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Wissenschaftsbetrieb

http://www.welt.de/kultur/article109959861/Schluss-mit-der-Hexenjagd-auf-Annette-Schavan.html

Der Titel ist Programm:

"Schluss mit der Hexenjagd auf Annette Schavan!"

"Seit dem Fall des Lügenbarons Guttenberg hat sich - vor allem durch das Internet - eine Stimmung breit gemacht, die man als inquisitorisch bezeichnen kann. Wie weiland Professor van Helsing tauchen plötzlich selbsternannte "Plagiatsjäger" auf, die in den tiefsten Schächten der Jugend von Politikern wühlen, nicht nur um sie bloßzustellen, sondern um sie gleich zu vernichten."

Von Vernichtung kann ja nun nicht die Rede sein. Nochmals mein Argument mit Schwerte-Schneider: Dessen bürgerliche Existenz wurde in der Tat vernichtet, weil sie auf einer grandiosen Lüge aufbaute. Seine Leistungen nach 1945 zählten nichts mehr, aber seinen Doktortitel durfte er behalten.

"Zum Fall Schavan: Stimmen die Nachrichten, die aus dem Gutachten des Düsseldorfer Judaisten Stefan Rohrbacher gesetzeswidrig und höchst fragwürdig an die Öffentlichkeit gelangt sind, hat sich die fünfundzwanzigjährige Studentin Annette Schavan 1980 unter anderem auf die Aussagen des Philosophen Josef Speck bezogen, diese Quelle gewissenhaft in den Fußnoten vermerkt, die Verweise aber nicht fortlaufend wiederholt, obgleich sie einen Teil seiner Gedanken weiter paraphrasierte. Darüber hinaus habe Schavan Zitate von Alfred Adler verwendet, die sie nicht aus dem Werk des Individualpsychologen, sondern aus anderen Bücher der Sekundärliteratur entnommen hat. Hätte sie eigenständig nach dem Satz Adlers gefahndet, wäre ihr aufgefallen, dass nicht der Psychotherapeut, sondern Gerhard Adler gemeint gewesen sei.

So weit, so schlecht"

Schlecht ist auch, dass hier einfach gelogen wird. Jeder konnte schon vor dem Bekanntwerden von Details aus der Rohrbacher et al.-Stellungnahme sich auf

http://schavanplag.wordpress.com/

selbst ein Bild machen. Der Plagiatsexperte Stefan Weber hat schon - aufgrund einer früheren vorläufigen Recherche - im Mai 2012 für die Aberkennung des Doktortitels plädiert:

Weber kommentiert:

Wenn schavanplags Textvergleiche stimmen, dann,…
… ja dann hat auch Frau Annette Schavan abgeschrieben, und zwar auf die bekannt widerwärtige, die Wissenschaft kaputt machende Art und Weise. Dann gehört auch sie zu jenen, die nicht begriffen haben und/oder nie richtig gelernt haben, worum es in der Wissenschaft eigentlich geht. Langsam wird es redundant, ich schreibe es dennoch noch einmal: Es geht darum, dass man Texte einerseits korrekt zitiert und andererseits in eigenen Worten interpretiert – und nicht darum, dass man beides vermengt: dass man nach gesetzten Fußnoten noch ein bisschen vom soeben referenzierten Autor “mit abschreibt”, dass man Belege irgendwo einstreut, aber ganze Absätze leicht umgeschrieben übernimmt usw. Das ist keine Wissenschaft, das ist nur die niedere Kunst des Text-Frisierens für den Anschein eigener gedanklicher Durchdringung.
http://plagiatsgutachten.de/blog.php/wenn-schavanplags-textvergleiche-stimmen-dann/

zitiert nach: http://archiv.twoday.net/stories/97010365/

Nun gibt es inzwischen noch mehr einschlägige Stellen, und die offenbar gründlichen Textvergleiche der Gemeinschaftsarbeit, die als Rohrbacher-Gutachten zwar Teilen der Presse, aber nicht der Öffentlichkeit vorliegt, haben die Befunde Schavanplags bestätigt.

