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Zu http://archiv.twoday.net/stories/197331274/

Am besten zitiere ich komplett den Abschnitt im Fabian-Handbuch:

http://fabian.sub.uni-goettingen.de/?Archivbibliothek_Stralsund

Stralsunder Gymnasialbibliothek

2.115 Das Stralsunder Gymnasium, eine der ältesten Schulen in Mecklenburg-Vorpommern, wurde 1560 gegründet und im ehemaligen Katharinenkloster von Bürgermeister Nikolaus Gentzkow eingeweiht. Der Anfang einer Bibliothek fällt nachweislich schon in die erste Zeit der Schulgeschichte, obwohl die eigentliche Gründung der Gymnasialbibliothek erst 1627 von Rektor Andreas Helwig (1572-1643) urkundlich belegt wurde. Durch Buch- und Geldgeschenke von Lehrern, Pastoren, Buchhändlern, Ratsherren und von vielen anderen Wohltätern konnte diese Bibliothek ständig wachsen.

2.116 Eine besondere Zuwendung erhielt sie im Jahre 1644 vom Magistrat der Stadt: eine Sammlung von 112 Bdn philologischen, historischen, philosophischen und theologischen Inhalts, die schon 1579 von den Erben des Stralsunder Poeten Zacharias Orthus (um 1530-1579) angekauft worden war. In seiner Bibliothek hatte Orthus, der in Wittenberg und Greifswald Poesie und Geschichte gelehrt hatte, sowohl die eigenen als auch die Werke namhafter Zeitgenossen, wie Bugenhagens und seines Freundes Melanchthon, vereint. Auch damals bedeutende Dichterkollegen gehören dazu. Viele Bände tragen seinen eigenhändigen Namenszug und auf dem Deckel die Buchstaben ZOPL (" Zach. Orth. poeta laureatus"). Im Bestand finden sich Werke von Herodot und Thucydides, Stephanus, Plutarch, Aelian, Pindar, Demosthenes, Lucian, Quintilian u. a. Auch ein Baseler Druck des Neuen Testaments von 1553 in Griechisch ist belegt. Zu den ältesten Titeln des Zacharias Orthus zählen zwei Carmen (Rostock 1556 und 1562), ein Leichengedicht für den pommerschen Herzog Philipp I. (Greifswald 1560) und Trium Romanorum imperatorum ... vita, prosa et ligita oratione graece et latine descripta (Wittenberg 1577).

2.117 Die Bibliothek konnte bereits im Jahre 1802 eine ansehnliche Sammlung von 4000 Bdn verbuchen, größtenteils alt- und neuphilologischen, historischen und geographischen Inhalts. Besonderes bibliothekarisches Feingefühl bewies der Rektor Christian Heinrich Groskurd (1747-1806), der von jedem Schüler bei dessen Abschied wünschte, daß er der Bibliothek ein Buch schenke. Unter seiner Leitung wurde die Gymnasialbibliothek auch für außenstehende Liebhaber der Literatur geöffnet und entwickelte sich zu einem kulturellen städtischen Treffpunkt. Verschiedene Gesellschaften und Vereine, z. B. eine Lese- und eine Journalgesellschaft, kamen hier zusammen und bereicherten die Bibliothek durch kontinuierliche Abgaben ihrer bereits gesichteten Neuerwerbungen. Auch gelehrte Besucher Stralsunds stellten in Reiseberichten fest, daß das Gymnasium mit seiner Bibliothek wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht werde.

