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Kodikologie

http://www.handschriftencensus.de/8840

München, Staatsbibl., Cgm 9220
[früher Privatbesitz Antiquariat Dr. Jörn Günther, Hamburg, Nr. 1997/42; davor Los Angeles, The J. Paul Getty-Museum, Ms. Ludwig XV 10; davor Malibu, The J. Paul Getty-Museum, Ms. Ludwig XV 10; davor Köln, Sammlung Ludwig, Cod. XV 10; davor Heiligenkreuz, Stiftsbibl., Cod. 219]


Schon 2009 hatte ich darauf hingewiesen, dass Heiligenkreuz ein Irrtum ist. Die berühmte Ehrenbrief-Handschrift gehörte dem österreichischen Augustinerchorherrenstift Herzogenburg als Cod. 219 (im Verfasserlexikons-Artikel zu Johann Holland zu Herzogenbusch verballhornt), nicht Heiligenkreuz!

Dass der Band zunächst dem Augustinerchorherrenstift St. Andrä an der Traisen gehörte (was der ohnehin provenienzfeindliche Handschriftencensus unterschlägt) ergibt sich aus der Tatsache, dass Raimund Duellius, der 1725 den Ehrenbrief Püterichs und die Turnierreime Hollands daraus edierte, ihn dort vorfand:

http://digital.ub.uni-duesseldorf.de/content/pageview/1555908

Nach der Aufhebung dieses Stifts 1783 kam der Band ins benachbarte Herzogenburg, wo er noch in einem Handschriftenkatalog von 1949 gelistet wird. Dann haben ihn die Herzogenburger Chorherren offenbar verscherbelt, 1964 tauchte er im Zürcher Kunsthandel auf, 1965 ging er in das Eigentum des Kunstsammler-Ehepaars Irene und Peter Ludwig (Aachen) über. Deren kostbare Handschriften-Sammlung wurde 1985 mit öffentlichen Geldern der Stadt Köln katalogisiert, aber der ins Auge gefasste sichere Hafen in Köln blieb dem Stück wie den anderen verwehrt. Sie gingen 1983 ans Getty-Museum (damals Malibu). Damit hätte man auch leben können, wenn der Bestand denn zusammengeblieben wäre, aber dieses verantwortungslose Museum musste unbedingt (leider nicht geschütztes) deutsches Kulturgut, das Stammheimer Missale aus dem Eigentum der westfälischen Fürstenberg, an sich raffen, was 1997 für die Ehrenbrief-Handschrift und 36 weitere den Übergang an den berüchtigten Händler Jörn Günther bedeutete. Außer einer Heidelberger Handschrift und der Ehrenbrief-Handschrift verschwanden anscheinend alle in Privatschatullen. Nachdem die Berliner Staatsbibliothek großzügig zugunsten von München verzichtet hatte, wurde mit Geldern der Kulturstiftung der Länder, des Freistaats Bayern und der Bayerischen Landesstiftung der Codex für sehr viel Geld nach Bayern 1997 "heimgeholt". (Angaben weitgehend aus dem Heft Patrimonia 154, 1999).


2008 war ich auf den Eintrag von Joseph Chmel zur Handschrift der Wiener Nationalbibliothek gestoßen.

Benutzung Rüxner'scher Genealogien in ÖNB Wien, Cod. 2799 (Mitte 16. Jh., aus Bayern), einem genealogischen Sammelband

"Frankreich: Rixner Ernholds vnd D. Mach. Marschalch. F. 75.b" (D. Mach. Marschalch ist wohl der bekannte Genealoge Matthäus Marschalk von Pappenheim)
"Zollern vnd Margrafen von Brandeburg weg Rixners 98"

Joseph Chmel: Die Handschriften der k.k. Hofbibliothek in Wien [...], Bd. 1, Wien 1840, S. 489
http://books.google.com/books?id=R3UDAAAAYAAJ&pg=PA489


Von der ÖNB kamen per Mail hilfreiche Auskünfte:

Mag. Friedrich Simader von der ÖNB Wien habe ich für Mitteilungen zu Cod. 2799 zu danken (siehe http://archiv.twoday.net/stories/5059380/ ):

"Jörg Rixner wird mindestens zweimal in Cod. 2799 als Autor genannt: Der Eintrag Chmels bezieht sich auf eine Überschrift (fol. 75v) zu einer Liste mit den Königen von Frankreich: ‚Dissen volgenden Stam hat zusamengetragen Jörg Rixner genant Jherusalem gradierter Ernhold uff Brandenburg Konig der Wappen gesamelt von Doctor Matheus Marschalgk auß der Cronigk Brabantya und von dem Munch Drytonius anno 1515’.

In einem Beitrag von Karl Ausserer zu heraldischen Handschriften in der Festschrift von 1926 wird Cod. 2799 ebenfalls erwähnt. Fol. 20*r: ‚Dis ist der recht Stam ... Koninc sind’, darunter ‚Jörg Jerusalem Kundiger der Wappen Ernknecht zu Bairnn’." Diese Nennung bezieht sich auf die Genealogie der Pfalzgrafen bei Rhein und Herzöge von Bayern.

Auf fol. 99v steht 'Jörg Branndenburg Ernhalt Ernnknecht in Bairn'. ("Der Chronik geht auf fol. 98r-99v eine kurze Beschreibung der vier Bücher voran, und am Ende und vom Text etwas abgesetzt heißt es 'gehorsamer Jörg Branndenburg ...'", daher dürfte Chmel den Namen Rixner auch für diesen Text gewählt haben.)

Cod. 2799 dürfte also eine besonders wichtige Handschrift für Rüxners genealogisches Oeuvre sein.

Als neue Namensformen ergeben diese Nennungen:

* Jörg Jerusalem (Rüxner nannte sich also schon Jerusalem, bevor er Herold war.)

* Jörg Brandenburg.

Damit dürfte feststehen, dass der Herold Jörg Brandenburg, der 1505 als "Jorg Brandenburg, Ernhalt, kuryerer dys Registers" eine nur in zwei Drucken überlieferte Beschreibung des Kölner Reichstags von 1505 (ediert: Deutsche Reichstagsakten. Mittlere Reihe Bd. 8: Der Reichstag zu Köln 1505, bearb. von Dietmar Heil, München 2008, S. 1169-1196 Nr. 787) verfasste, ebenfalls Rüxner war.

Was gradierter Herold "uff Brandenburg" bedeutet, ist unklar. Ob ein Zusammenhang mit dem markgräflichen Schwanenorden besteht?

http://archiv.twoday.net/stories/5063852/

Im Druck publiziert wurden die sich aus diesen Feststellungen ergebenden Einsichten 2009:

URL: http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/7140/

Graf, Klaus

Herold mit vielen Namen : Neues zu Georg Rüxner alias Rugen alias Jerusalem alias Brandenburg alias ...
Dokument1.pdf (1.565 KB)

Kurzfassung in Deutsch

Der Beitrag stellt Neufunde zu Leben und Werk des durch sein Turnierbuch (Erstdruck 1530) bekannten Herolds Georg Rüxner vor. Als Namensformen Rüxners erscheinen: Rugen (gesichert für 1494-1505), Brandenburg (1505), Jerusalem (1509) und Rixner (erstmals 1515). Rixner nennt er sich fast immer mit dem Zusatz: genannt Jerusalem. Seine Herkunft liegt nach wie vor im Dunkeln, zunächst scheint er sich im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts am Hof Herzog Georgs von Bayern-Landshut aufgehalten zu haben. Auch als Reichsherold blieb er den Wittelsbachern verpflichtet. 1518/19 dürfte er in brandenburgischen Diensten gestanden haben; jedenfalls erscheint Rüxner 1519 in Berlin. 1523 ist er in Würzburg; eine Reformschrift, an deren Drucklegung er beteiligt ist, kommt in Bamberg heraus. 1525/26 findet man ihn in Nürnberg; 1526 scheint er als Herold Pfalzgraf Friedrichs in Neumarkt in der Oberpfalz ansässig gewesen zu sein. Sein Schwager, der Bauernkriegsanführer Hans Eisen, lebte im hennebergischen Schonungen bei Schweinfurt. Nach 1526 gibt es keine gesicherten Lebenszeugnisse mehr. Rüxner verfasste eine Turnierchronik, diverse Genealogien (insbesondere der Herzöge von Sachsen und von Mecklenburg) sowie Festbeschreibungen.