"Als Schavan ihre Prüfung ablegte, studierte sie in einem Promotionsstudiengang, der den Magister/das Diplom gleich übersprang und das Studium mit der Dissertation beendete. Wird ihr Examen für ungültig erklärt, ist Schavans Existenz nicht nur als Politikerin vernichtet, sondern sie ist auch beruflich am Ende."

Selbst in einer pädagogischen Dissertation aus den 1970er Jahren musste man redlich wissenschaftlich arbeiten. Was passiert ihr denn groß? Ihre politisch-berufliche ist ohnehin am Ende, sie ist ja auch nicht mehr die jüngste. Sie wird eine satte Pension bekommen und darf eben nur nicht mehr ihren Düsseldorfer Doktortitel führen. Dass ihre Ehrendoktortitel aberkannt werden, damit ist nicht zu rechnen.

"Wo bleibt die Verjährungsfrist?

Nur: Darf man Examensarbeiten, die vor dreißig, vierzig Jahren verfasst wurden, nach den heutigen Maßstäben bewerten?"

Eine Doktorarbeit ist keine Examensarbeit. Für universitäre Abschlussarbeiten gelten unterschiedlich bemessene Fristen, innerhalb derer eine Rücknahme des verliehenen Titels möglich ist.

Scherzhaft wird dann auch noch angefügt: "Um sie zu beenden, wäre es auch möglich, dass nur die Anträge auf Plagiatsprüfung angenommen werden, deren Verantwortliche zuvor ihre eigenen Prüfungsunterlagen offen legen - von der Abitursklausur bis zur Diplomarbeit."

Ich hätte da nichts zu verbergen. Wieder neben der Sache: Für solche Prüfungen gelten mit guten Gründen Verjährungsfristen.

Wer öffentlich eine Dissertation vorgelegt hat, muss es dulden, dass öffentlich über ihn hergezogen wird, wenn er nicht nur ein bißchen geschummelt hat. Und der Doktorhut muss ihm dann auch abgenommen werden. Und eine Wissenschaftsministerin, die so eklatant gegen die Grundsätze wissenschaftlichen Arbeitens verstoßen hat, muss zurücktreten. Und die Journalisten, die sie jetzt eilfertig in Schutz nehmen, sollten lieber still sein.

Zur Causa Schavan hier:
http://archiv.twoday.net/search?q=schavan


http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/plagiatsaffaere-von-annette-schavan-uni-duesseldorf-prueft-a-861866.html

Schavan hat der Uni Düsseldorf einen Maulkorb verpassen lassen: "Denn, so Piper, Schavan habe über ihre Anwälte mitteilen lassen: Ohne die Zustimmung der Ministerin sollten keine Informationen herausgegeben werden. In dem Schreiben der Anwälte heißt es, "dass zu den bisherigen Ergebnissen, der Untersuchung und derer unmittelbarer Konsequenzen ohne die Zustimmung von Frau Professor Schavan keine Information an dieser Stelle weitergegeben werden dürfen", sagte Piper."

Was alle angeht, sollen auch alle erfahren dürfen. Die Dissertation ist eine öffentliche Leistung und nichts im ganzen Verfahren (außer vielleicht Schavans damalige Lebensumstände, auf die es ja eigentlich nicht ankommen kann) verdient Vertraulichkeit. Jeder kann sich selbst anhand der bekannten Dokumentation durch "Robert Schmidt" ein Bild machen und das fällt für eine Wissenschaftsministerin vernichtend aus. Da helfen die ganzen Solidaritätsbekundungen von vermeintlichen Wissenschaftsgrößen, Parteifreunden und einer sich selbst kastrierenden Journaille nichts.

