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Ich habe mit Mareike König, Leiterin der Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts Paris, ein Mailinterview zur Literaturversorgung in Frankreich geführt.

Nimmt das DHI an der französischen Fernleihe teil?


Wir als deutsche Bibliothek im Ausland nehmen an der französischen Fernleihe nicht teil. Wir sind „nehmend“ an den deutschen Verbund angeschlossen, d .h. wir verleihen keine Bände, da wir eine Präsenzbibliothek sind, holen aber Bücher aus Deutschland zu uns. Das ist durch die versicherten Versandkosten recht teuer (25 Euro pro Buch). Mitunter ist es günstiger, das von Lesern gewünschte Buch anzuschaffen, denn Fernleihe ist „Mangelverwaltung“ und deutet auf einen Bestand hin, der erwartet wird oder vorhanden sein sollte. Das ist natürlich im Einzelfall zu prüfen.

Wie sehen in Frankreich die Fernleih-Möglichkeiten aus?

Generell gibt es in Frankreich zwei Fernleih-Systeme: eines für die öffentlichen, eines für die wissenschaftlichen Bibliotheken. Prêt entre bibliothèques (PEB) für die akademische Welt (336 Einrichtungen) und Prêt inter-bibliothèques (PIB) für die öffentlichen Bibliotheken (200 Einrichtungen), beide Netze sind miteinander verknüpft.

Ich zitiere aus dem von mir und Dominique Bouchery verfassten Artikel „Bibliotheken in Frankreich: Einrichtungen, Bestände und Suchstrategien“, der diese Tage noch online gehen soll als Spezialnummer der Revue de l’IFHA (Geschichte machen in Frankreich. Ein Wegweiser für Studium, Forschung und Lehre, Revue de l’Institut français d’histoire en Allemagne, 2014.)

„Die Nutzungsbedingungen der Fernleihe sind von Bibliothek zu Bibliothek verschieden. In der BnF wird die Fernleihe für die ersten 20 bestellten Dokumente kostenlos durchgeführt, vorausgesetzt man ist mit dem Forscherstatus in der Bibliothek für das laufende Jahr eingetragen. In anderen Einrichtungen kann der Preis je nach Lage und Ort zwischen 6 € (Inland) und 8 € (Außenverkehr) pro Medieneinheit variieren. Bestellungen von Kopien sind nach den in Frankreich geltenden Urheberrechten ebenfalls möglich, mit Abholung vor Ort oder per Postversand.“

Innerhalb einer Stadt ist eine Fernleihe in Frankreich nicht möglich (in Deutschland vermutlich auch nicht). Sind beispielsweise Bücher oder Aufsätze in Pariser Bibliotheken vorhanden, so könnten wir (würden wir teilnehmen) keine Fernleihe beanspruchen. Da bleibt nur die Lösung, in die jeweilige Bibliothek zu gehen und die Bände dort einzusehen.

Wie steht es mit Direktlieferdiensten?

Nicht besonders gut. Ich zitiere weiter:

„Einen ähnlichen Service wie Subito mit Online-Lieferung gibt es in Frankreich nicht. Eine Alternative ist der Dokumentenlieferdienst Refdoc[1] von INIST-CNRS. Er bietet Zugang zu mehr als 53 Millionen Dokumenten der Fächer Naturwissenschaften, Technologie, Medizin und Geisteswissenschaften, erschienen seit dem Jahr 1823 bis heute. Die Geisteswissenschaften sind dabei eindeutig am schwächsten vertreten. Je nach Dringlichkeitsgrad können die Scans per Mail innerhalb von zwei Stunden, 24 Stunden oder sieben Tagen geliefert werden. Der Dienst ist jedoch in den letzten Monaten in Verruf geraten, weil dort Artikel teuer verkauft und zur Lieferung angeboten wurden, die es andernorts im Open Access gibt.[2]“

Dazu der Nachtrag: Als ich vor ein paar Tagen auf der Website war, um nach den aktuellen Konditionen für die Lieferung zu sehen, konnte ich den Lieferservice dieser Online-Bibliographie nicht mehr finden. Eventuell wurde er aufgrund der Kritik eingestellt. Ich werde nachforschen.

Gibt es Digitalisierung on demand?

Das ist abhängig von den einzelnen Bibliotheken. Eine generelle Übersicht dazu ist mir nicht bekannt. Die BnF beispielsweise bietet diesen Dienst an. Hinweise dazu finden sich auf der Website der BnF unter „Reproduction des Documents“ [3]. Der Dienst war früher sehr langsam, hat sich aber in letzter Zeit stark beschleunigt. Unsere letzte Bestellung für einen Kollegen hat gerade mal zwei Wochen gedauert.

