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Zu: http://archiv.twoday.net/stories/197331274/

Die Kommunalverfassung des Landes-Mecklenburg (Link) sieht keinen Genehmigungsvorbehalt bei der Veräußerung von kommunalem Kulturgut vor.

§ 56 sagt: (2) Die Vermögensgegenstände sind pfleglich und wirtschaftlich zu verwalten und ordnungsgemäß nachzuweisen. Bei Geldanlagen ist auf eine ausreichende Sicherheit zu achten; sie sollen einen angemessenen Ertrag erwirtschaften.

(3) Die Gemeinde darf Gemeindevermögen nur dann in Stiftungsvermögen einbringen, wenn ein wichtiges Interesse der Gemeinde daran vorliegt und der von der Gemeinde damit angestrebte Zweck nicht ebenso gut auf andere Weise erfüllt werden kann.

(4) Die Gemeinde darf Vermögensgegenstände veräußern, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben in absehbarer Zeit nicht benötigt. Vermögensgegenstände müssen zu ihrem vollen Wert veräußert werden, soweit nicht ein besonderes öffentliches Interesse Abweichungen zulässt.


Nach Abs. 6 war eine Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde nicht erforderlich, da Vermögensgegenstände nicht unentgeltlich veräußert wurden.

Kommunale Museen und Bibliotheken dürfen also nach Belieben Kulturgut veräußern, sofern kein Denkmalschutz besteht.

Solches Kulturgut ist bewegliches Kulturgut im Sinne des Denkmalschutzgesetzes (Link), das auch dann zu schützen ist, wenn es nicht eingetragen ist. Nach § 2 Abs. 6 findet das Denkmalschutzgesetz auf Archivgut keine Anwendung.

In der Datenbank national wertvolles Kulturgut

http://www.kulturgutschutz-deutschland.de

gibt es zu Stralsund keinen Eintrag. "Im Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes für Mecklenburg-Vorpommern wurden bisher keine Eintragungen vorgenommen." Daher ist die Kulturgutschutzgesetzgebung des Bundes nicht einschlägig. Diese könnte aber nur einen Verkauf ins Ausland verhindern, nicht aber eine Einzelveräußerung im Inland.

Ein Bibliotheksgesetz in MV existiert noch nicht. (Weder die Landesbibliothek noch die Universitätsbibliotheken Greifswald und Rostock sind von den Verkaufsbasichten informiert worden.)

Einschlägig ist aber das Archivgesetz MV (Link), in dem es in § 8 Abs. 5 heißt: Öffentliches Archivgut des Landes ist unveräußerlich.

Die Bibliothek kann aufgrund § 2 als öffentliches Archivgut betrachtet werden:

(1) Öffentliches Archivgut sind alle archivwürdigen Unterlagen, die zur dauernden Aufbewahrung von einem öffentlichen Archiv übernommen wurden und werden. Dazu zählt auch Dokumentationsmaterial, das von einem öffentlichen Archiv ergänzend gesammelt wird.

(2) Öffentliches Archivgut des Landes sind alle archivwürdigen Unterlagen, die bei Verfassungsorganen, Behörden, Gerichten und sonstigen Stellen des Landes, bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts und ihren Vereinigungen, die der Aufsicht des Landes unterstehen, entstanden sind und zur dauernden Aufbewahrung in ein mecklenburg-vorpommersches staatliches Archiv übernommen worden sind, soweit es nicht in Archiven nach § 12 und § 13 archiviert ist.


Öffentliches Archivgut des Landes sind ("soweit es nicht" könnte insoweit auf eine falsche Fährte locken) auch die kommunalen Unterlagen, über die die Kommunen im Sinne des Gesetzes in eigener Zuständigkeit nach § 12 Regelungen treffen können.

Als Archivgut des Landes ist die als ergänzendes Dokumentationsmaterial anzusehende Archivbibliothek unveräußerlich.

Die Stadt Stralsund hat in ihrer Archivsatzung vom 14. November 2002 (PDF) eine Selbstbindung vorgenommen, die erkennen lässt, dass damals auch das vom Stadtarchiv verwahrte Bibliotheksgut als schützenswerter Teil des Archivbestands angesehen wurde.