Kritische laufende Berichterstattung zum Fall Schavan:

http://erbloggtes.wordpress.com/

Siehe auch http://rivva.de/179161958

Ich hab mich nur ganz kurz nach der Registrierung umgesehen und war sofort abgestoßen.

http://orcid.org/0000-0002-5834-4987

Das Angebot soll eine Forscher-ID anbieten, ist aber noch allzu beta und unausgereift. Bei Scopus gibts mich nicht, zumindest werde ich nicht gefunden, ebenso wenig bei CrossRef, was bei den Publikationen alles manuell ergänzen müsste - obwohl ich ja nun schon andere Profile habe, deren Daten man importieren könnte:

https://plus.google.com/u/0/117546351384071338747/about

In Fortführung von http://archiv.twoday.net/stories/172008467/ haben wir auch noch ein Hühnchen mit Heike Schmoll von der FAZ zu rupfen:

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/plagiatjaeger-und-ihre-beute-studien-zum-herumdoktorieren-11927003.html

Die Plagiatsjagd sei eine moderne Hexenjagd und der Rohrbacher, der Verfasser der Stellungnahme zu Schavans Doktorarbeit, habe ein technizistisches Textverständnis, das die Gesamtleistung der Arbeit nicht würdige.

Da Dissertationen die wissenschaftliche Erkenntnis fördern sollen, verlangt man seit der frühen Neuzeit, dass sie gedruckt bzw. veröffentlicht werden. Was Dissertationen und ihre Redlichkeit angeht, darf und muss in der Öffentlichkeit verhandelt werden und nicht in Hinterzimmern. GuttenPlag und VroniPlag haben einen grandiosen Beitrag zur wissenschaftlichen und politischen Kultur des digitalen Zeitalters geleistet. Aus welchen Gründen der Einzelne sich beteiligt (Schmoll: "Gescheiterte Akademiker, Informatiker, Pedanten ") spielt keine Rolle.

Das ganze Promotionssystem lädt offensichtlich zu Missbrauch ein und zwar in einem Ausmaß, wie ich es vor Guttenberg & Co. nicht für möglich erachtet hatte. Dass Universitäten klare Plagiatsfälle nicht geahndet haben, zeigt, dass die Reförmchen, von denen Schmoll spricht, ganz und gar nicht ausreichen. Betreuung und Begutachtung müssen entschieden verbessert werden.

Nur bei Prominenten erzielen die Plagiatsjägerplattformen die mediale Aufmerksamkeit, die erforderlich ist, um eine Debatte auszulösen. Ihr Treiben ist daher für die öffentliche Meinungsbildung wichtig und sinnvoll.

Wer in der Öffentlichkeit steht, muss mit Kritik leben. Jede Karriere eines Promovierten baut auch auf dem Doktortitel auf. Wenn man wissenschaftliche Standards - gerade auch in der Lehre - hochhalten möchte, muss man die öffentliche Diskussion über Plagiatsfälle befürworten.

Ob gegen die Grundsätze guten wissenschaftlichen Arbeitens verstoßen wurden, kann man nur durch akribische Textvergleiche feststellen. Die Art und Weise, wie mit der Vorlage umgegangen wird ("z.B. "Verschleierung", "Bauernopfer") sagt etwas über die Bewusstheit der Abweichung vom gewünschten Verhalten aus.

Ich kann als Lehrbeauftragter nicht zu meinen Studenten sagen: "OK, die Arbeit ist ein glattes Plagiat, liest sich aber brillant". Wenn nicht nur einzelne Verstöße vorliegen, sondern sich die ungewünschte und nicht hinreichend gekennzeichnete Anlehnung an fremde Texte durch die ganze Arbeit zieht, kann auch ein sehr guter Gesamteindruck nicht davor bewahren, dass man den mit ihr erlangten Titel aberkennt.

