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[Preprint] Ulm und Oberschwaben. Zeitschrift für Geschichte, Kunst und Kultur. Im Auftrag des Vereins für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben e.V. und der Gesellschaft Oberschwaben für Geschichte und Kultur e.V. hrsg. von Andreas Schmauder und Michael Wettengel in Zusammenarbeit mit Gudrun Litz Bd. 58. Ulm: Süddeutsche Verlagsgesellschaft Ulm im Jan Thorbecke Verlag 2013. 535 S. mit zahlreichen Abbildungen

Norbert Kruse, der an einer "Gesamtuntersuchung der deutschen Literatur Oberschwabens im Mittelalter" arbeitet, hat dazu einen weiteren Baustein vorgelegt: Deutsche Einschübe in lateinischen Predigten des 14. Jahrhunderts aus Ochsenhausen (S. 9-38). Die Handschrift Cod. theol. et phil. 2° 200 der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart (Zwiefalter Provenienz, Ende des 14. Jahrhunderts) überliefert Bl. 8v-43v 1343 datierte lateinische Predigten eines Konventualen des Benediktinerklosters Ochsenhausen, in die 72 Passagen in Deutsch eingeschoben sind, die Kruse S. 16-29 ediert und übersetzt. Misslich ist unter anderem der Verzicht auf eine Quellenanalyse. Mit geschickter Nutzung von Google/Google Book Search kann man herausfinden, dass mindestens zwei der Einschübe aus deutschsprachigen Predigten stammen (Näheres in Archivalia: http://archiv.twoday.net/stories/714918650/ ).

Ulrich Scheinhammer-Schmid sichert die Spuren des 1440 datierten Totentanzes im Ulmer Wengenkloster, der im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt und bei Abrissarbeiten 1952 vollends vernichtet wurde. Für die Wiedergabe des Textes (S. 67-70) stehen außer der fragwürdigen Rekonstruktion durch Rudolf Weser nur wenige fragmentarische Textstücke zur Verfügung.

Anhand der überregionalen, 1459 in Regensburg verabschiedeten Bauordnung geht Anne-Christine Brehm auf das Netzwerk spätmittelalterlicher Baumeister ein. Deutlich werden die engen Kontakte zwischen den am Treffen Beteiligten. Abbildung 7 auf S. 83 wirft die Frage auf, ob es in der Redaktion der Zeitschrift niemand gibt, der paläographisch so versiert ist, um zu erkennen, dass es ein Unding ist, kommentarlos die mit Fehlern gespickte Transkription durch Rudolf Wissell (kein Fachhistoriker!) neben die Abbildung der Thanner Abschrift der Beitrittsliste zu stellen. Die Überlieferung aus dem 16. Jahrhundert weist eine Fehldatierung 1449 statt 1459 auf, es heißt eindeutig “viertzig”, wo Wissell “fünfzig” schreibt.

Im Mittelpunkt von Wolfgang W. Schürles Aufsatz “Lepra und andere abscheuliche Krankheiten. Von Sondersiechen und ihren Stiftungen in Württemberg sowie in Stadt und Amt Blaubeuren” (S. 102-172) steht das 1441 erstmals erwähnte Blaubeurer Sondersiechenhaus. Bedauerlich ist, dass die in der ehemaligen Reichsstadt Schwäbisch Gmünd noch vorhandene eindrucksvolle Siechenanlage St. Katharina (Richard Strobel, Die Kunstdenkmäler der Stadt Schwäbisch Gmünd 4, 2003, S. 61-76 ) nicht berücksichtigt wird (das Buch von Albert Deibele 1969 wird nur in der letzten Fußnote 277 angeführt).