2.118 Diese alte Schulbibliothek wurde nach dem Zweiten Weltkrieg der Archivbibliotheksverwaltung unterstellt. Damit kamen 2630 Titel in den Gesamtbestand. Von diesen entfallen knapp 50 Prozent auf das 18. Jh, je 20 Prozent auf das 17. und 19. Jh und reichlich 10 Prozent auf das 16. Jh. Es dominieren fremdsprachige Drucke (63 Prozent) vor deutschen (37 Prozent). Unter den 968 deutschsprachigen Titeln finden sich 8 des 16. Jhs, 32 des 17. Jhs, 699 des 18. Jhs und 229 des 19. Jhs. Die 1662 fremdsprachigen Drucke verteilen sich mit 62 Prozent gleichmäßig auf das 17. und 18. Jh und mit 38 Prozent auf das 16. und 19. Jh. Mit 1357 Titeln hebt sich Latein von den anderen Sprachen ab, vor 210 griechischen, 42 französischen, 27 englischen, 8 hebräischen und einzelnen schwedischen, niederländischen, spanischen, syrischen, arabischen, italienischen, dänischen, russischen und indischen Drucken.

2.119 Die Gymnasialbibliothek wurde ähnlich der Ratsbibliothek in Sachgruppen geordnet und nach Formaten aufgestellt, wobei Titel im Oktavformat eine weitere Untergliederung erfuhren. Darüber gibt ein alter Standortkatalog Auskunft, der bisher die einzige Zugangsmöglichkeit bietet. (1833 begonnene Sachkataloge in Bandform sind unvollständig. Eine Aufnahme in den Alphabetischen Katalog der Archivbibliothek steht noch aus.) Bei den einzelnen Beständen handelt es sich um Theologie (Signatur Gy A), Philologische Hilfswissenschaften, Alte und Neuere Sprachen, Orientalia (Signatur Gy D), Literaturgeschichte, Jurisprudenz und Vermischte Schriften, Biographien (Signatur Gy F) und Mathematik, Physik, Naturgeschichte, Medizin (Signatur Gy G). Die Sachgruppen Griechische Klassiker (Signatur Gy B) und Römische Klassiker (Signatur Gy C) sind in Systemgruppen untergliedert nach Übersetzungen (Gy BB und Gy CC). Historische Werke (Signatur Gy E) weisen eine Untergliederung auf für Geographie und Reisebeschreibungen (Signatur Gy EE) und Philosophie (Signatur Gy H), für Pädagogik und Schulbücher (Signatur Gy Hh). Außerdem gibt es im Oktavformat die Sachgruppen Naturgeschichte (Gy J), Medizin (K), Orientalische Literatur (L), Deutsche Sprache und Literatur (Gy N) und Neue fremde Sprachen (Gy M). Zwei dieser Bestände dominieren mit jeweils ca. 600 Titeln: Werke der Geschichte und Geographie und Werke der philologischen Hilfswissenschaften, gefolgt von ca. 350 Titeln der Literaturgeschichte. Die anderen Bestände weisen ca. 200 bis 300 Titel auf.

2.120 Die 11 frühesten Titel der Gymnasialbibliothek stammen aus dem 15. Jh und wurden, wie auch die Inkunabeln der Ratsbibliothek, der Sondersammlung Wiegendrucke zugeordnet. Dabei handelt es sich um Drucke aus Venedig, Köln, Basel und Leipzig, die im Zeitraum 1470 bis 1498 erschienen. Sowohl Werke von Thomas von Aquin und Petrus Comestor als auch von Werner Rolevinck, Homer, Eusebius, Aretinus Leonardus, Paulus Orosius und Justinianus sind verzeichnet. Zwei Postinkunabeln von 1511 und 1513 (Gy B und C) verblieben im Gymnasialbestand.

