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Kirchenarchive

Neuigkeiten dazu werden im Haupteintrag "Die geheimen Tagebücher der Nibelungen aus Zwettl" vermerkt.

In Ergänzung unserer früheren Meldung muss wohl festgestellt werden, dass alles dafür spricht, dass der Ansicht des Marburger Nibelungenliedexperten Professor Joachim Heinzle beigepflichtet werden muss, der die Fragmente in das 13. Jahrhundert datiert und einen Bezug zum Nibelungenstoff (gute Linksammlung zum Nibelungenlied bei MEDIAEVUM.de) nicht erkennen kann. Es könne sich allerdings um eine zweite Fassung des "Erec" handeln (Interview). Frau Ziegler widerspricht zwar, aber dass der von ihr als Kronzeuge angeführte Salzburger Professor Ulrich Müller die Argumente Heinzles aushebeln kann, ist nicht zu erwarten. Tatsache ist: Es liegen der Forschung weder brauchbare Abbildungen noch eine verläßliche Transkription der Fragmente vor. Die phantasievollen und von wenig Kenntnis des Mittelhochdeutschen zeugenden Ausführungen Zieglers in der FAZ von heute (3.4.2003) können nur mit Kopfschütteln gelesen werden (siehe auch MEDIAEVUM Neuigkeiten). In der Liste MEDIAEVISTIK (kein aktuelles Listenarchiv verfügbar) machte sich Unmut über Zieglers Auftreten und den Presserummel (der bis nach Vietnam reicht) breit. Ob man vor Veröffentlichung einer solchen Sensationsmeldung nicht erst einmal gründlich gegenrecherchieren solle, fragte der Handschriftenfachmann Falk Eisermann mit Recht. Dass die "Vorstellung" der Fragmente im Rahmen eines Diskussionsbeitrags in Kalamazoo 2001 ein eher peinlicher Auftritt gewesen sei, wurde von amerikanischen Teilnehmern berichtet, die auch der Darstellung widersprachen, die Datierung Zieglers ins 12. Jahrhundert sei auf Zustimmung gestossen. Nur wenige hätten damals die Möglichkeit gehabt, die damals kurz vorgezeigten Abbildungen einzusehen. Es wäre in der Zwischenzeit genug Zeit gewesen, ausgewiesene Paläographen (Karin Schneider oder die Marburger Experten des Repertoriums deutschsprachiger Handschriften des 13. Jahrhunderts) zu konsultieren. Die Kirchenarchive.at aber wollten für den Start ihres Internetauftritts einen Knüller, und sie haben dabei alle wissenschaftliche Seriosität geopfert.
Es bleibt zu wünschen, dass im Stift Zwettl, dessen Bibliothekarin Ziegler nicht gerade für ihre umgängliche Art bekannt ist, der Wissenschaft nun ein vorbehaltloser Zugang zu den Fragmenten gewährt wird. Wie es dort zugeht, lässt sich einer Anekdote entnehmen, die der Tagesspiegel über den Berliner Germanisten Volker Mertens berichtet:
Mit der Klosterbibliothek Zwettl verbindet Mertens indes ein eigener Archiv-Krimi: Bei einer Exkursion mit seinen Studenten zog er dort ein von Mönchen gebundenes Buch aus dem Regal. Er schlug es auf und fand "im Einband ein mittelhochdeutsches Minnelied". Gerade wollte Mertens die beiden lesbaren Zeilen entziffern, als ein
hinzukommender Pater ihn anfuhr: "Stellen Sie das Buch sofort zurück." Am nächsten Morgen schlich sich der Berliner Forscher noch einmal in die Bibliothek, konnte Buch und Minnelied aber nicht wiederfinden.