Viel zu wenig wird im akademischen Kontext der Fall Martin Stone zur Kenntnis genommen, bei dem sehr viel dafür spricht, dass seine plagiierenden Veröffentlichungen exzellent sind, was den Gesamteindruck angeht. Sie fördern die wissenschaftliche Erkenntnis, tun dies aber auf eine Weise, die nicht den wissenschaftlichen Normen entspricht.

http://archiv.twoday.net/search?q=stone+plagi

Rechtfertigt der gute Gesamteindruck Verstöße gegen die wissenschaftliche Redlichkeit? Wenn es nur um den Erkenntnisfortschritt geht: ja. Wenn man eine faire und transparente Wissenschaft möchte, lautet die Antwort: nein.

***

Update:

http://plagiatsgutachten.de/blog.php/schavan-update-wie-waren-die-wissenschaftlichen-standards-vor-1980/

http://www.heise.de/tp/blogs/10/152995

https://hogymag.wordpress.com/2012/10/14/artikelkritik-christoph-titz-von-spiegel-online-analyse-von-schavans-doktorarbeit/

Katja Tichomirowa hat einen besonders unqualifizierten Kommentar zm Fall Schavan für die FR verfasst:

http://www.fr-online.de/meinung/kommentar-noch-gilt-die-unschuldsvermutung,1472602,20601496.html

"Der Promotionsausschuss hat die Unschuldsvermutung mit Füßen getreten, als er ein vertrauliches Gutachten an die Medien gab." Der Promotionsausschuss hat gar nichts an die Medien gegeben, offenbar ist das vertrauliche Gutachten über jemanden, dem es vorlag, an die Presse lanciert worden - womöglich aus politischen Gründen, was ich nicht billigen möchte.

Siehe auch
http://www.n-tv.de/politik/Uni-sucht-undichte-Stelle-article7487301.html

Aber wieso muss ein solches Gutachten, das Schlussfolgerungen aus hundertprozentig öffentlichen Quellen zieht, vertraulich sein? Wenn jeder, der etwas vom wissenschaftlichen Arbeiten versteht, aufgrund eigener Sachkenntnis das Vorliegen eines Plagiats beurteilen kann, kann es keine Unschuldsvermutung, wie sie im Strafrecht aus guten Gründen besteht, geben. Es ist Unsinn anzunehmen, als hätten universitäre Gremien eine Art Zauberformel zur Ermittlung von Plagiaten, über die die Öffentlichkeit nicht verfügt. Man könnte ein solches Verfahren, so schmerzhaft das für den Betroffenen sein kann, auch vollkommen öffentlich und transparent durchführen.

Wiederholte gravierende Verstöße gegen das Gebot der Gleichbehandlung aller Doktoranden durch Universitäten, die eindeutige Plagiate unter den Tisch kehrten, lassen mich ohnehin zu dem Schluss kommen, dass die Entscheidung über den Entzug der Promotion bei den universitären Gremien eher schlecht aufgehoben ist.

Als Plagiat muss in Hochschulbereich alles das gelten, was gegen die Verpflichtung, die jeder, der eine Arbeit an der Hochschule abgibt, eingehen muss, verstößt: dass nämlich die Arbeit selbstständig erarbeitet wurde und alle Quellen korrekt ausgewiesen werden.

Es ist ein Unding, dass Professoren (und in ihrem Gefolge eine offensichtlich inkompetente Presse) nun dazu tendieren, alles das als "handwerkliche Mängel, aber kein Plagiat" durchzuwinken, was nicht in etwa so schlimm ist wie Guttenbergs Verfehlung, die im übrigen zu keiner strafrechtlichen Verurteilung geführt hat. Der Maßstab kann nur das sein, was man im Proseminar jedem Studierenden einbläut bzw. einbläuen sollte. Die Wissenschaftsministerin der Bundesrepublik sollte man eher an einem strengeren Maßstab messen.

Gewiss, es gibt eine Grauzone zwischen dem, was noch als schlampige Arbeitsweise zu rechtfertigen ist, und dem, was zur Rückgabe der Arbeit an den Studenten bzw. zur Rücknahme eines verliehenen Titels führt, aber im Fall Schavan liegt diese Grauzone nicht vor. Schavan hat plagiiert.