2.121 Zahlreiche Nachschlagewerke sind in den einzelnen Sachgruppen vorhanden, mit Schwerpunkt bei den Hilfswissenschaften, darunter ca. 35 Lexika, von denen 3 aus dem 16. Jh und 4 aus dem 17. Jh stammen. Bei den philologischen Werken ist die griechisch-lateinische Sprachkombination die häufigste, wie z. B. bei dem 1554 in Basel gedruckten Lexicon Graeco-Latinum von Conrad Gesner u. a. Aber auch andere Sprachkopplungen, u. a. Deutsch-Latein oder Arabisch-Latein, sind nicht selten. Erwähnenswert ist das Allgemeine deutsche Reimlexikon (Leipzig 1826). Unter den historischen und geographischen Lexika sind ein Eisenacher Druck von 1677 und das Allgemeine historische Lexikon (Leipzig 1730-1740). Auch das Lexicon universae (1785-1804), Jöchers Compendiöses Gelehrten-Lexicon (Leipzig 1733) und Hederichs Gründliches Antiquitäten-Lexicon (1743) gehören zum Bestand.

2.122 Es gibt eine große Anzahl von Werken zur Geschichte der Buchdruckerkunst und der Verlage, darunter viele Bücherverzeichnisse. Panzers Annalen der älteren deutschen Literatur (Nürnberg 1788-1789) sind hier ebenso zu finden wie Kaysers Vollständiges Bücher-Lexicon (Leipzig 1833). Auch entlegenere Bibliotheksliteratur ist vorhanden, so die Bibliotheca Thuana (1704) des Pariser Parlamentspräsidenten Jacques Auguste de Thou (1553-1617) und der Catalog över Islands Stiftsbibliothek (Kopenhagen 1828).

2.123 Die griechischen und römischen Klassiker sind hier ebenso gut vertreten wie im Bestand Klassische Philologie (F) der Ratsbibliothek. Bemerkenswert ist De orbis situ libri tres des antiken Geographen Pomponius Mela (Basel 1576).

2.124 Zahlreiche, meist in Stralsund und Greifswald erschienene Pomeranica sind vor allem in den Sachgruppen Geschichte, Deutsche Sprache und Literatur vorhanden, u. a. Gottfried Ludwig Kosegartens Wörterbuch der niederdeutschen Sprache (Greifswald 1856-1860) und die Pommerschen Geschichtsdenkmäler (Greifswald 1834-1894), die er mit Theodor Pyl gemeinsam publizierte. Ein seltener Titel ist die von Ernst Zober herausgegebene Allgemeine Tanzkunst (Stralsund 1836) des seit 1831 hier wirkenden jungen Schauspielers und Tanzlehrers Theodor Hentschke (1808-1833), ein anerkanntes theoretisch-praktisches Handbuch dieses Genres.

2.125 Rund 70 Periodika verschiedener Sachgebiete, überwiegend aus dem 18. und 19. Jh, sind Teil des Bestandes. (Einige Titel finden sich auch in den Sachgruppen Pommern, Geschichte und Periodika der Ratsbibliothek.) Die Zeitschriften sind meist in deutscher Sprache, nur vereinzelt in Schwedisch, Französisch und Dänisch. Zu den letzteren zählen das Journal littéraire (1713), Uptostrings-Sälskapets-Tidningar (1784-1786) und Hermod (1825-1826). Unter den deutschsprachigen literarischen, theologischen, politischen, naturwissenschaftlichen, belehrenden und unterhaltenden Zeitschriften sind das Journal aller Journale (1796-1797) und die Allgemeine politische Staatenzeitung (1789) sowie die Hamburgischen Addreß-Comptoir-Nachrichten (1780-1781). Zahlreiche gelehrte Zeitschriften des 18. Jhs aus europäischen Universitätsstädten, wie Greifswald, Berlin, Halle, Paris und Wien, sind nachgewiesen. Auch Schillers Thalia (1792-1793) und der Rheinische Merkur (1814-1816) finden sich neben dem Magazin für die Litteratur des Auslandes (ab 1832) und dem (Neuen) Deutschen Museum (1781-1791). Unter den naturwissenschaftlichen und medizinischen Zeitschriften sind das Magazin für den neuesten Zustand der Naturkunde (1797), das Journal der Physik (ab 1790) und das Journal für Chirurgie, Geburtshülfe und gerichtliche Arzneikunde (1797). Die Dessauische Zeitung für die Jugend und ihre Freunde liegt für 1784 vor.

