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Aus der Archivliste mit freundlicher Zustimmung von Herrn Simon:

auf dem 1. Blick scheint das ein sinnvolles Projekt zu sein. Ich weiß aber nicht, ob sich die Mitglieder darüber im Klaren sind, in welcher Tradition sie sich bewegen.

In jüngster Vergangenheit befasste sich damit eine Unterabteilung des >Instituts für deutsche Sprache< (IdS) in Mannheim mit der hier im Rahmen der Kommunikationswissenschaften zuständigen Verständlichkeitsforschung. Wie weit das gediehen ist bzw. ob es diese Abteilung noch gibt, weiß ich nicht (ich bin seit 2002 emeritiert und betreue nur noch umfangreiche Archivalienkopien zum Thema >Wissenschaft im 3. Reich<), können Sie im Übrigen am besten selbst recherchieren.

Das >IdS< wurde 1964 gegründet. Es verdankt sich Anregungen und Vorarbeiten der >Gesellschaft für deutsche Sprache< (GfdS) in Wiesbaden. Die GfdS beriet lange Zeit (vielleicht auch heute noch) die Bundesregierung z.B. bei der Abfassung von Gesetzen, v.a. um sie verständlicher zu machen.

Die GfdS ist faktisch die Nachfolgeorganisation des >Deutschen Sprachvereins< (DSV). Dieser wurde 1885 gegründet. Über seine wechselvolle Geschichte begann ich vor vielen Jahren ein Buch zu schreiben. Einiges aus diesem unfertigen Opus finden Sie unter:
http://homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon/muttersprache1.pdf
Einen kurzen Überblick finden Sie unter:
http://homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon/100JahreMspr.pdf
Der DSV war der erste Sprachpflegeverband, der überregional organisiert war. (Regionale) Vorläufer reichen bis in 16. Jahrhundert zurück. Sie waren meistens deutlich radikaler und manchmal nur auf Fremdwortjagd aus. Beim DSV war Fremdwortjagd auch noch bis in die 20er Jahre des 20. Jh. dominant. Mehr und mehr kamen aber andere Aspekte der Verständlichkeit in den Blick, z.B. die Abkürzungen. Ab 1920 wurde die Fremdwortkritik, für die Allgemeinheit unmerklich, heruntergefahren. Zumindest der Vorstand des DSV stellte hier Weichen, die aber selbst die Normalmitglieder kaum mitbekamen.

Auf Goebbels Polemik und Verbotsandrohung 1937 (auch sonst war das die Zeit der Verfolgung von Abweichlern und in Kleinigkeiten nicht konformen NS-Sekten) reagierte der DSV entsprechend gelassen und fühlte sich dadurch nicht getroffen.

Die GfdS riss ab etwa 1955 das Ruder radikal herum. Ihr Verbandsorgan (>Muttersprache<) wimmelt plötzlich von Fremdwörtern. Folge war die Bildung neuer Sprachgesellschaften, die wieder die alten Ziele (v.a. die Bekämpfung der Anglizismen) in den Mittelpunkt stellten. Seit den letzten zwei Jahrzehnten sind diese auch in der Öffentlichkeit wieder sehr aktiv.

Sprache ist nicht selten eine Eingangsdroge bzw. eine Vorform von Gewalt. Der noch heute vielzitierte Romanist Leo Spitzer schrieb am Ende des 1. Weltkriegs ein Buch, das das auf dem Punkt bringt: Titel: >Fremdworthass und Fremdenhatz<.

Wenn hier Verständlichkeitsprojekte explizit klare Grenzen ziehen, sich unter weitgehender Aggressionsabstinenz auf den vertretbaren Kern (v.a. im Hinblick auf Heranwachsende und Ausländer) konzentrieren, sich nicht ködern lassen von (rechts) politisch organisierten Gruppen, und auf eine einigermaßen wissenschaftliche Grundlage stellen, halte ich das für durchaus vertretbar. Anknüpfen kann man da, an die Erfahrungen, die man nach dem Vorbild von Ogdens >Basic English< mit dem Bemühen um einen Deutschen >Grundwortschatz< (seit den 50er Jahren) machte. Ogden orientierte sich seinerseits am Esperanto, eine der zentralen Vorbilder für die Erleichterung der Sprachverhältnisse. s.
http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/volltexte/2001/412/ bzw
http://homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon/Europagedanke.pdf

