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Teil 1: http://archiv.twoday.net/stories/5605818/

Fast täglich hatte ich letztes Jahr Beiträge zum Handschriftencensus geliefert. Nachdem diese teilweise monatelang liegenblieben und ich zudem feststellen musste, dass mein Name in willkürlicher Weise teilweise genannt wurde, teilweise aber auch nicht, habe ich mich beschwert. Nach einigen Monaten erhielt ich folgende Erläuterung zur Attribuierungspraxis:

"- Bei allen wichtigen Hinweisen wird natürlich - wie bisher - der Autor, Finder, Korrektor etc. in der Autorzeile nachgewiesen oder ggf. bei den Hinweisen genannt.
- Natürlich gibt es für diesen Nachweis eine mehr oder weniger große Grauzone, d.h. bei einem Literatur- oder Detailhinweis OHNE entscheidende Bedeutung erfolgt in der Regel keine Namensnennung.
- Auch keine Namensnennung erfolgt in der Regel, wenn der Hinweis aus einem aktuellen Katalog/aus aktueller Literatur oder einer Standardpublikation einfach nur kopiert/extrahiert ist.
- Wichtig ist es uns in solchen Fällen aus Gründen der wiss. Redlichkeit, dass die Quellen unbedingt nachgewiesen/angegeben werden."

Entscheidend ist, das der Handschriftencensus und ich unterschiedliche Auffassungen darüber haben, was entscheidend ist. Von wissenschaftlicher Redlichkeit kann keine Rede sein, wenn man selbstherrlich definiert, was "entscheidend" ist.

So las man jahrelang im Census http://www.handschriftencensus.de/4286 unter Arnoldstein, Klosterarchiv von einem Fragment des Troja-Buchs. Ich wies darauf hin, dass es in Arnoldstein kein Klosterarchiv mehr gebe, sondern das Klagenfurter Landesarchiv gemeint sein müsse und machte auf http://books.google.com/books?id=YKtnAAAAMAAJ&q=troja+arnoldstein aufmerksam. Der falsche Ort wurde korrigiert und die Arbeit von Hornung nachgetragen - ohne Hinweis auf mich!

Die teilweise recht unangenehme Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen für den Census, allen voran Dr. Klaus Klein, hat mich so demotiviert, dass ich meine Hinweise auf ein Minimum reduziert habe bzw. wenn sie substantieller sind eher hier veröffentliche (hier sind sie dann sofort abrufbar und nicht erst nach einigen Monaten). Angesichts der Tatsache, dass nicht weniger als 10 Experten inhaltlich für den Census verantwortlich zeichnen, habe ich keinerlei Verständnis dafür, wenn man in abwimmelnder Weise auf mangelnde Finanzierung und knappes Zeitbudget verweist. Die Einarbeit externer Hinweise sollte absolute Priorität haben.

Verdeutlicht werden können die Verstöße des Census gegen die Praxis guten wissenschaftlichen Arbeitens mit einem Beispiel aus Wikisource. Wikisource wird prinzipiell nicht vom Census verlinkt, im Gegensatz zu von Bibliotheken ins Netz gestellten dürftigen Handschriftenverzeichnissen (deren dauerhafter Verbleib dort nicht in jedem Fall gesichert erscheint). Dabei bietet etwa die Wikisource-Seite zu den Burgunderkriegen wichtige Zusatzinformationen.

Seit Juli 2007 kann man Wikisource entnehmen, dass neben den bekannten (1980 von Dieter Harmening im ²VL gelisteten) Überlieferungen des Dracula-Pamphlets auch die Konstanzer Chronik Gebhard Dachers (gest. 1471) im (auch online einsehbaren) St. Galler Codex 646 den Text enthält.

http://de.wikisource.org/wiki/Bericht_%C3%BCber_Dracole
http://de.wikisource.org/wiki/Vlad_III._Dr%C4%83culea

Diese Entdeckung hatte ich brieflich am 9. März 1984 Dieter Harmening mitgeteilt, der sich artig bedankte, aber offenbar nie mehr auf seine Drakula-Forschungen zurückgekommen ist. Ich "spendete" sie also für die Wikisource-Themenseite, scannte die Seiten aus meinem Ruppert-Exemplar, damit der Ruppert-Text in Wikisource transkribiert werden konnte.

