wiederauffindbarkeit von
Primärinformationen (dazu gehören die Originale von historischen
Quellen) den Rang, den in den Naturwissenschaften die Wiederholbarkeit
von Experimenten und Beobachtungen hat. Forschungsergebnisse, die auf
nicht wiederholbaren Experimenten und Beobachtungen oder auf nicht
(mehr) auffindbaren Primärinformationen beruhen, gelten mit Recht als
wissenschaftlich bestenfalls exhaustiv von Wert. Als Basis für die
Weiterverwertung sind sie einer kritischen Wissenschaft nicht würdig.
Das gilt nicht nur wegen des Fälschungsverdachts.

Die Auseinandersetzung zwischen den Archivaren und v.a. den
Geschichtswissenschaftlern in Sachen Vernichtung von Originalen ist im
übrigen nicht neu. Dokumentare hatten schon mit dem Aufkommen von
Mikrofilm- bzw. später von Mikrofiche-Geräten aller Art das Ende der
Archive ins Auge gefasst. (Wer mehr darüber wissen will, sei verwiesen
auf mein Opus >Buchfieber<.) Die als konservativ beschimpften
Archivare haben sich glücklicherweise gegen diese durchgesetzt. Ich
bin sicher, dass sie sich auch gegen die Vernichtungs-Befürworter
unter den Digitalisierern durchsetzen werden.

Nun zur Information: die >Gesellschaft für interdisziplinäre
Forschung Tübingen< ist selbst gerade dabei, ihre Kopien zu
digitalisieren, sucht aber zugleich nach einer Bleibe der zugrunde
liegenden Repräsentanten von Originalen und deren Register. (Im
Unterschied v.a. zu den größeren Archiven sind diese Repräsentanten zu
mehr als 95% thematisch und personell erschlossen, haben also auch
gegenüber den Originalen bis auf weiteres ihren Wert.)

Freundliche Grüße
Gerd Simon
 

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