In § 2 Nr. 2 heißt es ausdrücklich: 2. In der Archivbibliothek werden Neuanschaffungen, die ehemalige Ratsbibliothek und
Schenkungen aufbewahrt, wissenschaftlich aufgearbeitet und den Benutzern zur Verfügung gestellt.


Nach 1945 wurde die Gymnasialbibliothek Bestand der 1937 gebildeten Archivbibliothek:

http://fabian.sub.uni-goettingen.de/?Archivbibliothek_Stralsund

Dass die Gymnasialbibliothek nicht Bestandteil der ehemaligen Ratsbibliothek war, kann nicht dazu führen, dass man die Archivsatzung für sie nicht als verbindlich ansieht. Jedenfalls die in die Gymnasialbibliothek eingegangenen Schenkungen können mit der Erwähnung der Schenkungen in der Satzung schlüssig in Verbindung gebracht werden.

Jedenfalls besagt § 6 der Satzung unmissverständlich:

1. Das Archiv- und Bibliotheksgut ist Kulturgut und unveräußerlich.

Daher war die Veräußerung eines Teilbestands der Archivbibliothek durch ein kommunales Gremium zweifelsfrei rechtswidrig, da sie gegen ein Gesetz verstieß, nämlich die Archivsatzung, die die Unveräußerlichkeit des Bibliotheksguts statuierte.

Die staatliche Rechtsaufsicht wird sich mit diesem Verstoß gegen geltendes Recht zu befassen haben.
FeliNo meinte am 2012/10/30 19:25:
Was ich mich frage: Warum ist eine derart komplizierte Rechtsfindung, wie oben skizziert, noch notwendig, seit die Bundesregierung folgende offizielle Definition von "Kulturgutschutzbestimmungen im nationalen Recht" veröffentlicht hat:

"Bei den nationalen Regelungen ist zwischen Bundesrecht und Landesrecht zu unterscheiden. Die bundesgesetzlichen Regelungen dienen dem Schutz deutscher Kulturgüter vor Ausfuhr. Die landesrechtlichen Regelungen dienen hingegen primär dem Schutz deutscher Kulturgüter vor Beschädigung und Verbringung."

https://www.kulturgutschutz-deutschland.de/DE/2_Rechtsgrundlagen/nationales_Recht/nationales_recht_node.html

Kann denn überhaupt eine Landes(archiv-, bibliotheks-)statut eine solche Definition in irgendeiner Weise einschränken? Wieso sollte Bibliotheksgut einer im 16. Jahrhundert gegründeten Anstalt per se KEIN schutzwürdiges "Kulturgut" sein? Weil's in einem Landesstatut, womöglich aus Unkenntnis der Bestände, nicht als solches ("... und Stralsunder Gymnasium") geführt ist? Weil sich "verkaufen" anders buchstabiert als "verbringen" und deshalb von den Bestimmungen des Bundes ausgenommen ist?;-) 
EduardSchiffel (Gast) antwortete am 2012/10/30 20:24:
@FeliNo
schon mal was vom Föderalismus, Selbstverwaltungsrecht der Kommunen, Gesetzgebungskompetenzen etc. gehört. Die bundesgesetzlichen Regeln greifen hier nicht auf die Länder durch und das ist auch gut so - oder wollen Sie den demokratischen Zentralismus wieder einführen. 
EduardSchiffel (Gast) meinte am 2012/10/30 20:22:
Herr Hobbyjurist Graf
Das Landesarchivgesetz gilt wieder der Name schon sagt für das Land M-V und nicht die Kommunen, d..h. auch der Verweis auf §§ 12-15! Das Provenienzprinzip sollte hier in diesem Forum eigentlich Basiswissen sein...