SWD-Schlagwörter: Rüxner, Georg , Rüxner, Georg / Anfang, Ursprung und Herkommen des Thurnirs in Teutscher Nation
Freie Schlagwörter (deutsch): Heroldswesen
Freie Schlagwörter (englisch): heralds
Institut: Historisches Seminar
DDC-Sachgruppe: Geschichte
Dokumentart: Aufsatz
Quelle: Ritterwelten im Spätmittelalter : höfisch-ritterliche Kultur der Reichen Herzöge von Bayern-Landshut. Landshut: Museen der Stadt Landshut, 2009 (= Schriften aus den Museen der Stadt Landshut 29), S. 115-125
Sprache: Deutsch
Erstellungsjahr: 2009
Publikationsdatum: 13.01.2010
Bemerkung: PDF mit leicht korrigierter OCR


Da es (mit Ausnahme des Registers und der "Adversaria" des österreichischen Historikers Reichard Streun von Schwarzenau (1538-1600) am Schluss) in der Literatur und aufgrund der ÖNB-Auskünfte keine Anhaltspunkte gibt, dass die Handschrift von mehreren Händen geschrieben wurde, kann sie als Rüxner-Autograph und wichtigste handschriftliche Überlieferung seiner Genealogien gelten.

Denn die Blätter 98r (mit Datierung 1510)-99v sind (wie mir freundlicherweise auch Prof. Dr. Klaus Arnold bestätigte) eindeutig ein Rüxner-Autograph.

Der Band ist, wie sich aus dem alten Tabulae-Katalog ergibt (PDF), mit gemalten Wappen geschmückt.

Mitte 16. Jahrhundert ist als Datierung wohl entschieden zu spät angesetzt, aufgrund der Namensformen dürfte eher an 1510/20 zu denken sein.

Chmels Wertung zur Handschrift "Von gar keinem Belange" erscheint also denkbar unzutreffend.

Siehe auch:
http://archiv.twoday.net/search?q=r%C3%BCxner

#forschung

#fnzhss



http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Wien_2799_98r_oben.jpg

http://www.utexas.edu/opa/blogs/culturalcompass/2010/08/19/fifteenth-century-bookbinding-includes-ninth-century-bible-fragment-in-front-and-back-covers/

Er enthält das Fragment einer Bibelhandschrift aus dem 9. Jahrhundert.


http://www.e-codices.unifr.ch/de/list/all/LastUpdate Seit 12. August. Ebensfalls neu drei Handschriften aus Einsiedeln.


Neu in Dilibri drei alte Kataloge Trierer Handschriften:

http://www.dilibri.de/ubtr/search/field?dc.subject=Verzeichnis

Alt in Manuscripta Mediaevalia
http://www.manuscripta-mediaevalia.de/hs/kataloge-online.htm#Trier

In ManuMed kommt man aufgrund der detaillierten Übersicht schneller zur Handschrift, Dilibri bietet eine Volltextsuche, aber keinen öffentlich zugänglichen OCR-Text.

http://almamater.uc.pt/

Der Viewer ist in Ordnung (wie bei der BN Portugal), aber die Auflösung könnte teilweise besser sein.


http://www.ahmp.cz/eng/index.html?wstyle=2?lang=en

Sehr gute Vergrößerungsmöglichkeiten.

