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Wieso ich mich mit der Arbeitsweise Schulers befasse und welche gerichtlichen Auflagen für Beiträge in Archivalia bestehen, kann man http://archiv.twoday.net/stories/49601942/ entnehmen. Wissenschaftliche Qualitätssicherung kann auch dadurch erfolgen, dass Forscher vor den Publikationen eines Autors gewarnt werden, beispielsweise in Fußnoten gedruckter Publikationen. Für das Internet und dieses Blog kann nichts anderes gelten. Zur Forschungsfreiheit gehört auch die scharfe Auseinandersetzung mit Missständen in der Wissenschaft.

Schuler verfasste im Biographisch-bibliographischen Kirchenlexikon den Beitrag Notburga in Hochhausen: Band 6 (1993), Sp. 1019-1020.

http://www.bautz.de/bbkl/n/notburga_b_h.shtml (die bibliographischen Angaben sind zahlenden Kunden vorbehalten)

NOTBURGA in Hochausen. Im badischen Dorf Hochhausen a.N. (Neckar-Odenwald-Kreis) wird eine hl. Notburga verehrt, die nach der 1517 schriftlich fixierten Legende, die Tochter des Königs Dagobert I. und seiner heimlich angetrauten Gemahlin Mantilde gewesen sein soll. Sie habe später ihren Vater auf einen Kriegszug ins Neckartal begleitet. Hier habe sie sich von ihm getrennt und lebte zurückgezogen in einer Höhle und sei von einer Hirschkuh mit Nahrung versorgt worden. Durch ihr Wirken habe sie das Christentum verbreitet. - Hochhausen war im Mittelalter Wallfahrtsort, was die Synode von Speyer von 1496 bezeugt. In der heutigen Kirche von Hochhausen zeigt eine Grabplatte des 14. Jh. eine plastische Darstellung der Heiligen ohne linken Arm, der vom erbosten Vater ausgerissen worden sei, und mit einer Schlange, die ihr ein heilendes Kraut gebracht haben soll. In den liturgischen Büchern wird sie nicht erwähnt.

Der Wikipedia-Artikel ist zwar recht ausführlich, aber nicht wirklich gut:

http://de.wikipedia.org/wiki/Notburga_von_Hochhausen

Um so dankbarer wäre man für eine zuverlässige Darstellung zur Dorfheiligen von Hochhausen. Aber Schulers Artikel ist fehlerhaft. Die arme St. Notburga (mir seit über 20 Jahren vertraut) hat eine solche Behandlung nicht verdient!

Dass die Standardversion von Mantilde nichts weiß - geschenkt! Dass 1517 nicht die Legende fixiert wurde, sondern eine Graböffnung stattgefunden hat, wird man womöglich auch verzeihen können. Die älteste Überlieferung des Notariatsinstruments von 1517 und der Legende bietet der Gemmingische Stammbaum des Reinhard von Gemmingen (1631/35), siehe auch den Abdruck

http://books.google.de/books?id=PmhDAAAAcAAJ&pg=RA1-PA142-IA2

Ich verweise auf Zschokkes Abdruck, da Schreiber 1807 mit dem Originalbeitrag Pattbergs nicht online ist:

http://de.wikisource.org/wiki/Seite:Steig_Frau_Auguste_Pattberg.djvu/18

Unverzeihlich ist dagegen die Bezeichnung des bekannten Wormser Synodales 1496 http://archiv.twoday.net/stories/5809507/ als "Synode von Speyer".

Ob die Grabplatte nicht doch in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts gehört? In Hochhausen erzählte man mir vor Jahren unter Berufung auf Heidelberger kunsthistorische Forschungen von einer Datierung 1400-1430. Jedenfalls ist die Übernahme der üblichen Datierung ins 14. Jahrhundert durch Schuler nicht im geringsten zu beanstanden.

Natürlich hätte man sich weitere Angaben zu den gegenständlichen Kultzeugnissen gewünscht (zu Balg: http://archiv.twoday.net/stories/38735546/ ), aber die größten Unzulänglichkeiten bietet nicht der allzu dürftige Textteil, sondern der bibliographische Apparat, auf den im Kirchenlexikon sonst viel Wert gelegt wird.

