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http://www.hauswedell-nolte.de/cat384/3841200/3841200S.htm

Das Auktionshaus Hauswedell & Nolte lässt sich zum Schillerjahr nichts Besonderes einfallen, nur Business as usual: Ein kleines, literatur- und kulturgeschichtlich aufschlußreiches Schriftgut-Ensemble wird in alle Winde zerstreut. Es geht um einige Schriftstücke der Provenienz Gleichen-Rußwurm (Schloß Greifenstein ob Bonnland, später Baden-Baden).

839 Schiller. - Emilie von Gleichen-Rußwurm (Tochter von Friedrich Schiller, 1804-1872). Eigenh. Manuskript >>Notizen Schiller betreffend<<. [Schloß Greifenstein ob Bolland] 1856-61. 14 Bll., meist beidseitig beschrieben. Zus. 23 Seiten. Quer-Octavo. Pappbd. d. Zt. (gering bestoßen). (148)
Die jüngste Tochter von Friedrich Schiller widmete sich zeitlebens der Pflege des Nachlasses ihres Vaters. Dieser, nach ihrer Hochzeit mit Alexander von Gleichen-Rußwurm, auf dem Familienschloß Greifenstein untergebrachte Schatz wurde von der Familie später dem Goethe-Schiller-Archiv in Weimar gestiftet. [...]
Schätzung/Estimate: EUR 600.-

840 -. Drei handgeschriebene Koch- bzw. Haushaltsbücher von Emilie von Gleichen-Rußwurm, geb. Schiller (1804-1872). Handschriften auf Papier. 1834, 1850 u. o. J. Schmal-Quarto u. Octavo. Pappbde. d. Zt. mit handgeschr. Titelschildern (stärkere Gebrauchsspuren). [...] Dazu: >>Kochbuch von der geliebten Schwieger-Mutter bekommen<< (Deckelvignette, eigenh. von Emilie von Gleichen-Rußwurm). 82 Bll. Octavo. Pappbd. d. Zt. (Gebrauchsspuren). - Das Kochbuch stammt von Henriette Friederike von Gleichen-Rußwurm, geb. Halleben. - Tagebuch auf meiner Reise nach Dresden, über Jena, Naumburg, Leipzig und Meissen. Im Mai 1793. - Tagebuch meiner Reise in die Schweitz, welche ich am 23. Juni 1810 angetreten habe. - 2 Handschr. auf Papier. Lt. Vermerk auf den Innendeckeln ebenfalls von Henriette von Gl.-R.
Schätzung/Estimate: EUR 700.-

841 -. 4 Bücher aus dem Besitz von Emilie von Gleichen-Rußwurm mit deren Besitzvermerken: Journal für deutsche Frauen. Besorgt von Wieland, Rochlitz und Seume. Leipzig, Göschen 1806. Umschlag d. Zt. - Kleine Landschaften. 1stes Heft. C. Hörny. Sammelheft mit 6 Kupferstichen von C. Hörny. Handschr. (eigenh.?) Titelschild. - Sammelbändchen mit 15 kolor. Lithographien mit Rheinansichten. Handschr. Titel >>Erinnerung an die Rheinreise 1821.<<. - Gothaischer genealog. Hof-Kalender auf das Jahr 1839. 76. Jg. Gotha, Perthes [1838]. Mit Kupfern. Orig.-Pappbd. (leicht gebräunt).
Schätzung/Estimate: EUR 100.-