Rkp. 1863 ist das "Meißner Rechtsbuch" von 1391, im Handschriftencensus natürlich ohne den Online-Nachweis:

http://www.handschriftencensus.de/2092

http://amp.bach.cz/pragapublica/pages/zoomify.jsp?page=0&entityRef=%28^n%29%28%28%28localArchiv%2C^n%2Chot_%29%28unidata%29%29%28595174%29%29

Vor über einem Jahr fiel mir bei der Sichtung der Abbildungen der Mackinney-Collection

http://www.lib.unc.edu/dc/mackinney/?CISOROOT=/mackinney

auf, dass die Astrologisch-medizinische Sammelhandschrift Edinburgh, Library of Royal Observatory, Cr. 4.6 von dem bekannten Augsburger Berufsschreiber Konrad Bollstatter geschrieben sein könnte.

Der Handschriftencensus http://www.handschriftencensus.de/14955 ignoriert die ausführliche Beschreibung in der Jordanus-Datenbank: http://jordanus.org

Ob 1464 (?) als Datierung zutrifft oder die Handschrift eher in die Jahre um 1480 gehört, muss offen bleiben.

Jürgen Wolf, den ich mit meiner Vermutung zu Bollstatter konfrontierte, war skeptisch. Auf meine Bitte hin beurteilte Karin Schneider am 10.2.2010 die Schrift anhand von Ausdrucken: "Ihre Kopien aus der Hs. Edinburgh Obs. Cr. 4.6 habe ich mehrfach mit meinen Kopien von Bollstatter-Schrifterzeugnissen verglichen, ohne zu einem klaren Ergebnis zu kommen. Die für ihn bekannten ganz typischen Buchstabenformen, die seine Hand in den bekannten und signierten Hss. so gut kenntlich machen, besonders die kursiven Schleifen an h, z und r, finden sich nicht auf dern Seiten der astrologisch-medizinischen Hs., auch andere Buchstaben wie g, v, w und die Majuskeln zeigen meist einen anderen Ductus, dem auch die für ihn typische Gleichmäßigkeit fehlt. Man könnte natürlich annehmen, daß Bollstatter die Hs. Edinburgh sehr eilig und nachlässig für sich selbst zusammenschrieb, oder daß sie in seinem Umkreis aus einer 'echten' nicht erhaltenen Bollstatter-Hs. kopiert wurde?"

Dies bedeutet: Nach dem maßgeblichen Urteil von Karin Schneider kann die Handschrift Bollstatter weder klar zu- noch abgesprochen werden. Auf jeden Fall wird man als Schreibwort "wahrscheinlich Augsburg" ansetzen dürfen. Zur Schreiberproblematik sollte man sich vielleicht auf "Umkreis des Konrad Bollstatter" einigen.

Vielleicht kann auch die Kunstgeschichte Licht auf das Problem werfen. Das Bild des Astronomen (siehe unten) weist für mich eine klare Ähnlichkeit mit dem Teichner-Autorenbild

http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Bollstatter_mgf_564.jpg

auf. Auch das Twinger-Autorenbild ist vom gleichen Typus.

http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Cgm_7366_1v.jpg

Weitere Schriftproben Bollstatters:

http://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Konrad_Bollstatter

Zu Bollstatter zusammenfassend:
http://de.wikipedia.org/wiki/Konrad_Bollstatter

Update:

ich teile die Skepsis von Jürgen Wolf und Karin Schneider. Ehrlichgesagt glaube ich nicht, daß der Schreiber der Hs. in Edinburgh Bollstatter ist. Was einzelne Buchstabenformen betrifft, würde ich wiederholen, was Frau Schneider geschrieben hat, und dem noch einiges hinzufügen. Etwa die charakteristische Art und Weise, wie Bollstatter die Schäfte von s und f mit starker Schwellung der Linie zieht. Das berührt sich mit dem Gesamteindruck vom Duktus, der sich bei B. u.a. durch die sehr gleichmäßige Neigung dieser Schäfte auszeichnet, und auch in anderer Hinsicht viel gleichmäßiger. Ob man das mit größerer Eile erklären kann, würde ich bezweifeln.