2.126 Schulschriften des 18. und 19. Jhs sind vor allem in der Sachgruppe Philosophie und Pädagogik (Gy H und Hh) erfaßt. Sie sind zu verschiedenen deutschen und ausländischen Gymnasien, Universitäten und anderen Lehranstalten vorhanden. Ein Sammelband enthält z. B. Schulprogramme von 1757 bis 1823 aus der Leipziger Thomasschule, vom Gymnasium Minden, von einer Bayreuther Studienanstalt, von einer deutschen Schule in Stockholm, von der Königlichen Realschule zu Berlin und von anderen Bildungseinrichtungen. Auch aus Anklam, Brieg, Breslau, Dessau, Danzig, Elbing, Hersfeld, Hamburg, Königsberg, Lingen, Lübeck, Osnabrück, Posen (in deutscher und polnischer Sprache), Pforta, Prenzlau, Rinteln, Stargard, Wesel, Wismar und Stralsund finden sich Schulschriften.

2.127 Unter den regional bedeutsamen pädagogischen Schriften sind die Urkundliche Geschichte des Stralsunder Gymnasiums von seiner Stiftung 1560 bis 1860 des Gymnasialprofessors und Ratsbibliothekars Ernst Heinrich Zober sowie Altes und Neues von Schulsachen gesamlet (Halle 1752) des Freiberger Rektors Johann Gottlieb Biedermann (1705-1772) und Von der billigen und unbilligen Verachtung der Schullehrer (1749) von Hermann Jacob Lasius, dem Rektor der Greifswalder Stadtschule. Vermutlich gehören zu dieser Sammlung auch mehr als 75 Dissertationen, überwiegend in Sammelbänden. Sie wurden im 17. bis 19. Jh beispielsweise an den deutschen Universitäten Greifswald, Rostock, Göttingen, Münster, Jena, Wittenberg, Leipzig und Berlin, aber auch an der schwedischen Universität Uppsala und der niederländischen Universität Leiden angenommen. Sie verteilen sich auf fast alle Sachgruppen. Eine der frühesten Dissertationen stammt von Arved Ströhmer (Uppsala 1694).

2.128 Personalschriften des 17. Jhs sind sehr verstreut vorhanden. Neben zahlreichen Leichenpredigten für Stralsunder Persönlichkeiten finden sich auch die für einen Hamburger Pastor, für den Rektor einer Zwickauer Schule, für Personen aus Eisleben, Königsberg, Berlin und aus vielen anderen Orten. Auch Streitschriften des Rektors Jacob Wolf (1654-1723) mit dem Pastor der Stralsunder Marienkirche, Mathias Kienast (1683-1711), sind für den Zeitraum 1694 bis 1696 gesammelt worden.


Hinweise zur Bibliotheksgeschichte bei Zober z.B.:
http://books.google.de/books?id=6HiUsZxD5LYC&pg=PA48

Die einzige gute Nachricht: Die Inkunabeln dürften, da der Sondersammlung Wiegendrucke überwiesen, nicht vom Verkauf betroffen sein.

Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die über 2000 Titel der Gymnasialbibliothek ein schützenswertes Kulturdenkmal darstellten, das unter keinen Umständen hätte veräußert werden dürfen.

Der Heidelberger Professor Dr. Wilhelm Kühlmann, einer der
renommiertesten Frühneuzeit-Forscher, der selbst über Zacharias Orth gearbeitet hat, ist befremdet über die Nachrichten aus der traditionsreichen Hansestadt: "Ohne eine vorherige gründliche wissenschaftliche Prüfung und Dokumentation des wertvollen historischen Bestands sollte nichts verkauft werden". Die Leiter der Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin und der Universitätsbibliotheken Greifswald und Rostock haben mir gegenüber bestätigt, dass sie im Vorfeld nichts von dem Verkauf gewusst haben.

... wird fortgesetzt
 

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