Ihre Interpretationen zur Archivsatzung sind nett aber unerheblich. Da die Gymnasialbibliothek offensichtlich nie Bestandteil der Ratsbibliothek war fällt sie nicht unter die Archivsatzung und kann damit veräußert werden. 
KlausGraf antwortete am 2012/10/30 20:25:
Einfach mal Fresse halten, wenn man keine Ahnung hat
EduardSchiffel (Gast) antwortete am 2012/10/30 20:48:
Danke für die edle Erkenntnis
aber ich bezweifle, dass Sie sich daran halten werden... Was Ihre juristische Ahnung anbetrifft, so ist diese in Ihren o.g. Ausführungen ja eindrucksvoll erkennbar. 
FeliNo antwortete am 2012/10/30 21:30:
Naja, lieber Herr EduardSchiffel, so wie Sie hier diejenigen, deren Kompetenzen Sie rundum anzuzweifeln sich bemühen, wie unartige Schüler zurechtweisen, mag man an souveräne Kenntnisse Ihrerseits auch nicht so recht glauben...;-) 
hck (Gast) antwortete am 2012/10/31 08:29:
Das Archiv- und Bibliotheksgut ist Kulturgut und unveräußerlich
Werter Herr EduardSchiffel es könnte sich rentieren vor dem schreiben zu lesen: "Das Archiv- und Bibliotheksgut ist Kulturgut und unveräußerlich" steht in einer *kommunalen* Satzung, und bindet daher, soweit ich's sehe die Kommune. 
Steinhauer (Gast) antwortete am 2012/10/31 10:35:
Es war rechtswidrig
Ob die Unveräußerlichkeit von Archivgut in Archivgesetz auch für kommunale Archive in MV gilt, ist nach dem Gesetzeswortlaut eher fraglich. Darauf kommt es aber nicht an, weil sich aus der Satzung des Archivs eindeutig ein Veräußerungsverbot ergibt. Der Rat hätte vorher die Satzung ändern müssen, was in einer ÖFFENTLICHEN Ratssitzung zu beraten wäre. Allein das ist schon eine relevante Hürde. Ich stimme Herrn Graf im Ergebnis zu, dass der Verkauf der Bibliothek rechtswidrig war und damit ein Fall für die Kommunalaufsicht ist. 
EduardSchiffel (Gast) antwortete am 2012/10/31 15:39:
Die Gymnasialbibliothek
ist nicht Archivgut entspr. der Satzung und unterliegt damit nicht dem Veräußerungsverbot. Insofern sind die Hinweise auf die Satzung nett aber unerheblich.