Ich würde hinterfragen, mit welchem Recht man vom "Umkreis des Konrad Bollstatter" sprechen könnte. Was kann "Umkreis" ganz konkret heißen bei einem allein agierenden Lohnschreiber ohne größeren Werkstattkontext? In der Kunstgeschichte wird der Begriff "Umkreis" ja sehr gerne verwendet - was er aber genau heißen soll, selten definiert. Implizit bedeutet es meist nur, daß man sich nicht traut, ein Werk derselben Hand zuschreiben, aber irgendwie doch irgendwelche Ähnlichkeiten sieht. Wenn es einen größeren Werkstattzusammenhang gibt, mag es diskutabel sein (ob es eine Riemenschneider-Werkstatt mit Dutzenden von Gesellen ist, die natürlich genauso schnitzen sollten wie der Meister, damit der Ausstoß homogen bleibt, oder ein frühmittelalterliches Klosterskriptorium mit Normierungsbemühungen).

Die Bilder helfen nicht viel weiter. Die Autorenmedaillons geben ein so weitverbreitetes Schema wieder, daß ich persönlich nicht wagen würde, einen Bollstatter-Codex als unmittelbare Vorlage vorauszusetzen. Die Illustrationen sind von sehr schlichter Machart; stilistisch wüßte ich deshalb nicht, wohin mit ihnen. Auf den ersten Blick könnte man an dilettantische Nachzeichnungen nach Holzschnitten denken; ob das zielführend ist, wäre zu prüfen.

Mit besten Grüßen,
Peter Schmidt

PD Dr. Peter Schmidt
Bayerische Akademie der Wissenschaften
Kommission für Deutsche Literatur des Mittelalters
(Mail vom 10. August, die ich mit freundlicher Genehmigung wiedergeben darf)

#forschung

Edinburgh

Teichner-Autorenbild

"Siegm. Jac. Baumgartens Nachrichten von einigen schätzbaren Handschriften der zahlreichen Bibliothek des weiland hochberümten Kanzlers von Ludwig, die zum Verkauf noch vorrätig sind" (Halle 1749) ist ein interessantes Beispiel für gelehrte Handschriftenbeschreibung im 18. Jahrhundert. Sie wurde jetzt digitalisiert

http://digitale.bibliothek.uni-halle.de/vd18/content/titleinfo/1657199

Detailliert beschrieben werden vor allem Pergamenthandschriften aus dem Besitz des 1743 gestorbenen Hallenser Universitätskanzlers Johann Peter von Ludewig (1668-1743), die noch nicht verkauft worden waren. Im vierbändigen gedruckten Auktionskatalog Ludewigs von 1745 (alle 4 Bände in einem Google-Digitalisat http://books.google.de/books?id=Uk4VAAAAQAAJ ) waren die über 900 Handschriften des berühmten Historikers nur ganz knapp aufgelistet worden.

Der Theologe Siegmund Jakob Baumgarten (1706-1757) schrieb einerseits eine Werbeschrift, um den Verkauf der kostbaren Stücke anzukurbeln, andererseits eine gelehrte Abhandlung, die sich auf hohem Niveau um die Charakterisierung der Codices bemüht.

Papierhandschriften beschreibt Baumgarten nur zwei. Ich beschäftige mich nur mit der ersten, einer Handschrift Lamperts von Hersfeld, die von Baumgarten S. 31-40 ausführlich behandelt wird. Anhand der online vorliegenden MGH-Ausgabe von 1894

http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00000741/image_51

wurde rasch klar, dass es sich um die Göttinger Handschrift Ms. hist. 88 handeln muss, 1893 im Göttinger Handschriftenkatalog beschrieben:

http://www.manuscripta-mediaevalia.de/hs/katalogseiten/HSK0718_b029_jpg.htm

Weitere Beschreibungen

Archiv der Gesellschaft 7 (1839), S. 456-459
http://books.google.com/books?id=zOk1AAAAMAAJ&pg=PA456

Holder-Egger in: Neues Archiv 19 (1894), S. 153f.
http://www.digizeitschriften.de/main/dms/img/?PPN=PPN345858530_0019&DMDID=dmdlog13