Ich habe sehr viele Archivalien in über 100 Archiven zum Thema >Sprachpflege< gefunden und vieles kopieren lassen. Momentan lasse ich diese Kopien digitalisieren. Ich denke, dass sie irgendwann im Jahre 2013 als Digitalisate zur Verfügung stehen. Einen Strich durch die Rechnung machen könnten da nur die massiven (v.a. von den Verlagen gesteuerten) Aktivitäten gegen die open-acces-Bewegung. Schon jetzt verlangt das Bundesarchiv, dass ich Archivalien über das Internet nur verbreite, wenn ich sie gegen das Herunterladen und Kopieren sperre. Für die wissenschaftliche Weiterverarbeitung von Informationen ist das ein elementarer Rückschritt bis hinter die 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts. S. dazu:
http://homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon/Open-access20120102.pdf
Verheißungsvoll ist da lediglich die Entwicklung in England:
http://www.guardian.co.uk/science/2012/jul/15/free-access-british-scientific-research

Freundliche Grüße
Gerd Simon
Burgholzweg 52
D-72070 Tübingen
Tel.: 07071-408828
Fax: 07071-440161
e-mail: gerd.simon@uni-tuebingen.de
Internet: http://homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon

Zitat von Thomas Wolf :

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

sind Ihnen archivische Beispiele für die Verwendung von "leichter
Sprache" bekannt (z. B. Publiaktionen [sic, KG], Führungen, Faltblätter etc.).
Informationen zu "leichter Sprache" finden Sie hier:
http://www.leichtesprache.org/ .

Vielen Dank vorab!

Mit freundlichen Grüßen
i.A.
Thomas Wolf
Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein
Gast (Gast) meinte am 2012/09/10 16:09:
"Vermeiden Sie den Genitiv.
Den Genitiv erkennt man oft an dem Wort: des.
Benutzen Sie den Dativ.
Den Dativ erkennt man oft an dem Wort: dem.
Schlecht: Das Haus des Lehrers.
Des Lehrers Haus.
Gut: Das Haus von dem Lehrer.
Das Haus vom Lehrer." (http://www.leichtesprache.org/downloads/Regeln_Netzwerk_Leichte_Sprache.pdf, S. 5)

So etwas kann man ja wohl nicht ernst nehmen... Ich sehe es ja ein, dass es sinnvoll sein kann, Fremdwörter und Abkürzungen zu vermeiden aber Verstümmelung von Grammatik und Satzbau? 
Wolf Thomas (Gast) antwortete am 2012/09/11 07:50:
Sprachpurist+"Nazikeule" vs. Versuch archivischer Inklusion?
Da Kollege Graf nicht abwarten konnte und die erste Antwort direkt hier publiziert hat, reagiere ich auf die Reaktionen. Gerne hätte ich mehr Zeit gehabt, um meine Idee abgerundeter vorzustellen.

1) Auch mir fallen die Regeln der "leichten Sprache" nicht leicht. Der Wegfall des Genetivs begegne ich als Rhinländer mit dem dort nicht unüblichen "rheinischen Genetiv" ("dem sing" übers.: "dem seine" ;-) ). Diese Brücke zur Umgangssprache hilft vielleicht beim Verfassen von Texten in "leichter Sprache".

2) Für den Hinweis zu den nationalsozialistischen Wurzeln "leichter Sprache" sei ausdrücklich und entgegen des provokanten Postingstitel gedankt. Er hilft zu sensibilisieren!

3) Gesucht sind tatsächlich Text archivischer Öffentlichkeitsarbeit in "leichter Sprache" bzw. Erfahrungsbericht von Archivführungen in "leichter Sprache".

4) Die Rundfrage brachte aber auch ein weiteres Ergebnis, an das ich nicht gedacht habe und die Anfrage quasi erweitert: wo gibt es Archivgut in "leichter Sprache"? 
KlausGraf antwortete am 2012/09/11 11:27:
Wir sollten unser Publikum nicht unterschätzen
"Vermeiden Sie alte Jahres-Zahlen.
Schlecht: 1867
Gut: Vor langer Zeit."