Schvans und Guttenbergs Kartenspielertrick mit der Täuschungsabsicht sollte man nicht durchgehen lassen. Was sich jemand bei dem Schreibakt und bezüglich des Umgangs mit Quellen während einer Arbeit gedacht hat, kann niemand wissen und auch die eigene Erinnerung kann trügen. Es ist durchaus denkbar, dass im nachhinein betrachtet für Schavan die eigene Redlichkeit im Grundsatz außer Frage stand. Für die juristische Beurteilung, falls ein Gericht über den Titelentzug zu befinden hätte, ist das nicht relevant. Die Rechtsprechung urteilt da eher streng.

Ein Zitat aus der Schweiz (2011):

Ein Plagiat liegt nach wissenschaftlichen Standesregeln auch dann vor, wenn keine wörtliche Übernahme eines fremden Gedankenguts erfolgt, sondern der fremde Text in eigenen Worten oder mittels angepassten oder umgestellten Textteilen (sog. Paraphrasierung) wiedergegeben wird, unabhängig davon, ob die Übernahme des fremden Werkes urheberrechtlich zu beanstanden ist. Auch die Übernahme von unternehmensinternen Informationen und Dokumentationen muss mit Quellenangabe und bei einer wortwörtlichen Übernahme zusätzlich mit Anführungs- und Schlusszeichnen versehen werden, damit der Leser die Leistung des Autors erkennen kann. Globalverweisungen wie ein Verzeichnis der Gesprächspartner oder ein Sperrvermerk befreien den Verfasser einer universitären Projektarbeit nicht von der redlichen und wissenschaftlichen Anwendung der herkömmlichen Zitationsregeln.
http://www.gerichte.sg.ch/home/dienstleistungen/rechtsprechung/verwaltungsgericht/entscheide_2011/b_2011_102.html

Aus dem Entscheidungstext:

Das Gesetz umschreibt den Begriff des Plagiats nicht (G. Martin, Universitäres Disziplinarrecht – unter besonderer Berücksichtigung der Handhabung von Plagiaten, in: AJP 2007, S. 482). Als Plagiat wird gemeinhin der "geistige Diebstahl" im Sinn der ganzen oder teilweisen Wiedergabe fremden Geistesgutes als eigene Schöpfung verstanden (M. Rehbinder, Schweizerisches Urheberrecht, 3. Aufl., Bern 2000, Rz. 120; Martin, a.a.O., S. 482; Oftinger, Vom Handwerkszeug des Juristen und von seiner Schriftstellerei, 7. Aufl., Zürich 1986, S. 188; GVP 2005 Nr. 94 und GVP 2003 Nr. 100 je mit Hinweisen). Textstellen oder Gedanken eines anderen Autors dürfen wörtlich oder redaktionell verändert übernommen werden, soweit dies an Ort und Stelle als Zitat gekenn-zeichnet wird und die Quelle, d.h. die Fundstelle und – soweit vorhanden – der Urheber der Quelle, bezeichnet wird, wobei wortwörtlich übernommene Stellen in Anführungs- und Schlusszeichen zu setzen sind (GVP 2005 Nr. 94 mit Hinweis; R. Hilty, Urheberrecht Bern 2011, Rz. 231). Ein Zitat bedeutet also nichts anderes als die Übernahme fremden Geistesgutes ohne Anmassung der Urheberschaft (Martin, a.a.O., S. 483 mit Hinweis). Es dient der Deklaration fremder Erkenntnisse, der Information über abweichende Auffassungen anderer Autoren und Gerichtsentscheide, der Nennung von Belegstellen sowie dem Hinweis auf weiterführende Informationen. Mit dem Zitat soll der Leser somit darüber informiert werden, aus welchen Quellen der Autor sein Wissen schöpft, insbesondere, inwieweit er sich auf fremde Darstellungen und Ansichten stützt oder eigene Positionen entwickelt (P. Forstmoser/R. Ogorek/H.-U. Vogt, Juristisches Arbeiten, 4. Auflage, Zürich/Basel/ Genf 2008, S. 38 und 335; Oftinger, a.a.O., S. 185).