2008 war dann im Handschriftencensus zu lesen:

Wolfgang Achnitz (Münster) hat für den Handschriftencensus die Überlieferung der 'Historia von dem pösen Dracul' zusammengestellt, von der jetzt insgesamt fünf Handschriften bekannt sind; in der 2. Auflage des Verfasserlexikons (Stichwort 'Drakula') waren nur drei Textzeugen verzeichnet. Hinzugekommen sind eine Colmarer und eine Münchner Handschrift. Nach wie vor als verschollen gelten muß allerdings die nach 1926 verkaufte Handschrift aus der Stiftsbibliothek Lambach (Cod. Chart. 327); vielleicht gelingt es einem Benutzer, anhand der Kurzbeschreibung den heutigen Aufbewahrungsort dieser lat.-dt. Sammelhandschrift herauszufinden.
29. Oktober 2008
http://www.handschriftencensus.de/news/page:11

Überlieferungsübersicht:
http://www.handschriftencensus.de/werke/3631

Ich wies auf die bei Wikisource nachgewiesene weitere Überlieferung hin - bis heute wurde dieser Hinweis nicht eingearbeitet.

Am 15. August 2008 teilte Jürgen Wolf mit, der Hinweis sei "noch in der Bearbeitung (wie ich im Intern-Feld zur Hs. sehen kann) - fällt aber nicht in meinen Bereich, da die Hs. in der Schweiz liegt!" Zuständig ist also Rudolf Gamper, der damit Wikisource das eindeutig belegte "Erstgeburtsrecht" an der Mitteilung der Dacher-Überlieferung verweigert.

Wohl im August 2008 war ein Heft (Heft 1-2) der Daphnis über historische "Zeitungen" ausgeliefert worden (die elektronische Version bei Ingenta folgte Wochen später), in dem der folgende Beitrag erschien:

William Layher: Horrors of the East: Printing Dracole Wayda in 15th-century Germany. In: Daphnis - Zeitschrift für Mittlere Deutsche Literatur 37 (2008), S. 11-32

Dort machte Layher S. 19f. die von mir 1984 an Harmeming mitgeteilte Konstanzer Handschrift bekannt (ohne die seit 2007 bestehenden Nachweise in Wikisource zu erwähnen):

"While the archetype itself is likely never to be
found, important clues about its influence can be gleaned from an
additional, fifth manuscript source of Dracole Wayda from the 15th
century, which as yet is unknown in the scholarship. This fifth
source, which I label as K, consists of lengthy interpolations into the
Konstanzer Chronik that was composed by Gebhard Dacher, municipal scribe in Konstanz, in the years just before 1474. The incipit of K follows closely the standard introductory phrases for Dracole Wayda, although Dacher gives the shocking nature of the narrative considerably more emphasis:

K Des jars do man zalt von der geburt Christi 1456 jare do tet der
Dracole, der wüttrich vil boshaftiger, mortlicher und onmenschlicher
sachen, me dan man vor von enkainem wüttrich ye gehört noch
geschriben hat. Item der alt gobernator hat den alten Dracol lassen
töten […]15

The unique value of K is found in Dacher’s brief reference to one
of his sources: a büchlin containing a broad array of episodes drawn
from the ‘repertoire of cruelties’ transmitted in Dracole Wayda.
Based on the testimony of this büchlin Dacher computes the final
tally of persons Vlad Tepes¸ had put to death in Wallachia:

… Item was namhafftig geschriben ist, die er umbraucht heit, one die,
die hie vor nit geschriben sind, der ist an der zal zway und nünzig
tusend zwaihundert und acht und sechzig menschen, die man in den
büchlin in der zal hat, one die, deren noch vil nit geschriben sind.

Dacher’s precise calculation of the number of victims put to death
in Wallachia cannot be reconciled with any of the surviving manuscript sources or early prints. This is unsurprising, as none of the manuscripts and prints agree on exactly how many persons were
killed during Vlad’s reign; some sources place the number of
victims as high as approximately eighty thousand — surely a vastly
inflated number, as fitting the tenor of the times and the brutality of the methods of execution — but only Dacher’s total rises above
ninety thousand. Despite the witness of the Konstanzer Chronik,
questions about the early transmission for Dracole Wayda remain as
murky as before. Nevertheless, there is important data to be found
in Dacher’s account. If we interpret his reference to a büchlin to
mean a printed work (and there is good reason to do so), then the
witness of the K manuscript of Dracole Wayda gives us the earliest
confirmation of the existence of a Dracula incunabulum in Swabia
in the years just before 1470.