Holder-Egger in den Monumenta Erphesfurtensia, 1899, S. 47, 134f.
http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00000744/image_142
http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00000744/image_55

Die Handschrift wird kurz aufgeführt im erwähnten Manuskript-Katalog der Bibliothek Ludewigs von 1745 Bd. 4, S. 93 Nr. 488:

http://books.google.de/books?id=Uk4VAAAAQAAJ&pg=RA1-PA93

Über die Vorbesitzer der Handschrift gibt ein von Baumgarten S. 37f. zitierter Vermerk Auskunft. Es waren

Petrus Albinus (1543-1598)
http://de.wikipedia.org/wiki/Petrus_Albinus

Andreas Erasmus von Seidel (1650-1707, das Todesdatum in manchen Quellen anders, ich folge http://www.bbaw.de/bbaw/MitgliederderVorgaengerakademien/AltmitgliedDetails?altmitglied_id=2547 )

Ludwig Otto von Plotho (1663-1731)
http://www.bbaw.de/bbaw/MitgliederderVorgaengerakademien/AltmitgliedDetails?altmitglied_id=2120
Der Göttinger Kalalog zitiert Bibliotheca Plothoniana, Bd. 2, 1732, S. 838 Nr. 10899

Die Göttinger Bibliothek kaufte die Handschrift 1792 aus J. S. Semlers Bibliothek in Halle: also aus dem Nachlass von Johann Salomo Semler (1725-1791).

Dazwischen hat also, wie wir jetzt wissen, Ludewig die Handschrift besessen.

Der Codex enthält in seinem ersten, nach Bl. 361 1506 niedergeschriebenen Teil wichtige hoch- und spätmittelalterliche Geschichtsquellen aus dem mitteldeutschen Raum. Der Lampert-Text und weitere Erfurter Geschichtsquellen gehen nach Holder-Egger auf einen verlorenen mittelalterlichen Codex des Erfurter Petersklosters zurück.

Wichtig ist die Beobachtung Holder-Eggers (NA 19, S. 143), dass der erste Teil in humanistischer Schrift geschrieben ist. Die dem Trithemius-Umkreis angehörige Würzburger Schwesterhandschrift aus dem Schottenkloster ist ebenfalls in Humanistica geschrieben:

http://www.manuscripta-mediaevalia.de/hs/katalogseiten/HSK0083_b114_JPG.htm

Aus einer der Vorlagen beider Handschriften exzerpierte auch Hartmann Schedel. Man wird den Codex der humanistischen Beschäftigung mit den mittelalterlichen Geschichtsquellen des Hochmittelalters zuweisen dürfen. Die wiederholte Anrufung des hl. Hieronymus könnte mit der humanistischen Hieronymus-Verehrung zusammenhängen, während Holder-Egger vermutete, sie sei von dem Angehörigen eines Stifts geschrieben worden, das den hl. Hieronymus als Schutzpatron hatte.

Der zweite Teil, nach den zitierten Beschreibungen ebenfalls Anfang des 16. Jahrhunderts geschrieben, überliefert vor allem die Ältere Hochmeisterchronik, einen kurzen deutschen Text über die Ordensgründung und ein Verzeichnis der Deutschordensablässe.

Die Überlieferungszusammenstellung von Ralf G. Päsler der Älteren Hochmeisterchronik im Handschriftencensus (2004) hat die Göttinger Handschrift übersehen:

http://www.handschriftencensus.de/werke/869

Bereits durch einen Blick in die Edition von Max Töppen in den Scriptores Rerum Prussicarum 3 (1866), S. 524, der sie nicht kannte, ließ sich feststellen, dass aufgrund der Mitüberlieferung die Göttinger Handschrift der Jenaer, Stuttgarter (HB V 72) und Wiener (DOZA Hs. 427B) nahesteht:

http://books.google.de/books?id=-4AOAAAAYAAJ&pg=PA524

Man wird abwarten müssen, was die noch ungedruckte Pariser Dissertation (2009, bei J.-M. Moeglin)) von Mathieu Olivier über die Ältere Hochmeister-Chronik (mit kritischer Edition) zur Göttinger Handschrift zu sagen hat, aber die Zusammengehörigkeit der genannten Handschriften (einschließlich der Göttinger) hat Olivier bereits in einem Aufsatz (in: Mittelalterliche Eliten und Kulturtransfer ... 2009, S. 165) kurz thematisiert:

http://books.google.de/books?id=xtpMqVq3TVcC&pg=PA165 (Vollständige Ansicht)

Außer der Älteren Hochmeisterchronik überliefert die Göttinger Handschrift, ihr vorangehend, Bl. 385 die 'Narratio de primordiis Ordinis Theutonici', dt.

Der Handschriftencensus http://www.handschriftencensus.de/werke/2299 gibt hier nur eine Handschrift (DOZA Hs. 787), während Udo Arnold im Verfasserlexikon (²VL 6, 857) die beiden Stuttgarter Handschriften (HB V 72 und HB V 73) und DOZA Hs. 427b nennt, nicht aber die Göttinger Handschrift.

Das Bl. 452 ff. überlieferte Verzeichnis der Ablässe des Deutschen Ordens fehlt in Falk Eisermanns Artikel "Ablaßverzeichnisse" (²VL 11, Sp. 7f.). Hier ist von der genannten Handschriftengruppe nur die Jenaer Handschrift vertreten, auch ist Eisermann Töppens Edition (S. 713-719, Leithandschrift Töppens ist nicht angegeben) entgangen:

http://books.google.de/books?id=-4AOAAAAYAAJ&pg=PA713

Ob Axel Ehlers, Die Ablasspraxis des Deutschen Ordens im Mittelalter (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 64), Marburg 2007 außer der Heid. Hs. 68 - siehe http://www.handschriftencensus.de/10534 - noch weitere Überlieferungen nennt, wäre zu überprüfen.

Nachtrag:

In ihrer Beschreibung von ULB Halle, ThSGV 3147 nennt Brigitte Pfeil (Katalog der deutschen und niederländischen Handschriften ... 2007, S. 143 die Göttinger Hs. 2° Hist. 88 (ein Google-Schnipsel aus dem Band "Mittelalterliche Texte" hg. von Schieffer 1996 S. 226 verführte mich zunächst, das Quartformat anzunehmen. Völlig unangemessen ist das von den Handschriftenbibliotheken betriebene Umsignieren ihrer Handschriften. Wieso musste Göttingen auf die Idee verfallen, die traditionell ohne Formatangabe zitierten Handschriften nun mit einer Formatangabe zu versehen, die sich jedenfalls nicht zweifelsfrei aus den alten Katalogen ergibt? Und wieso kann man nicht, wenn man schon derlei Schabernack betreibt, eine Konkordanz auf die Website stellen?). ThGSV 3147 (die lateinischen Teile sind 1492 datiert) stammt möglicherweise aus Leipzig und diente als Vorlage für die "Chronica Montis Sereni" des Göttinger Codex. Auch das "Chronicon Terrae Misnensis" überliefern beide Handschriften. Ausgehend von diesem Befund und dem Erstbesitzer Albinus wird man an eine Entstehung der Göttinger Handschrift im mitteldeutschen Raum zu denken haben, vielleicht in Leipzig-Erfurter Humanistenkreisen.

Nachträglich sehe ich, dass die Zugehörigkeit der Göttinger Handschrift zur Ludewig-Bibliothek anhand der Schrift Baumgartens bereits von Hesse 1844 SS Bd. 5, S. 150

http://www.mgh.de/dmgh/resolving/MGH_SS_5_S._150

notiert, von den späteren Autoren aber offenkundig ignoriert wurde!

#forschung

Johann Peter von Ludewig

Christian Alschners wichtige Dissertation aus dem Jahr 1969 wurde postum republiziert:

http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:14-qucosa-38932

 

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