Mit Handel und Wandel auf der Donau von Ulm bis Wien in der frühen Neuzeit hatte sich Hans-Heinrich Vangerow im vorigen Band befasst. Aufgrund neuer Quellenfunde kann er schon einen Nachtrag vorlegen. Eine gründliche agrargeschichtliche Übersichtsdarstellung widmet Edwin Ernst Weber der Landwirtschaft an der Oberen Donau in der frühen Neuzeit (S. 186-227). Nicht nur dieser Beitrag, den unter anderem schöne Zeichnungen aus einem Wiblinger Lagerbuch vom Ende des 17. Jahrhunderts schmücken, gefällt aufgrund gut ausgewählter und qualitätvoller Farbillustrationen. Zwei Hinterglasbilder von Johann Christoph Beuz (1740-1810) aus dem Ende des 18. Jahrhunderts fesseln Berno Heymer. Wieso eines der beiden aus den Sammlungen des Ulmer Museums 1979 im Kunsthandel auftauchte (S. 228), erfährt man leider nicht.

Bei dem Beitrag von Guntram Müller-Schellenberg zum hohenzollerischen Militär in napoleonischer Zeit und den Hechingern und Sigmaringern als Teil der nassauischen Regimenter in Spanien (S. 240-264) frage ich mich, wieso er nicht in der einschlägigeren ZHG erschienen ist.

Jürgen Kniep kann in seiner aufschlussreichen Studie zu Bildern oberschwäbischer Volkstrachten im 19. und 20. Jahrhundert herausarbeiten, “wie wenige Akteure die diskursive Wissensproduktion über die Kleidungspraxis der Württemberger im Allgemeinen und die Volkstrachten in Oberschwaben im Besonderen prägten “(S. 303f.). Nicht eigens thematisiert wird der Schwaben-Begriff, obwohl er einen wichtigen Beitrag zur rückwärtsgewandten “Volks”-Kunde leistete.

Warum die Haushaltslage der Stadt Biberach sich so außergewöhnlich positiv darstellt, erklärt Frank Brunecker historisch: Seine “Biberacher Industriegeschichte” würdigt neben Boehringer Ingelheim auch die weiteren großen Unternehmen der wohlhabenden oberschwäbischen Stadt.

Die Veränderungen der “Kindheitsrealitäten” seien viel geringer und fänden deutlich langsamer statt als häufig angenommen werde, resümiert Sarah-Maria Schober ihre Fallstudie zu Kindern in Ravensburg im Kaiserreich (S. 386). Es handelt sich um eine gekürzte Tübinger Magisterarbeit. Die Autorin verweist in Fußnote 1 auf die Langfassung für ein ausführliches Quellen- und Literaturverzeichnis. Bei dieser bibliographisch schwer fassbaren, viel zu sehr unterschätzten Gattung der grauen Literatur sollte man aber immer einen Standort angeben, wo die Abschlussarbeit eingesehen werden kann.

Ravensburg war ein Zentrum von Altarbau und sakraler Bildhauerei in Historismus, Jugendstil und beginnender Moderne. Ralf Reiter stellt die Werkstätten von Theodor Schell dem Älteren (1836-1900), Moriz Schlachter (1852-1931) und Theodor Schell dem Jüngeren (1870-1938) vor. Der letztgenannte war nach Ansicht des Autors vielleicht der “bedeutendste Künstler” Ravensburgs (S. 428). Beigegeben ist ein umfangreiches Werkverzeichnis (S. 429-437).

Über das letzte Todesurteil des Standgerichts Ulms, dem am 19. April 1945 der französische Zwangsarbeiter Joseph Weiß zum Opfer fiel, weil er ein Rotkreuz-Paket geöffnet hatte, recherchierte Andreas Lörcher. Der einzige Beitrag zur Nachkriegszeit nimmt die Anfänge des 1950 gegründeten “Ravensburger Kreises” (“Eine verschworene Gemeinschaft” S. 450-469) in den Blick, gewiss keine oberschwäbische “Gruppe 47". Franz Schwarzbauer wirft der literarischen Gesellschaft die Orientierung “an einem überholten, restaurativen Literaturbegriff” vor (S. 467).

Ein stattlicher Rezensionsteil mit gut 20 besprochenen Büchern (S. 470-504) und leider getrennte Register der Personen- und Ortsnamen, die nach wie vor die benutzerunfreundliche Ansetzung nach dem Vornamen (bei Adelsfamilien) praktizieren, “runden”, um eine beliebte Rezensenten-Floskel aufzugreifen, den “schön gestalteten Band ab” (S. 482).
 

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