Man kann in Frankreich ganz praktisch Kopien von unveröffentlichten Dissertationen bestellen. In Frankreich gibt es keine Veröffentlichungspflicht für Dissertationen, man braucht keine Publikation, um den Doktortitel tragen zu dürfen (den tragen hier nur Mediziner). Daher bleiben die meisten Dissertationen unveröffentlicht. In Lille gibt es eine zentrale Stelle für die Vervielfältigung (entweder Kopie oder Microfiche) von Dissertationen: das Atelier National de Reproduction des Thèses. Das Atelier liefert auch ins Ausland. Die Kosten orientieren sich an der Seitenzahl. Mit 50, 60 Euro muss man daher leider rechnen.

Darf man in Bibliotheken wie der BNF normale Literatur selbst fotografieren? Gibt es womöglich kostenlose Aufsichtsscanner?

Kostenlose Aufsichtscanner gibt es nicht. Hier wird extrem auf das Einhalten des Urheberrechts geachtet (und auf den schonenden Umgang mit den Medien). Erlaubt sind in Frankreich Kopien von ca. 30% des Umfangs bei Medien, die jünger als 90 Jahre sind. Scans sind kostenpflichtig und kosten derzeit genau so viel wie Kopien!

Man darf in der BnF mit dem eigenen Apparat Dokumente fotografieren, die älter als 90 Jahre sind. Dazu muss man sich an einen speziellen Platz setzen und vorher bei der Aufsicht um Erlaubnis fragen.

Für Bücher, die jünger als 90 Jahre sind, ist das Bibliothekspersonal zuständig, wenn man sich im unteren Bereich der Bibliothek, der Forschungsbibliothek befindet (rez-de-chaussée). Für den Bereich oben (mit dem Freihandbestand) kann man selbst Kopien anfertigen. Da es sich um eine Studienbibliothek handelt, die nur einige Übersichtswerke bereit stellt, ist dieser Bereich für die Forschenden überwiegend uninteressant, ich bin da beispielsweise nie. [4]

Wer kann sich bei wissenschaftlichen Bibliotheken anmelden und was kostet das?

Das ist unterschiedlich geregelt. Oftmals sind die wissenschaftlichen Bibliotheken nur für die eigenen Studierenden und Forschenden da. Will man ein Buch als Externer einsehen, so muss man darlegen, dass es das gewünschte Buch u.U. nur in dieser Bibliothek gibt. Dann bekommt man zumeist eine Lesekarte (nach Nachweis des wissenschaftlichen Vorhabens). Die Websites der Bibliotheken geben darüber Auskunft. Und außerdem in Teilen auch bald der Artikel von Dominique Bouchery und mir ;-) Das DHIP stellt auf Anfrage Empfehlungsschreiben für die französischen Bibliotheken aus, damit klappt der Zugang meistens. Im Blog Francofil gibt es einen Überblick über das komplexe System der französischen Universitätsbibliotheken: http://francofil.hypotheses.org/1659.

Remote Access zu Datenbanken/Journals auch für BürgerInnen?

Außerhalb von Bibliotheken? Ist mir nicht bekannt. Allerdings gibt es in Frankreich sehr große Digitalisierungsprojekte im Open Access wie beispielsweise Gallica http://gallica.bnf.fr/, das Digitalisierungsprojekt der BnF, oder Persée http://www.persee.fr/web/guest/home für Zeitschriften, oder auch revues.org. Auf dem Blog Francofil http://francofil.hypotheses.org/ werden regelmäßig Angebote vorgestellt.

Herzlichen Dank!

[1] Refdoc, http://www.refdoc.fr/.

[2] Über den Hashtag #inistgate konnte man die Vorwürfe in den sozialen Medien verfolgen. Eine Stellungnahme des CNRS findet sich hier: http://intranet.cnrs.fr/intranet/actus/insist-20121019.html.

[3] http://www.bnf.fr/fr/collections_et_services/reproductions_document.html

[4] Weitere Infos:
http://www.bnf.fr/fr/collections_et_services/services_lecteurs/a.photocopies_impression_donnees.html

Update:
http://adresscomptoir.twoday.net/stories/967549800/
Mareike König (Gast) meinte am 2014/10/09 18:00:
Ergänzung
Der im Interview erwähnte Artikel "Bibliotheken in Frankreich: Einrichtungen, Bestände und Suchstrategien" ist jetzt online:
http://ifha.revues.org/7889 
 

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