[15] Philipp Ruppert: Die Chroniken der Stadt Konstanz. Konstanz 1890, pp. 233-250, here p. 233. The Konstanzer Chronik survives in three sources (the oldest of which, Stuttgart Landesbibl. Cod. HB V 22, likely is from Gebhard Dacher’s Schreibstube and was written in 1467-69) but the material drawn from Dracole Wayda is transmitted only in one of the three manuscripts, St. Gallen, Stiftsbibliothek 646 (before 1473). Mathias Von Scarpatetti: Die Handschriften
der Stiftsbibliothek St. Gallen. Beschreibendes Verzeichnis. Bd. 1. Wiesbaden 2003, pp. 279-281.

Ob man büchlin als gedrucktes Buch verstehen darf, erscheint mir zweifelhaft. Was die 2008 erschienenen Dacher-Edition von Wolff (sie fehlt natürlich im Handschriftencensus) zu der Passage zu sagen hat, weiß ich nicht.

Sicher ist nur: Rudolf Gamper hat es seit 2008 versäumt, die von Wikisource (und letztlich von mir, was aber irrelevant ist) 2007 nachgewiesene Ersterwähnung der Dacher-Überlieferung im Kontext wissenschaftlicher Bemühungen um die Drakula-Erzählung im Handschriftencensus zu vermerken. Es würde mich nicht wundern, wenn der Census die Niedertracht besäße, die offenbar unabhängig von mir/Wikisource von Layher entdeckte Überlieferung nur mit Hinweis auf Layher einzutragen. Glücklicherweise kann durch die Versionsgeschichte von Wikisource (dergleichen existiert beim Census nicht) klar die Priorität belegt werden (es sei denn, Layher hätte seinen Fund bereits zuvor publiziert, worauf es keinen Hinweis gibt).

Wer mit dem Census häufig arbeitet, wird immer wieder anhand absolut inakzeptabler Fehler und Schludrigkeiten feststellen, dass die hochnäsige und arrogante Art, mit der der Handschriftencensus die Wikipedia und Wikisource ignoriert, sich nicht auf die eigene überragende Qualität stützen kann. Wie Wikisource in Sachen Drakula mitgespielt wurde, bewerte ich als besonders miesen Verstoß gegen die Grundsätze wissenschaftlichen Arbeitens.

Update:
http://archiv.twoday.net/stories/1022416405/

Bilbo Duntze (Gast) meinte am 2010/09/13 10:27:
Grundsätze wissenschaftlichen Arbeitens
Wenn jemand so vehement auf die Einhaltung guter wissenschaftlicher Praxis pocht, sollte man erwarten können, dass er selbt einige Grundregeln wissenschaftlichen Arbeitens einhält.
Und dazu gehört, dass bei Abbildungen bzw. Bildzitaten die Quelle angegeben wird. Also: Das hübsche Bildchen am Ende des Artikels stammt aus der Drakula-Ausgabe Straßburg: Hupfuff 1500 (GW12530).
Außerdem wäre es natürlich schön, wenn zusätzlich noch das Exemplar, von dem der Scan gemacht wurde, angegeben würde. Nicht im Sinne eines Copyright-Vermerks, sondern einfach, um den WissenschaftlerInnen, die sich evtl. für das Bild interessieren, die Arbeit zu erleichtern. 
KlausGraf antwortete am 2010/09/13 14:57:
Sehe keine Veranlassung
Das Bild dient als reine Illustration, nicht als wissenschaftliche Quelle des Beitrags, der in eine andere Richtung zielt. Es ist in den zitierten Links unschwer aufzufinden oder wenn man sich die URL anschaut (rechte Maustaste: BILD-URL kopieren o.ä.), über die es direkt eingebunden wird:

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/2/26/Vlad_Tepes_and_his_forest.jpg/220px-Vlad_Tepes_and_his_forest.jpg

Daraus erhält man z.B. mit Google: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Vlad_Tepes_and_his_forest.jpg

Als Quelle stand dort "contemporary pamphlet from Strasbourg; scanned by Bridgeman Art". Drucker und GW-Nummer sind jetzt ergänzt. Wonach Bridgeman art gescannt hat, dürfte nicht zu ermitteln sein.

Es ist absolut nicht notwendig, bei jeder Illustration einen wissenschaftlichen Kriterien genügenden Bildnachweis zu geben, auch wenn Internet-Alphabeten sich womöglich schwertun, die 1-2 zusätzlichen Klicks durchzuführen. 
 

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