@FeliNo: Ich würde die gewählte Sprache "zielorientierte Kommunikation" nennen... 
KlausGraf antwortete am 2012/10/31 15:42:
Unerheblich ist nur, was EduardSchiffel beiträgt
Steinhauer (Gast) antwortete am 2012/10/31 17:10:
"Das Archiv- und Bibliotheksgut ist Kulturgut und unveräußerlich." Was genau spricht dagegen, eine im Archiv verwahrte historische Bibliothek NICHT als Bibliotheksgut im Sinne der Archivsatzung anzusehen? 
Steinhauer (Gast) antwortete am 2012/10/31 17:14:
Ergänzung
Wenn man § 2 Abs. 2 und § 8 Abs. 5 ArchivG M-V zusammenliest, dann spricht in der Tat doch viel dafür, auch bei kommunalen Archiven eine Unveräußerlichkeit von Archivgut anzunehmen. Für die Gymnasialbibliothek bleibt nur die Frage, inwieweit sie als Archivgut im Sinne des Archivgesetzes anzusehen ist. Im Ergebnis würde ich die Archivguteigenschaft aber bejahen. 
Hans Luneborch antwortete am 2012/10/31 21:11:
"Teilbestand"
Wenn die Stadt Stralsund in der Tagesordnung der Hauptausschusssitzung selbst ''Teilbestand Gymnasialbibliothek" (und nicht ''Sonderbestand' o.ä.) schreibt, dann zeigt dass doch, dass die Gymnasialbibliothek als Teil des Gesamtbestands des Archivs angesehen wurde und damit der Archivsatzung unterliegt/eigentlich unterliegen sollte... 
EduardSchiffel (Gast) antwortete am 2012/10/31 23:16:
Unerheblich ist für KG
nur, was nicht seinem laienhaften juristischen Verständnis bzw. seiner reichlich dogmatischen Meinung entspricht. Nachmal auch an Hr. Steinhauer: Archivgesetz M-V gilt nur für das Land, nicht die Kommunen, d.h. der Verweis auf §§ 12-15. Nur interessiert das KG nicht, da es nicht in seinen selbstgewählten Feldzug gegen die "kulturgutzerstörenden" Antiquare passt! Was hier in Archivalia erfolgt ist im wahrsten Sinne des Wortes der berühmt berüchtigte Shitstorm und genauso viel wert! 
FeliNo antwortete am 2012/11/01 01:10:
Moin, gehen Sie einfach aus dem Wind, dann kriegen Sie auch nichts ab. 
ladislaus (Gast) antwortete am 2012/11/01 09:39:
In keinem der Archivalia-Beiträge zum Stralsunder Skandal wurde bislang der Antiquar beschuldigt. Der Skandal liegt bei der Stadt. Dass ein verantwortungsvoller Antiquar mit Liebe zum alten Buch und sein Verband so etwas nicht auch noch befördert, sondern solche Skandale eigentlich öffentlich machen müsste und dagegen trommeln müsste, das steht auf einem anderen Blatt und ist angesichts der halbseidenen Antiquarslandschaft in Deutschland leider nicht zu erwarten. Aber darum geht es bislang hier im Blog nicht, sondern um das skandalöse und banausenhafte Verhalten der Stadtverwaltung im angeblichen "Weltkulturerbe" Stralsund. Die besten Leute sind wahrscheinlich in diesen Gegenden tatsächlich schon längst ganz woanders. Schade, dass der Bodensatz dort inzwischen auch schon die Stadtregierung übernommen hat. Für MV sehe ich noch viel schwärzer als schwarz. 
FeliNo (Gast) antwortete am 2012/11/01 10:37:
Das sehe ich genauso wie Ladislaus, das Thema hier ist nicht das Antiquariatswesen. Thema ist das Vorgehen einer Verwaltung. Selbst vorausgesetzt, dass eine juristische Grundlage für den Verkauf einer zusammengehörigen Buchsammlung erheblicher Größenordnung aus öffentlichem Besitz gegeben sein sollte, würde derlei immer als Auktion vonstattengehen, a) weil ein höherer Erlös zu erwarten wäre und b) dann zudem die Chance bestünde, die Sammlung komplett weiterzugeben und c) durch Öffentlichkeit auch eine entsprechende wissenschaftlcihe Sicherung erfolgen könnte. Die "Causa Stralsund" vermittelt indes den Eindruck völliger Ahnungslosigkeit, die für Kulturgut immer eine verderbliche Voraussetzung gewesen ist. Im saloppen Sprachgebrauch nennt man das Vorgehen der Stralsunder Verwaltung in diesem Fall - eher euphemistisch - ein "Verticken von Kulturgut". 
EduardSchiffel (Gast) antwortete am 2012/11/01 22:39:
Allein die entlarvende Sprache
"ist angesichts der halbseidenen Antiquarslandschaft in Deutschland leider nicht zu erwarten." seitens Ladislaus zeigt das die Schuldzuweisung nicht nur Richtung Stadt geht, sondern hier geliebte Feindbilder gepflegt werden in einem Sachverhalt der weder rechtswidrig noch ehrenrührig ist. 
ladislaus (Gast) antwortete am 2012/11/02 07:55:
Er ist sowohl rechtswidrig wie ehrenrührig, vor allem aber letzteres. 
Steinhauer (Gast) antwortete am 2012/11/02 15:41:
nicht rechtswidrig?
nur mal so: angesichts der satzung wäre sogar eine strafrechtliche verantwortlichkeit der beteiligten wegen untreue zu prüfen. aber da wir hier ja alle hobby-juristen sind, müssen wir das thema nicht weiter vertiefen. 
Steinhauer (Gast) antwortete am 2012/11/22 21:38:
doch rechtswidrig
jetzt haben auch die hobbyjuristen aus dem innenministerium die rechtswidrigkeit bejaht.
http://www.focus.de/kultur/diverses/verstoss-gegen-archivsatzung-verkauf-historischer-buecher-in-stralsund-war-unzulaessig_aid_865432.html
tja ... 
 

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