NACHTRAG:
In der SZ vom 5.4. meldete sich der Hamburger Altgermanist Nikolaus Henkel zu Wort:
Eine Datierung der Fragmente ist möglich anhand der Schriftformen, die zeittypisch für die Mitte des 13. Jahrhunderts sind. Die Annahme, die Schnipsel stammten aus Böhmen, ist aufgrund bestimmter Schreibformen nicht unwahrscheinlich. [...] In den Zwettler Fragmenten sind einzelne Wörter, seltener Wortfolgen erkennbar, die aber keine Übereinstimmungen mit dem Nibelungenlied oder der Klage bieten. Auch ist kein Name sicher lesbar, der im Nibelungenlied und in der Nibelungen-Klage, dem regelmäßigen Begleittext des Liedes in den Handschriften, vorkäme. Selbst die unsichere Buchstabenfolge siverit lässt sich nicht einfach mit dem Sifrit des Nibelungenliedes in eins setzen.
Am 20.4.2003 schrieb Henkel in einer später an MEDIAEVISTIK weitergeleiteten Mail, die Schreibsprache der Fragmente sei mitteldeutsch. Und: Wer sind die Experten in dieser Sache? Ganz sicher nicht diejenigen, die Frau Ziegler in ihrem Glauben bestärkt haben, eine Nibelungenentdeckung gemacht zu haben.
NACHTRAG:
Montag, 7.4.: Eher uninformativ ist der Artikel im gedruckten SPIEGEL (ohne Erwähnung von Heinzle).
Autoritativ eingeordnet wurden die Fragmente vom erwähnten Marburger Repertorium durch Heinzle unter dem Rubrum Zwettler Erec:
Der Zwettler Fund umfaßt zehn Pergament-Schnipsel mit mittelhochdeutschem Text. Die Entdeckerin datiert sie ins 12. Jahrhundert und vermutet, daß sechs Schnipsel Text aus der Nibelungensage und vier Schnipsel Text aus einem Erec-Roman enthalten. Weder die Datierung noch die Verbindung mit den Nibelungen trifft zu. Die Bruchstücke stammen sicher aus dem 13. Jahrhundert. Alle, auch die mit den Nibelungen in Verbindung gebrachten, sind
Reste einer Handschrift, die einen mittelhochdeutschen Erec-Roman enthielt. Dieser Roman ist nicht identisch mit dem 'Erec' des Ambraser Heldenbuchs, in dem man das Werk Hartmanns von Aue zu sehen pflegt. Es könnte sich um die zweite Fassung des 'Erec' handeln, die in Fragmenten aus Wolfenbüttel bezeugt ist (siehe Wolfenbüttel, Herzog August
Bibl., zu Cod. 19.26.9 Aug. 4°). Wie diese Wolfenbüttler Fassung stimmt der Text der Zwettler Bruchstücke näher zu Chrestiens Text als die Ambraser Fassung.

NACHTRAG:
12.4.2003 In der Journaille ist nichts Substantielles mehr zum Fall zu finden, also ein Beitrag, der sich deutlich mit der Zuweisung Heinzles auseinandersetzt. Das gilt auch für die ZEIT, in der so getan wird, als wäre keine Entscheidung möglich:
Jetzt grollt man erst einmal in Marburg und Zwettl. Heinzle ist wütend auf die Presse: "Warum setzen die so ein Windei in die Welt, bevor Fachleute es geprüft haben?" Ziegler ist wütend auf Heinzle: "Er glaubt anscheinend, das Nibelungenlied gehöre ihm." Verstehen kann man beide.
Meine Meinung: Verstehen kann man ausschliesslich Heinzle, denn es gibt bei der Aufstellung abstruser Behauptungen keine Unschuldsvermutung und keine Umkehr der Beweislast. Wer ohne Fachkenntnis in den Wald hineinruft, muss sich das Echo gefallen lassen.
Neuigkeiten in diesem Casus sind auch bei MEDIAEVUM nachzulesen, zuletzt die Datierung durch Karin Schneider: frühgotische Schrift aus dem 2. Viertel des 13. Jh.s. Das Leipziger Handschriftenzentrum setzt die Fragmente einige Jahre später an. Ebenda kritisiert J. Hamm die inkompetente Berichterstattung in "Aspekte". Im Gästebuch dort ein Beitrag von Oskar Pausch zur Debatte.
NACHTRAG:
16.4.2003 In der FAZ (S. 40) hat Heinzle in einem ausführlichen Artikel Einzelheiten zu seiner Einordnung veröffentlicht (Zusammenfassung bei MEDIAEVUM) und zugleich die "Hysterie", die der angebliche Nibelungenfund entfachen konnte, kritisiert. Der in der FAZ (und bei SPIEGEL-ONLINE) abgebildete Schnipsel und seine Rückseite wird von ihm als nicht mit der Ambraser-Fassung übereinstimmendes Erec-Fragment (Verse 1865 ff. - TITUS-Online-Ausgabe Versgruppe 19) bestimmt. pilgrime in Zeile 1 der Vorderseite habe nichts mit dem Bischof zu tun, sondern beziehe sich wahrscheinlich auf den so bezeichneten Jagdvogel.
Es wird zu prüfen sein, ob der "Zwettler Erec", wie wir ihn nennen wollen, ein weiterer Zeuge der Bearbeitung ist, die in den Wolfenbütteler Fragmenten vorliegt. In jedem Fall präzisiert er unsere Kenntnis der Geschichte der mittelhochdeutschen Literatur.
Wir wissen jetzt, daß die Rezeption des französischen Erec-Romans in Deutschland vielschichtiger und reicher war, als man bisher annahm, und daß der Ambraser Text keine kanonische Geltung beanspruchen darf.