Falls fremdes Gedankengut in der eigenen Arbeit nicht als Zitat kenntlich gemacht wird, liegt ein Plagiat vor, da der Zitierende damit für den übernommenen Teil die Urheberschaft beansprucht. Ein solches Plagiat liegt zudem nach wissenschaftlichen Standesregeln vor, wenn keine wörtliche Übernahme des fremden Gedankenguts erfolgt, sondern der fremde Text in eigenen Worten oder mittels angepassten oder umgestellten Textteilen (sog. Paraphrasierung) wiedergegeben wird, auch wenn urheberrechtlich keine zu beanstandende Übernahme eines fremden Werkes gegeben ist (M. Rehbinder/A. Viganò, Urheberrecht, Kommentar, 3. Aufl., Zürich 2008, N 6 zu Art. 25; Hilty, a.a.O., Rz. 231; Forstmoser/ Ogorek/Vogt, a.a.O., S. 336 f.; Martin, a.a.O., S. 483 und 484). Der wissenschaftliche Verhaltenskodex betrifft sämtliche nicht autorisierte Verwendungen fremder Ideen, u.a. auch die Übernahme fremden, bloss gesprächsweise geäusserten Gedankenguts, etwa Hinweise auf geplante Projekte oder auf noch unveröffentlichte wissenschaftliche Ergebnisse (Forstmoser/Ogorek/Vogt, a.a.O., S. 336). Diese wissenschaftlichen Standesregeln gelten auch für universitäre Arbeiten, wie dies das Merkblatt "Zitat und Plagiat" der Universität St. Gallen vom 7. Dezember 2004/10. April 2007 deutlich festhält: "Immer wenn ein fremder Text oder anderes fremdes Gedankengut in die eigene Arbeit Aufnahme findet, muss unmissverständlich auf die Quelle hingewiesen werden. Dies gilt für wörtliche Zitate, aber auch für andere Bezugnahmen". Letzteres sind beispielsweise die vorlagengetreue Übernahme eines fremden Aufbaus oder nur sinngemässe Wiedergabe eines fremden Textes in eigenen Worten. Die Umstellung eines Satzes oder einer Satzfolge oder die Verwendung von Synonyma entbindet nicht davon, die Herkunft des Gedankenguts klar und genau offenzulegen (Oftinger, a.a.O., S. 187). Deshalb muss stets im Text, z.B. durch indirekte Rede oder durch eine als solche erkennbare freie Wiedergabe, und in einer Fussnote kenntlich gemacht werden, woher die Information stammt oder wessen Ansicht hier reformuliert wird (Forstmoser/Ogorek/Vogt, a.a.O., S. 337). Ein Plagiat liegt also mit anderen Worten vor, wenn gegen das Prinzip der Überprüfbarkeit verstossen und die Herkunft fremder Formulierungen, Gedanken, Thesen oder Argumente nicht offen gelegt wird (N. Ryser/S. Schlegel, Juristische Arbeiten erfolgreich schreiben und präsentieren, Zürich/Basel/Genf 2010, S. 26). Plagiate werden indessen nur dann verfolgt, wenn sie wesentliche Elemente einer wissenschaftlichen Arbeit ausmachen, und nicht bereits bei fehlender Substantiierung einer einzigen Belegstelle für einen geringen übernommenen Teil aus fremdem Gedankengut (Martin, a.a.O., S. 484).


Wer möchte, dass sich Studierende sich strikt an diese Regeln halten, kann Schavan nicht in Schutz nehmen. Solange die gesellschaftliche Karriere wesentlich auf dem einmal erworbenen Dr. aufbaut, ist es problematisch, analog zur Täuschung in der Schule oder bei Abschlussprüfungen eine Verjährungsfrist zu fordern. Übersehen wird in diesem Zusammenhang, dass Doktorgrade (nach 1945) auch entzogen werden können und wurden, weil sich ihr Träger als seines Standes unwürdig erwiesen hat.