Werde ich mit Sicherheit bei Führungen nicht praktizieren. 
Wolf Thomas (Gast) antwortete am 2012/09/11 11:34:
Unterschätzen - ist auch eine meiner Sorgen, aber: es handelt sich nach jetzigem Stand der Dinge um "Kundschaft", die noch nicht eben häufig Archive benutzt hat. 
librarymistress (Gast) antwortete am 2012/09/11 13:53:
Ich kenne leider selber kein Beispiel aus dem Archivwesen (bin ja auch neu in dieser Branche), aber ein gelungenes Beispiel aus einem verwandten Bereich ist das Österreichische Jüdische Museum: http://www.ojm.at/ls/ - dafür gab's sogar den http://www.biene-award.de/. Zufällig war ich kurz nach der Verleihung in einem Kunstmuseum, wo es zur aktuellen Ausstellung einen Einleitungstext gab, bei dem ich als Textgewandte nach zwei Sätzen aufhörte zu lesen, weil er so mühsam war. Da hab ich dann einige Zeit über Barrieren in Kultureinrichtungen nachgedacht. 
Wolf Thomas (Gast) antwortete am 2012/09/11 14:50:
"leichte Sprache" - 2 Links:
@librarymistress Danke für das Beispiel!

Eine Homepage in "leichter Sprache" findet sich hier: http://gedenkort-t4.eu/de-ls

Auch auf Wikipedia sei verwiesen: http://de.wikipedia.org/wiki/Leichte_Sprache 
Gast (Gast) antwortete am 2012/09/11 17:08:
Probe auf's Exempel?
Ich bin da skeptisch. Kann denn ein Verfechter "leichter Sprache" die Probe auf's Exempel machen und hier einmal "leicht", aber aussagekräftig und ohne unfreiwillige Komik, die Aufgaben eines Archivs beschreiben, wie man das bei Führungen eben so macht? 
KlausGraf antwortete am 2012/09/11 17:37:
Ich bin kein Verfechter, aber:
Wir sind hier in einem - Achtung schweres Wort - Archiv. Das ist ein Haus, in dem sich alte Schriften befinden. Es gibt aber auch andere - Achtung schweres Wort - Unterlagen wie Fotos oder Filme darin. Die Schriften werden nicht wie in einer Bücherei gesammelt. Sie kommen ins Archiv, weil - Achtung schweres Wort - Behörden oder andere - Achtung schweres Wort - Einrichtungen sie ins Archiv bringen müssen. 
Wolf Thomas (Gast) antwortete am 2012/09/11 20:50:
Auch kein Verfechter, sondern ein Herausforderungssucher
Ich finde den Text schon sehr gelungen und halte meinen Versuch für noch stark überarbeitungswürdig:

"Was tun Archive?
Archive sind Häuser. Dort liegen alte Dinge/Sachen/Stücke. (Symboldbilder?)
Dies sind Briefe, Bücher, Fotos, Filme und DVDs

Diese Dinge sind einzigartig und wertvoll.
Jeder kann in Archiven diese Dinge/Stücke angucken.
Es gibt viele, unterschiedliche Archive im Kreis Siegen-Wittgenstein/in unserer Gegend. Alle sind wichtig.

Archive können viele Fragen beantworten:
Woher kommt meine Familie?
Was war früher in meiner Gegend los?
Wie hat mein Ort früher ausgesehen?

Wie arbeiten Archive?
Archiv-Arbeiter wählen nur die wichtigsten Dinge aus.
Dann ordnen sie diese Dinge.
Archiv-Arbeiter beschreiben die Dinge in Listen.
Die Listen helfen beim Suchen nach dem richtigen Stück.

Die Archiv-Arbeiter pflegen alle Archivdinge. Dann legen sie sie in Kartons. Und dann legen sie die Kartons in gute Lagerräume. Denn die Archiv-Stücke sollen lange halten.

(Bild ?)

Archive sind keine geheimen Orte. Jeder darf sie besuchen.
Archiv-Arbeiter zeigen gerne ihre Schätze. Und erklären sie.

Welches Archiv ist das richtige?
Archive haben eine bestimmte Zuständigkeit. So gehört ein Stadtarchiv zunächst einmal der Stadt. Es kümmert sich übernimmt wichtige Sachen der Stadt.
Auch Kirchen und Firmen haben Archive.
Alle Archiv-Arbeiter helfen bei der Suche nach dem richtigen Archiv.

Was sollten Sie vor dem Besuch eines Archivs wissen?

Sprechen Sie ein Besuch vorher ab.
Bringen Sie Zeit mit!

Die Benutzung findet immer im Archiv statt.
Archiv-Arbeiter helfen bei der Suche nach den richtigen Stücken.
Nicht alle Archiv-Dinge können kopiert werden. Denn sie dürfen nicht kaputt gemacht werden.
Archiv-Dinge sind manchmal in alter Schrift geschrieben. Man kann sie nur schwer lesen.
Archiv-Stücke kann man nicht sofort einsehen. Ein Gesetz sagt, ab wann Sie die Stücke einsehen können.
Archiv-Dinge sind Einzelstücke. Darum soll man vorsichtig mit ihnen umgehen.