NACHTRAG 21.5.2003: Neuigkeiten vermeldet dieser ARCHIVALIA-Eintrag, vor allem den Heinzle-Volltext bei Literaturkritik.de.
NACHTRAG 26.7.2003: Frau Ziegler gibt nicht klein bei (ARCHIVALIA).
NACHTRAG 8.8.2003: dito.
NACHTRAG 12.8.2003: in Mediaevum.de wurde ein Diskussionsforum zum Thema eingerichtet (ARCHIVALIA).

Über den Fund eines rund 1.600 Manuskripte umfassenden Musikarchivs in Bozen mit Stücken aus dem 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart berichtet die Südtiroler Tageszeitung "Alto Adige" am 4. April 2003 in zwei Beiträgen:
"Il tesoro era nel muro". URL: http://www.altoadige.quotidianiespresso.it/altoadige/arch_04/bolzano/cultura/at901.htm

"Sono 1600 i manoscritti. E 40 volumi con gli spartiti" di Antonio Merlino. URL: http://www.altoadige.quotidianiespresso.it/altoadige/arch_04/bolzano/cultura/at902.htm

Das Klosterarchiv der regulierten Chorfrauen vom Hl. Grab in Baden-Baden - das seit 1670 ununterbrochen bestehende Kloster ist verwaist, die letzten Schwestern leben in einem Pflegeheim - befindet sich bereits im Archiv der Erzdiözese Freiburg. Auch die wertvolle Klosterbibliothek und die Andachtszettelsammlung sollen komplett erhalten bleiben. Weniger erfreulich: an sich erhaltenswertes Inventar, Zeugnisse der Alltags- und Frömmigkeitsgeschichte, wird im Juni unter den Hammer kommen (Näheres in Netbib).

SPIEGEL ONLINE hat die Stiftsarchivarin von Zwettl, Charlotte Ziegler, über ihren merkwürdigen Fund zum Nibelungenstoff interviewt (mit Abbildung eines Fragments). Es bleibt abzuwarten, wie sich die Experten zu den Prosafragmenten angeblich aus dem 12. Jahrhundert äußern.
Siehe auch die Meldung (mit weiteren Hinweisen) in Kirchenarchive.at.
Update hier!

ARBEITSGEMEINSCHAFT DER DIÖZESANARCHIVE ÖSTERREICHS
A-3100 St. Pölten, Domplatz 1

Sehr geehrte Damen und Herren!
Es ist mir eine Freude, Sie zur am Montag, den 31. März 2003, um 10.00
Uhr stattfindenden Pressekonferenz im Club Stephansplatz 4 (1010 Wien,
Stephansplatz 4) herzlich einzuladen. Es geht um die Bedeutung der
kirchlichen Archive Österreichs als Hüter des europäischen kulturellen
Erbes und den verbesserten Zugang dazu durch das neue Internet-Portal
http://kirchenarchive.at. [...]

Ablauf:
1. Einleitung (Dr. Annemarie Fenzl, Direktorin des Diözesanarchivs Wien)
2. Kirchliche Archive als Hüter des kulturellen Erbes (Dr. Thomas
Aigner, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Diözesanarchive
Österreichs)
3. Verborgene Schätze als Teil des kulturellen Erbes: die neu entdeckten
Zwettler Nibelungenfragmente (Dr. Charlotte Ziegler, Archivarin und
Bibliothekarin des Stiftes Zwettl, NÖ.)
4. Ein zeitgemäßer Zugang zu diesem kulturellen Erbe: kirchenarchive.at
(Mag. Walter Lukaseder, Homepage-Beauftragter der ARGE Diözesanarchive)
5. Vernetzung des kulturellen Erbes im IT-Zeitaler: der europaweit erste Online-Verbundkatalog kirchlicher Archive (Dr. Thomas Aigner)
6. Fragen, Diskussion
Moderation: Dr. Annemarie Fenzl