Wenn ein ganzes Leben auf eine Lüge aufgebaut ist, dieser Ansicht war man jedenfalls im Aachener Nazi-Fall Schwerte/Schneider, darf man auch eine bürgerliche Existenz vollständig vernichten: "Man entzog Schwerte den Professorentitel und die Beamtenpension. Weil seine Habilitation betrügerisch erfolgt sei, wurden auch seine unrechtmäßig erworbenen Beamtenbezüge zurückgefordert – damit war Schwerte/Schneider finanziell ruiniert. Das Bundesverdienstkreuz musste er zurückgeben, einzig der Erlanger Doktortitel blieb ihm erhalten." (Wikipedia).

Schavan verliert "nur" ihren Doktortitel (wenn es dazu kommt, es wäre nur angemessen), sie wird nicht strafrechtlich belangt und muss, da sie als Wissenschaftsministerin ein Vorbild sein muss und sich in Sachen Guttenberg öffentlich über sein Verhalten geschämt hat, die politischen Konsequenzen tragen, also zurücktreten. Ob sie ihren Job seit ihrer Promotion gut gemacht hat, was viele bejahen werden, spielt dabei dann keine entscheidende Rolle mehr.

Schavan muss weg!

Archivalia zum Fall Schavan:

http://archiv.twoday.net/search?q=schavan

Armin Himmelrats Artikel wurde nun auch in "Forschung und Lehre" veröffentlicht:

http://www.wissenschaftsmanagement-online.de/converis/artikel/1794

Da wir gerade dabei sind: In Sachen Schavan zwei Voten aus der Blogosphäre zum weiteren Verlauf der Angelegenheit:

Schmalenstroer: "Autsch, das sitzt. So ein Votum kann eigentlich nur zum Entzug des Doktortitels führen."
http://schmalenstroer.net/blog/2012/10/plagiatsvorwrfe-gegen-annette-schavan/

Erbloggtes: "Der Drops ist an der Uni Düsseldorf gelutscht; dieses Votum kann nur zum Entzug des Doktortitels führen. "
http://erbloggtes.wordpress.com/2012/10/14/offene-fragen-zum-fall-schavan/

Man beachte den Gleichklang der Seelen! Nicht dass ich behaupten möchte, Schmalenstroer habe von Erbloggtes abgeschrieben ...

Foto Laurence Chaperon http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.de - gewidmet jaymz1980

Plagiatsjäger Stefan Weber analysiert den Abschlussbericht von Schavanplag zur Dissertation von Annette Schavan

http://plagiatsgutachten.de/blog.php/endbericht-zum-fall-schavan-tauschungsabsicht-ist-nachweisbar/

Frau Schavan hat nämlich wiederholt und methodisch so getan, als würde sie Originalliteratur gelesen haben (von Jakob von Uexküll über Sigmund Freud bis zu Martin Heidegger), hat aber nicht nur den Wortlaut der Originalautoren, sondern auch Interpretationen dieses Wortlauts von bei diesen Interpretationen ungenannten Quellen abgeschrieben. Damit erfüllt das Vorgehen Schavans jede Plagiatsdefinition, die es auch schon vor 1980 gab und die immer schon der kleinste gemeinsame Nenner einer Definition von “Plagiat” war: Ein Textplagiat ist eine unbefugte Aneignung fremder Ausführungen ohne Quellenangabe.