842 -. Gästebuch des Schloßes Greifenstein ob Bonnland. 1891-1938. 136 Bll., davon ca. 120 mit Eintragungen, Zeichnungen u. eingeklebten Photographien sowie zahlr. Beilagen. Kl.-Quarto. Geprägter Schweinslederbd. (leicht berieben). (148)
Die Anfänge des Schlosses reichen bis ins 13. Jahrhundert zurück, nach dem Bauernkrieg wurde das Renaissance-Schloß erbaut u. gelangte Anfang des 16. Jahrhunderts in den Besitz der Familie von Rußwurm, 1527 durch Heirat einer Erbtochter vereint mit der Familie von Gleichen. - Von den zahlr. bedeutenden Familienmitgliedern seien hier nur erwähnt: Wilhelm von Gleichen-Rußwurm (1717-1783, Naturforscher), Heinrich von Gleichen-Rußwurm (Berater der Markgräfin Wilhemine von Bayreuth, welche die in ihrem Auftrag zusammengetragene Sammlung ihrem Bruder Friedrich dem Großen vermachte), Karl Heinrich Freiherr von Gleichen-Rußwurm (Diplomat; dänischer Gesandter in Madrid, Paris und Neapel; 1733 bis 1807). Dieser pflegte, auch künstlerisch tätig, enge Beziehungen zur Familie Friedrich Schillers. Durch die Schwägerin Schillers, Karoline von Wolzogen, wurde diese Freundschaft vertieft, 1828 heiratete Adalbert von Gleichen-Rußwurm Schillers jüngste Tochter Emilie (1804-1872). Diese widmete sich zeitlebens der Pflege des Erbes ihres Vaters u. machte Schloß Greifenstein zu einem Zentrum der Schiller-Forschung. Der Nachlaß Schillers wurde von Alexander von Gleichen-Rußwurm dem Goethe-Schiller-Archiv Weimar geschenkt. - 1938 wurden Schloß u. Dorf Bonnland geräumt, da ein Übungsgelände für die Wehrmacht errichtet wurde. Noch heute wird das Gelände von der Bundeswehr genutzt, das Schloß allerdings ist wieder zu bewundern.
Das Gästebuch entstand 1891, als Alexander von Gleichen-Rußwurm (1865-1947, Schriftsteller, Urenkel Friedrich Schillers) Stammhalter auf Greifenstein war. - Unter den Eintragungen finden sich: Friedrich Karl von Hutten zum Stolzenberg, Anghörige der Familien Freiherr von Seckendorff u. von Hylander, Rudi Stock (Stadtrat Aschaffenburg), Hanns Hubmann (Photograph), Mitglieder der Würzburger Chorvereinigung, Hermann von und zu Egloffstein (Schriftsteller), Julius Maria Becker (Schriftsteller), Schneeli (eventl. Gustav Schneeli, Mäzen u. Gründer des Kunstsammlung Glarus), Johannes Fastenrath (Schriftsteller, 1839-1908). - Zahlr. eingeklebte Photographien zeigen Außenansichten des Schloß u. des Parks, Besucher u. Angehörige der Familie, meist bezeichnet, eventl. von Alexander von Gleichen-Rußwurm oder seiner Ehefrau. - Mehrere eingeklebte Briefe, darunter eigenh. von Max Dauthendey (Würzburg, 2. VII. 1912), Thassilo [von Scheffer], Julius Maria Becker. - Ca. 20, teils blattgr. Zeichnungen u. Karikaturen, da einige dat. 1892 u. monogr. >>FvB<<. - Am Ende einige Texte zur Aufgabe des Schlosses 1938.
Dazu: Gästebuch der Villa Menschikow, Baden-Baden. 1937-1952. 76 Bll., davon 66 mit Eintragungen u. Einklebungen. Kl.-Quarto. Geprägter Kalblederbd. mit Eckbeschlägen.
Nach Aufgabe des Schlosses Greifenstein bewohnte die Familie Alexander von Gleichen-Rußwurms die Villa Menschikow in Baden-Baden. In einem der mondänsten u. weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannten Kurorte der damaligen Zeit, empfing die kunst- u. literatursinnigen Familie wiederum zahlr. Persönlichkeiten des kulturellen Lebens. - Unter den Eintragungen u. eingeklebten bzw. beigelegten Briefen: Jean Clergue (Dirigent des Pariser Radio-Orchesters) mit Notenzitat, Gerhart Hauptmann, Börries von Münchhausen, Otto Flake, Rudolf Großmann, Elisabeth Beheim-Schwarzbach, Lea Niako (Schauspielerin), Helene Nostitz (u. a. 2 eigenh. Aquarelle), Max Halbe, Prinzessin Luise Sophie von Schleswig-Holstein, Prinz Friedrich Leopold von Preußen, Hans Wildermann, Rudolf Hellwag, Angehörige der Familien von Hardenberg, von Eggeling, von Arnim, von Lengsdorff, von Hutten, von Glasenapp u. v. m. - Nach Kriegsende Eintragungen von Offizieren der französ. Armee, meist in Verehrung der Schiller-Familie u. von Carl J. Burckhardt, Max Selbach, Frank Wedde (der >>Adlerkönig<<), beiliegend 4 maschinengeschr. Briefe von Marie Romain Rolland (Witwe von Romain Rolland) sowie Visitenkarten von Prinzessin Nazlie Halim von Ägypten, Prinz und Prinzessin Karl Biron von Curland, Prinzessin Marie von Baden, Gerhart Hauptmann, Pierre Benoit u. v. a.
Dazu: Photoalbum der Familie Gleichen-Rußwurm. Etwa 1900-1930. Mit ca. 80 eingesteckten Photographien u. einigen Postkarten. - Meist Ansichten von Schloß Greifenberg, Innenräumen (darunter auch Bilder des Schiller-Nachlasses) sowie Angehörigen der Familie.
Schätzung/Estimate: EUR 600.-


Aus der gleichen Provenienz (Einlieferung 148) stammen noch weitere Lose in anderen Sachgruppen der Auktion, so Nr. 177 mit Vermerk >>Ludwig von Gleichen-Rußwurm bekommen zu Weihnachten 1842<<. Ohne Hinweis auf die Provenienz, aber ebenfalls Nr. 148: zwei Bände Insecten-Belustigung aus dem 18. Jahrhundert (Lose 76-77).

Aber auch wenn man sich auf die oben genannten "Autographen" beschränkt: Müsste nicht ein solcher außergewöhnlicher, literaturgeschichtlich bedeutsamer Adels-Nachlaß zusammengehalten und der Forschung zugänglich gemacht werden - etwa in einem Literaturarchiv? Wer ist dafür zuständig? Den Landesgeschichtlern werden die Unterlagen zu privat-literarisch sein, ein Literaturarchiv wird die Kochbücher und die Reisetagebücher nicht wollen, für die Stadt Baden-Baden wäre allenfalls das letzte Los von Belang. Die gedruckten Bücher schliesslich werden auf wenig Interesse stossen. Aber trotzdem ist der enge innere Zusammenhang der Stücke und ihre Verbindung mit dem Leben einer Adelsfamilie von Rang vom Ende des 16. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts nicht zu leugnen, ein Kontext, der durch die Auktion aller Wahrscheinlichkeit nach zerstört werden wird. Adelskultur wird einmal mehr zum Opfer allseitiger öffentlicher Unzuständigkeit.
 

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