Hier freuen sich die Archive auf Ihren Besuch! " 
Gast (Gast) antwortete am 2012/09/11 21:29:
Meine wahrscheinlich unpopuläre Meinung: Wer nicht fähig ist, die Aufgabenbeschreibung eines Archivs in nicht in "leichter Sprache" abgefasstem Deutsch zu verstehen, wird auch den Inhalt archivalischer Quellen - zumeist schriftl. Dokumente, die wesentlich schwerer verständlich sind, als Archiv-Faltblättchen - nicht umreißen. 
Wolf Thomas antwortete am 2012/09/11 21:52:
Gegenfragen:
- Warum führen wir dann Kindergärten? Weil wir kleine Genies "züchten" wollen?
- Warum kümmern wir uns nicht um Blinde? Weil wir den Aufwand scheuen?
Warum kümmern wir uns nicht um Lese- bzw. lerneingeschränkte Nutzende? Weil sie alleine den Inhalt der Quellen nicht erfassen?
- Warum aber sind eigentlich historische Bildbände und Ausstellungen historischer Bilder in Archiven der "Renner"? Weil unsere "kluge Klientel" sich intensiv mit der Quellengattung "Foto" auseinandersetzt? 
librarymistress (Gast) antwortete am 2012/09/12 10:15:
@Gast: bis zu einem gewissen Grad gebe ich Ihnen insofern recht, als für bestimmte Quellen Vorkenntnisse erforderlich sind und manche Bereiche einfach nicht barrierefrei gestaltet werden können. Aber auch BenutzerInnen mit Leseschwierigkeiten finanzieren das Archiv aus ihren Steuern. Auch diese BenutzerInnen wollen vielleicht ihre Familiengeschichte erforschen. 
Wolf Thomas (Gast) antwortete am 2012/09/12 10:19:
Was sagen eigentlich die Archivgesetze zur Nutzung?
In NRW - für mich maßgeblich - folgendes:
"§ 6 Nutzung
(1) Jeder [sic!] hat nach Maßgabe dieses Gesetzes und der hierzu ergangenen Benutzungsordnung das Recht, Archivgut auf Antrag zu nutzen, soweit aufgrund anderer Rechtsvorschriften nichts anderes bestimmt wird." 
ingobobingo antwortete am 2012/09/12 10:39:
Verbesserung
Bei konsequenter Vermeidung von dem Genetiv müsste es heißen:
"Was sollten Sie vor dem Besuch von einem Archiv wissen?"
Außerdem müsste das schwere Wort "Zuständigkeit" eine Übersetzung finden. 
Wolf Thomas (Gast) antwortete am 2012/09/12 13:23:
@ ingobobingo Danke für die Verbesserungen! Sie wurden in meinen Entwurf eingearbeitet. ´Mal sehen, wann ich - urlaubsbedingt - eine abgestimmte Version vorlegen kann. 
Peter Kunzmann (Gast) antwortete am 2012/09/13 14:48:
Lieber Herr Wolf,
dank Ihrer markanten Stimme sollte es Ihnen doch nicht schwerfallen, die Schrift-Akten des Kreisarchivs in Hör-Akten (analog zur segensreichen Erfindung der Hör-Bücher) umzuwandeln. Schön wäre es dann natürlich, wenn man die einfühlsam nacherzählten Dokumente gleich auf seinen iPod geladen bekäme: Legasthenischen Historikern (und solchen, die es werden wollen) muß die Chance gegeben werden, sich beim Joggen oder in der Sauna nebenbei von Archivalien berieseln zu lassen! Für die des Lesens nicht mächtigen Familienforscher wird als besonderer Service das singende klingende Stammbäumchen kreiert, auf Wunsch mit dezenter Vogelstimmenuntermalung.
Die allerwichtigste Anforderung an politisch korrekte archivische Öffentlichkeitsarbeit ist übrigens, dass das unverständliche Fremdwort "Archiv" dabei auf gar keinen Fall benutzt wird!
Gruß aus dem Altpapierlager,
P.K. 
Wolf Thomas antwortete am 2012/09/14 10:40:
s. auch hier: http://archiv.twoday.net/stories/142785192/ 
 

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