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Das Bundesverwaltungsgericht hat mir freundlicherweise den in

http://archiv.twoday.net/stories/948996093/
und
http://archiv.twoday.net/stories/948994957/

erwähnten Einstellungsbeschluss vom 8. März 2012 übersandt. Die archivrechtlich relevante Kernaussage habe ich gefettet.

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Beschluss_bundesverwaltungsgericht_einsichtsrecht.pdf

"BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS

BVerwG 6 A 2.11

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. März 2012
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Hahn
als Berichterstatter gemäß § 87a Abs. 1 und 3 VwGO
beschlossen:
Das Verfahren wird eingestellt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
- 2 -
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Nachdem die Beteiligten den Rechtstreit in der Hauptsache übereinstimmend
für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1
VwGO einzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Es entspricht
billigem Ermessen, dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen,
weil die Klage nach dem Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Erledigung voraussichtlich
Erfolg gehabt hätte.
Da der Kläger die zum Gegenstand der Klage gemachten Akten mit Schriftsatz
vom 7. Dezember 2011 konkret bezeichnet hat, war der Klageantrag im maßgeblichen
Zeitpunkt ausreichend bestimmt (§ 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Die als
allgemeine Leistungsklage zulässige Klage war nach dem Sach- und Streitstand
im Zeitpunkt der Erledigung begründet. Wie der Senat in seinem - den
Verwaltungsrechtsweg und die sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts
bejahenden - Beschluss vom 10. August 2011 bereits ausgeführt
hat, konnte der Kläger sein Begehren, ihm zum Zecke der Beweiserhebung bestimmte
Unterlagen zugänglich zu machen, grundsätzlich auf den allgemeinen
Anspruch auf Gewährung von Amtshilfe nach Art. 35 Abs. 1 GG stützen, der
hier durch die Bestimmungen über die Amtshilfe nach §§ 4 bis 8 des Hessischen
Verwaltungsverfahrensgesetzes (HVwVfG) in der Fassung vom 15. Januar
2010 (GVBl. I S. 18) konkretisiert wird. Bei der mit Schreiben an das Hessische
Ministerium für Wissenschaft und Kunst vom 4. November 2010 geäußerten
Bitte des Präsidenten des Niedersächsischen Landtages - Landtagsverwaltung
- als Geschäftsstelle des 21. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses,
dem Untersuchungsausschuss die im Beweisbeschluss genannten
Unterlagen zur Verfügung zu stellen, handelte es sich um ein Amtshilfeersuchen
im Sinne des § 4 Abs. 1 HVwVfG. Diesem durfte der Beklagte nicht die
verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Bestimmungen des Hessischen Archivrechts entgegenhalten. Zwar bestimmt § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HVwVfG,
dass die ersuchte Behörde die erbetene Amtshilfe nicht leisten darf, wenn sie
durch die Vornahme der Unterstützungshandlung gegen das für sie maßgebliche
Recht (vgl. § 7 Abs. 1 Halbs. 2 HVwVfG) verstoßen würde. Die von einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Rahmen seines Untersuchungsauftrags beanspruchte Herausgabe archivierter Akten zum Zweck der Beweiserhebung ist jedoch nicht als öffentliche „Nutzung“ bzw. „Benutzung“ von Archivgut im Sinne des § 1 Benutzungsordnung für die Staatsarchive des Landes Hessen (ArchivBO) sowie der §§ 14 ff. des Hessischen Archivgesetzes
(HArchivG) zu qualifizieren und unterfällt daher insbesondere auch nicht den in § 15 HArchivG geregelten Schutzfristen. Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des Untersuchungsverfahrens als Ausprägung des parlamentarischen Kontrollrechts.
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass Art. 44 GG und die entsprechenden
Bestimmungen der Landesverfassungen - hier Art. 27 der Niedersächsischen
Verfassung - so auszulegen sind, dass sie eine wirksame parlamentarische
Kontrolle ermöglichen, und dass ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss
die erforderlichen Beweise erheben können muss. Der Aufklärung
des Sachverhalts durch Untersuchungsausschüsse kommt keine geringere
Bedeutung zu als der Tatsachenermittlung im Strafverfahren (vgl. BVerfG,
Beschluss vom 1. Oktober 1987 - 2 BvR 1178/86 u.a. - BVerfGE 77, 1 <48>).
Insoweit besteht kein Unterschied zwischen Untersuchungsausschüssen des
Bundestages und denen eines Landesparlaments (vgl. Urteil vom 19. Mai 1988
- BVerwG 7 C 37.87 - BVerwGE 79, 339 <345>). Die parlamentarischen Untersuchungsausschüssen
durch Landesverfassungsrecht verliehene Beweiserhebungsbefugnis
erstreckt sich nicht nur auf die im Staatsgebiet des jeweiligen
Landes belegenen Beweismittel (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. September
1993 - 2 BvR 1666 u. 1667/93 - NVwZ 1994, 54 <55>). Dies gilt auch für
die Beiziehung von Unterlagen (Beschluss vom 13. August 1999 - BVerwG
2 VR 1.99 - BVerwGE 109, 258 <264>). Die Herausgabe von Akten oder anderen
in amtlicher Verwahrung befindlichen Schriftstücken an einen parlamentarischen
Untersuchungsausschuss kann daher auch länderübergreifend nur ausnahmsweise
- etwa unter den in § 96 StPO genannten Voraussetzungen oder
aus verfassungsrechtlichen Gründen - verweigert werden.
- 4 -
Die Beklagte durfte die Herausgabe der angeforderten Akten an den Kläger
nach dem Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Erledigung auch nicht unter
Hinweis auf den damit möglicherweise verbundenen Eingriff in das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG
verweigern. Das Beweiserhebungsrecht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses
und der grundrechtliche Datenschutz stehen sich auf der
Ebene des Verfassungsrechts gegenüber und müssen im konkreten Fall einander
so zugeordnet werden, dass beide soweit wie möglich ihre Wirkungen entfalten
(vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Juli 1984 - 2 BvE 11 u. 15/83 - BVerfGE 67,
100 <143 f.>; Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07 - BVerfGE 124, 78
<125>). Verweigert eine Behörde die Aktenvorlage an einen parlamentarischen
Untersuchungsausschuss unter Verweis auf die gemäß Art. 1 Abs. 3 GG zu
beachtende Schutzbedürftigkeit der in den Unterlagen enthaltenen personenbezogenen
Daten, so unterliegt sie von Verfassungs wegen einer Begründungspflicht.
Eine substantiierte Begründung der ablehnenden Entscheidung ist
unentbehrliche Grundlage auch der gerichtlichen Kontrolle (vgl. BVerfGE 124,
78 <128 f.>). Welche der vom Kläger als Beweismittel angeforderten Akten personenbezogene
Daten enthalten, weshalb der Schutz dieser Daten unter Beachtung
des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit das Gewicht des Untersuchungszwecks
und das Gewicht des Beweisthemas überwiegt und weshalb
dem Datenschutz nicht gegebenenfalls durch andere Maßnahmen wie etwa
dem nach Art. 27 Abs. 3 Satz 3 der Niedersächsischen Verfassung mit Zweidrittelmehrheit
möglichen Ausschluss der Öffentlichkeit hätte sichergestellt werden
können, hat der Beklagte indes weder vorprozessual noch im Rahmen des Klageverfahrens
inhaltlich überprüfbar begründet.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.

Hahn"
 

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