Lit.: Reinhard Frauenfelder, Die Patrozinien im Gebiet des Kantons Schaffhausen, Diss. phil., Schaffhausen 1928; -

E.A. Stückelberg, S. Notburga Vidua, in: Archives suisses des Traditions populaires, Bd. 12 (Basel ...) 191-200; -

Zs. f. Gesch. d. Oberrheins, Bd. 40 (1866) 385-401; -

Badische Heimat Bd. 38 (1958) 159-170; -

hl. Notburga, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, hrsg. v. Hans Bächtold-Stäubli, Bd. 6 (Berlin/Leipzig 1934-1935), Sp. 1137; -

Die Kunstdenkmäler des Großherzogtums Baden Bd. 4/3 (Freiburg 1903) 33-43; -

Karl Künstle, Ikonographie der Heiligen, Bd. 2 (Freiburg/Br. 1926), 468; -

Julius Wilhelm, Zur Geschichte der Pfarrei Bühl im Klettgau, in: ZGO NF 39 (1938) 234 f.


Hinzuzunehmen sind die Literaturangaben des ebenfalls von Schuler zur gleichen Zeit verfassten Artikels über Notburga im Klettgau:

Lit.: Notburga, in: Acta SS Boll. Ian. Bd. 2 (1643) 750 ff.; - Lexicon der Heiligen (Köln/Frankfurt 1719); - Guenebault, Iconographie (Paris 1850) 448 f.; - J.E. Wessely, Ikonographie Gottes und der Heiligen (Leipzig 1874) 317; - H. Detzel, Christliche Ikonographie, Bd. 2 (Freiburg/Br. 1896) 559; - Karl Künstle, Ikonographie der Heiligen, Bd. 2 (Freiburg/Br. 1926) 468; - D.H. Kerler, Die Patronate der Heiligen, Ulm 1905, 80 u. 133; - Notburga, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, hrsg. v. Hans Bächtoold-Stäubli, Bd. 7 (Berlin/Leipzig 1934/35) Sp. 1138; - A. Pfeifer, in: Archiv für christliche Kunst Bd. 33 (1915) 99-104; - R. Frauenfelder, Die Patrozinien im Gebiet des Kantons Schaffhausen; Schaffhausen 1928 (Diss. phil. Zürich) 48-50; - Kunstdenkmäler des Kanton Schaffhausen Bd. 3 (Basel 1960) 127 f.; - R. Pfleiderer, Die Attribute der Heiligen, (Ulm 19182) 88; - E.A. Stückelberger, S. Notburga Vidua, in: Archives suisses des traditions populaires, Bd. 12 (1912) 191-200; - J. Wilhelm, Zur Geschichte der Pfarrei Bühl im Klettgau, in: Freiburger Diözesanarchiv NF 39 (1938) 233-252.

Bereits ein simpler Vergleich macht stutzig. Wieso beziehen sich 3 der nur 8 Literaturangaben der Hochhauser Notburga auf die Namensvetterin im Klettgau? Und wieso werden exakt die gleichen Titel unterschiedlich zitiert?

Wieso fehlt bei Frauenfelder im ersten Artikel (künftig: A) eine Seitenangabe?

"E.A. Stückelberg, S. Notburga Vidua, in: Archives suisses des Traditions populaires, Bd. 12 (Basel ...) 191-200" wird man im Proseminar kaum durchgehen lassen.

Der gute Mann heißt Stückelberg, nicht Stückelberger (so der zweite Artikel, künftig: B) und Bd. 12 ist 1908/09 erschienen:

http://dx.doi.org/10.5169/seals-110978

Die Hochhauser Heilige kommt darin nur ganz am Rande vor. S. 192 Anm. 2 bringt immerhin den interessanten Hinweis, dass Stückelberg in St. Stephan zu Mainz eine Reliquie der Hochhauser Heiligen vorfand.

"Zs. f. Gesch. d. Oberrheins, Bd. 40 (1866) 385-401" Hat es Maximilian Huffschmid, der 1886 (nicht: 1866) die bislang beste Darstellung zur Heiligen vorlegte, nicht verdient, dass man ihn korrekt mit Titel zitiert: "Hochhausen am Neckar und die heilige Notburga"?

http://archive.org/stream/zeitschriftfrdi02langoog#page/n393/mode/2up

Das gleiche gilt für "Badische Heimat Bd. 38 (1958) 159-170" = Fritz Liebig, Die Notburgasage, geschichtlich gesehen. Nicht sonderlich erheblich, aber mit Anmerkungen.