Der Bericht:

http://schavanplag.files.wordpress.com/2012/10/plagiatsdokumentation_schavan_09102012.pdf

Wir erinnern uns: Professor Gerd Schwerhoff, mit dem ich befreundet war, bevor er mir die Freundschaft aufkündigte, hat mir in einem Kommentar hier Tugendterror vorgeworfen, was dramatische Konsequenzen in der von mir administrierten Mailingliste Hexenforschung hatte. Schwerhoff mokierte sich dort über mich, Katrin Möller sprang ihm bei und verließ die Liste türenknallend, der wissenschaftliche Beirat der Liste ist dann - ohne Rücksprache mit mir - geschlossen zurückgetreten.

http://archiv.twoday.net/search?q=schwerhoff

Update: Ein dümmlicher Kommentar auf Spiegel Online
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/fall-schavan-jan-fleischhauer-ueber-plagiate-und-moderne-tugendwaechter-a-860733.html

http://www.welt.de/politik/deutschland/article109721723/92-heikle-Vorwuerfe-gegen-Annette-Schavan.html

Was ist das für ein absurdes Argument:

"Seine Glaubwürdigkeit stellen allerdings zwei Dinge in Frage: Die Richtigkeit der Vorwürfe lässt sich ohne Zugang zu einer umfangreichen philosophischen Bibliothek kaum überprüfen."
http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/plagiatsverdacht-gegen-schavan-doktorarbeit-mit-freud-schwaeche-a-860446.html

Hallo? Dann soll dieser Schreiberling eben in die Bibliothek marschieren und nachsehen, ob da alles korrekt ist, wovon prima facie auszugehen ist.

***

http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/doktorarbeit-von-annette-schavan-gutachter-erkennt-taeuschungsabsicht-a-861187.html

"Ein Gutachter der Uni Düsseldorf wirft ihr nach SPIEGEL-Informationen vor, in ihrer Dissertation getäuscht zu haben. In einer vertraulichen Analyse, die dem SPIEGEL vorliegt, schreibt er von einer "leitenden Täuschungsabsicht" und erkennt "das charakteristische Bild einer plagiierenden Vorgehensweise". 60 Textstellen auf 351 Seiten beanstandet er, jetzt muss die Fakultät entscheiden, ob Schavan ihren Titel verliert oder behalten darf."

PS: Ich finde es durchaus in Ordnung, wenn man sich über bestimmte Personen empört, diese auch mit einem großen Bild zu zeigen.

***

http://archiv.twoday.net/stories/172007898/

Foto Laurence Chaperon http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.de

Der Beitrag von 2005 wurde durch einen umfangreichen Nachtrag aktualisiert:

http://archiv.twoday.net/stories/914849/

Scharfe Vorwürfe erhebe ich dort gegen die Encyclopedia of Medieval Chronicle und das DLL-MA.

http://blog.handelsblatt.com/handelsblog/2012/02/21/das-schmutzige-geschaft-mit-zwangszitaten/

Anfang Februar ist in der Fachzeitschrift “Science” eine bemerkenswerte Studie erschienen: Die beiden US-Ökonomen Allen W. Wilhite und Eric A. Fong leuchten aus, wie sehr wissenschaftliche Fachzeitschriften versuchen, ihre Reputation zu manipulieren.

Im Kern geht es um die folgende Frage: Wie sehr werden Wissenschaftler, die eine Arbeit bei einer Fachzeitschrift einreichen, von den Herausgebern dazu genötigt, Arbeiten zu zitieren, die sie eigentlich gar nicht zitieren wollen?


Text des Aufsatzes
http://faculty.missouri.edu/~glaserr/3700s12/Science_Coercive_Citations_542.full.pdf
Materialien
http://www.sciencemag.org/content/suppl/2012/02/01/335.6068.542.DC1/1212540.Wilhite.SOM.pdf

http://www.hab.de/forschung/qualitaetssicherung/Bibliographie.pdf

Ulrich Herb stieß auf diese doch recht umfrangreiche Zusammenstellung zum Thema Peer Review:

http://www.scinoptica.com/pages/topics/auswahlbibliographie-zur-qualitaetssicherung-in-geistes-wissenschaftlichen-zeitschriften.php

 

twoday.net AGB

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