Auch Nicht-Journalisten sind herzlich eingeladen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Thomas Aigner
Vorsitzender ARGE Diözesanarchive

A-3100 St. Pölten, Domplatz 1
Tel.: 02742 324 321, Fax: 02742 324 325
Email: archiv@kirche.at

Herzlichen Dank an St. Marra für diese Mitteilung.
Das Portal Kirchenarchive.at bietet bereits eine Fülle nützlicher Informationen, u.a. Online-Findbücher der Inventare des Diözesanarchivs St. Pölten, des Stiftsarchivs Melk und des Stiftsarchivs Lilienfeld. (Die Findbuch-Funktion basiert auf dem Angebot der Fa. AUGIAS DATA, die somit auch die kath.-kirchlichen Archive Österreichs im Griff hat.)

Zentralarchiv der vangelischen Kirche der Pfalz und Historisches Museum der Pfalz
zeigen bis 20./22. Juni 2003 eine gemeinsame Ausstellung zum Thema Volksfrömmigkeit. Seit Ende 2000 betreibt das Zentralarchiv eine gezielte Sammlung Quellen privaten
Glaubensvollzugs der beiden christlichen Volkskirchen aus dem 19. und 20. Jahrhundert
. Es gibt zwar eine Literaturliste im Internet, aber das Findbuch ist leider online nicht zugänglich - ebensowenig wie Informationen zu den Exponaten. Es spricht nicht für das Archiv, dass es zwar um Zeugnisse der Volksfrömmigkeit für die Sammlung bittet, aber die gebotene Öffentlichkeitsarbeit im Internet, die dieses Anliegen unterstützen könnte, dergestalt vernachlässigt.

Wenige Tage nach Öffnung der vatikanischen Geheimakten über Vorgänge in der Nazi-Zeit ist dort ein neues Dokument aufgetaucht, in dem das kühle Verhalten von Papst Pius XI. gegenüber Hilfe suchenden Opfern offenbar wird. Dabei handelt es sich um die Antwort des Papstes an Edith Stein, eine Nonne jüdischer Abstammung, die später in Auschwitz ermordet und 1998 heilig gesprochen wurde. Stein hatte 1933 in einem Brief, der jetzt öffentlich wurde, Pius XI. um Hilfe gegen den "Vernichtungskampf gegen das jüdische Blut" gebeten und verlangt, "das Schweigen" der Kirche zu beenden. Steins Appell war dem Papst am 12. April 1933 vorgelegt worden. Dessen Antwort vom 20. April ging nicht einmal direkt an die Karmelitin, sondern lief über seinen Staatssekretär Eugenio Pacelli, den späteren umstrittenen Papst Pius XII. Der stellte es jenem Abt, der Steins Brief nach Rom übermittelt hatte, "anheim", die Absenderin darüber zu informieren, "dass ihre Zuschrift pflichtgemäß Seiner Heiligkeit vorgelegt worden ist".

(Der Spiegel -Printausgabe-, Nr.09 vom 24.02.2003)

Die SZ berichtet (frdl. Hinweis M. Langenhan) wie etliche andere Journale über die Freigabe der Akten bis 1939. In der heutigen FAZ war ein Bericht über den bislang im Wortlaut unbekannten Brief der Philosophin und konvertierten Jüdin Edith Stein an Papst Pius XI. aus dem Jahr 1933. Die inzwischen heiliggesprochene Karmeliterin wurde in Birkenau ermordet.

Das vor einem Jahr gegebene Versprechen wird [...] pünktlich eingelöst: Qualifizierte Forscher können Einblick in Archivbestände des Vatikans aus den Jahren 1922 bis 1939 nehmen, schreibt die NZZ und merkt zugleich an: Aktennotizen, Gesprächsprotokolle sollen kaum vorhanden sein. In diesem Bereich hat Diskretion gewaltet, oder sie ist nachträglich hergestellt worden. Darunter leidet nicht die Ermittlung der Tatsachen, aber der Einblick in ihre Entstehung, in persönliche Einflüsse und Motive.

 

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