[Online: http://www.badische-heimat.de/neu/verein/heft/reprint/1958_2_notburga.pdf ]

Beim HDA ist Bd. 6 (nicht wie B will 7) richtig, Sp. 1137f., nicht nur 1137, und der Vorname von Herausgeber Bächtold-Stäubli war Hanns, nicht Hans.

"Die Kunstdenkmäler des Großherzogtums Baden Bd. 4/3 (Freiburg 1903) 33-43". Der Kreis Mosbach (Bd. 4,4) erschien in Wirklichkeit 1906 und zwar in Tübingen. Auch wenn man "Großherzogthums" nicht mitzählt, komme ich bei dieser Literaturangabe auf drei Fehler.

http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kdm4bd4/0042

Der nächste Titel ist ausnahmsweise korrekt zitiert, soweit ersichtlich:

http://books.google.de/books?&id=hEVLAAAAYAAJ&q=hochhausen

Der für die Hochhauser Notburga belanglose Aufsatz "Julius Wilhelm, Zur Geschichte der Pfarrei Bühl im Klettgau, in: ZGO NF 39 (1938) 234 f." erschien nicht in der ZGO, sondern (so auch B) im FDA:

http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/5968/

Dass man angesichts dieser Fehlermenge nicht von sorgfältiger Arbeitsweise sprechen kann, leuchtet ein. Schulers Artikel ist aber auch deshalb so gut wie unbrauchbar, weil wichtige Arbeiten in der Bibliographie fehlen. Sie hätte man sich anstelle der entbehrlichen Studien zur Klettgauer Heiligen gewünscht.

Es fehlen das Lexikon für Theologie und Kirche (nicht erst in der dritten Auflage präsent) und das Lexikon der christlichen Ikonographie 8 (1976), S. 72 mit weiterer Literatur.

Campbell Dodgson, Ein oberrheinisches Schrotblatt, in: Oberrheinische Kunst 8 (1939), S. 84—88 kann man selbstverständlich übersehen. Das Blatt in der Datenbank des British Museum mit Abbildung (siehe unten):
http://www.britishmuseum.org/research/search_the_collection_database/search_object_details.aspx?objectId=1352524&partId=1

Unverzichtbar ist dagegen Rüdiger Becksmann, Die Mittelalterlichen Glasmalereien in Baden und der Pfalz ohne Freiburg (CVMA II, 1), 1979, S. 57-61 mit dem wichtigen Nachweis der um 1330 datierten NOPVRG-Scheibe im Kurpfälzischen Museum, auch erfasst in den Deutschen Inschriften 12 (1970), S. 22 Nr. 32. Dies ist für Hochhausen und seine Notburga das älteste Kultzeugnis!

Wichtig sodann: Christoph Wehrli, Mittelalterliche Überlieferungen von Dagobert I., 1982, S. 230-232 (von Joachim Dahlhaus im LThK 3. Aufl. zitiert). Zu überprüfen ist ein Einfluss der Beyrlin-Fälschungen auf die älteste Textüberlieferung im Gemmingenschen Stammbaum.

Im Ergebnis spekulativ und von mir abgelehnt, aber hinsichtlich der Aufarbeitung der Traditionsbildung nicht ohne Wert: Heinrich Kunstmann, Dagobert I. und Samo in der Sage, in: Zeitschrift für slavische Philologie 38 (1975), S. 279-302.

Ute Fessmann, Notburga - die Kraichgauheilige und ihr Wandmalereizyklus in Hochhausen am Neckar, in: Die mittelalterlichen Wandmalereien zwischen Rhein, Neckar und Enz. - Ubstadt-Weiher ; Heidelberg [u.a.], 2011, S. 251 - 280 habe ich noch nicht gesehen. [Update: http://archiv.twoday.net/stories/96993889/ ]

Fazit: Korrektes wissenschaftliches Arbeiten konnte bei der Überprüfung des Notburga-Artikels von Schuler nicht festgestellt werden.

 

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