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Das Gutachten von Laufs et al. enthält 380 Seiten und einen nicht pagnierten Quellenanhang. Es liegt mir seit heute vor. Daher kann nur eine erste Einschätzung erfolgen.

Als Gemeinschaftsleistung von 4 Rechtshistorikern und 2 Historikern setzt es Maßstäbe für die wissenschaftliche Befassung mit seinem schwierigem Gegenstand. Es ist trotz des spröden Stoffs gut lesbar, und ich zögere nicht, es eine meisterhafte Studie zu nennen.

Das Gutachten ist - mit den noch zu nennenden Ausnahmen - absolut überzeugend. Es kann sich auf ein extrem breites Studium ungedruckter Quellen und gedruckter Literatur stützen.

Das Gutachten argumentiert im Kern ganz ähnlich wie ich in diesem Weblog. Hinsichtlich der Auffassung des Hausfideikommisses als Pertinenz der Landeshoheit gibt es keinen Dissens.

Am 8.11.2006 habe ich mit ausführlichem Zitat auf die wichtige Stelle bei Salza und Lichtenau zu Kronfideikommissen hingewiesen, die im Gutachten S. 95 ebenfalls ausführlich zitiert wird:
http://archiv.twoday.net/stories/2911243/

Am 10.11.2006 schrieb ich:

"Was das Domänenvermögen für die Immobilien, war der Hausfideikommiss für die Mobilien. Beides sah der Großherzog und die ihm nahestehenden Juristen als Patrimonialeigentum, beides war unveräußerlich. Beides ist als Pertinenz der Landeshoheit zu sehen. Es war nicht-staatliches Landesvermögen, das 1918 an den Staat mit seinem neuen Souverän, dem Volk, fiel."
http://archiv.twoday.net/stories/2919296/

Die von mir am 22.10.2006 aufgestellten Thesen zum Hausfideikommiss stimmen im wesentlichen mit den Resultaten der Kommission überein (es versteht sich von selbst, dass die Gutachter es unter ihrer Würde erachteten, auch nur ein einziges Mal auf Archivalia und die hier veröffentlichten Ausführungen, die gegenüber der bisherigen Literatur durchaus Neues boten, hinzuweisen):
http://archiv.twoday.net/stories/2835237/

Reickes Ansicht, die ich in These 9 zurückweise, wird auch von der Kommission nicht geteilt. Es gab keinen privaten Hausfideikommiss neben dem Hoffideikommiss.

Die von mir am 21.10.2006 herausgearbeiteten Grundsätze der Hausobservanz sind nach Auffassung der Kommission zutreffend.
http://archiv.twoday.net/stories/2832452/

Da mir die Testamente der Grossherzöge nicht zugänglich waren (das Haus Baden hat mir die Benutzung des Hausarchivs verboten) waren meine Annahmen zur Vererbungspraxis in den "Thesen" vom 22.10.2006 nicht völlig richtig. Die Grossherzoge haben durchaus in ihren Testamenten über Mobiliarverfügen gesonderte Verfügungen getroffen. Das zentrale Beweisstück der Kommission, das Testament von 1907, konnte ich nicht kennen, da es im mir verschlossenen Familienarchiv liegt (im Anhang des Gutachtens weitgehend wiedergegeben.)

Soweit in meinen Thesen der Eindruck erweckt wurde, die Grossherzöge seien durch die Hausobservanz gezwungen gewesen, ihr Mobiliarvermögen an den Hoffideikommiss fallen zu lassen, ergibt sich bereits aus dem Nachtrag zu meinem Beitrag vom 29.1.2007 zum Testament Grossherzog Ludwigs, dass dieser nicht nur Grund- und Geldvermögen, sondern auch Fahrnisse seiner illegitimen Brut (aus der dann Graf Douglas hervorging) vermachte:
http://archiv.twoday.net/stories/3248969/

Nach wie vor sehe ich im Jahr 1830 ein Schlüsseljahr für die badischen Kulturgüter. Die Kommission hat meine Beweisführung nicht aufgegriffen und kommt daher mindestens hinsichtlich des "Speculum humanae salvationis" zu einem meines Erachtens völlig unzutreffenden und das Land Baden-Württemberg schädigenden Resultat. Wenn die gesamte Privathinterlassenschaft Ludwigs 1830 an die Langensteiner fiel, muss das nach 1830 in den Sammlungen vorhandene Kulturgut grossherzoglicher Provenienz aus der Zeit vor 1830 zwingend zum Hausfideikommiss gehören. Damit ergibt sich, dass das vor 1827 im Kupferstichkabinett befindliche Speculum anders als die Kommission angibt, heute dem Land Baden-Württemberg gehört.

Weder hinsichtlich der weiteren Hinterlegungen in der Landesbibliothek noch hinsichtlich der Skulpturen der Kunsthalle ist das Resultat der Kommission, das diese dem Haus Baden zuweist, schlüssig. Es steht nicht im Einklang mit den überzeugenden eigenen Darlegungen zum Testament von 1907. Das Argument der mangelnden öffentlichen Widmung ist arg konstruiert.

Bei den Hinterlegungen verzichtet die Kommission auf den Hinweis, dass alle Erben Friedrichs I. heute zur gesamten Hand Eigentümer sind, wenn sie Privaterbe waren. Ohne Zustimmung der Miterben konnte sie Friedrich II. auch nicht testamentarisch der Zähringer Stiftung vermachen. Eine gesonderte Verfügung über die Hinterlegungen in der BLB trifft das Testament von 1907 nicht. Sie wurden daher nicht dem Nachfolger Friedrich II. zugewiesen. Wenn sie nicht dem Hoffideikommiss zufielen (was nach den Ausführungen der Kommission nahezu zwingend anzunehmen ist) stehen sie im Eigentum der Erben der Erben Friedrichs I. (die beiden Kinder zu drei Achtel, die Ehefrau zu zwei Achtel). Bei einem Ankauf durch das Land müssten alle Erbberechtigten detailliert ermittelt werden. Berechtigt wären insbesondere die Erben von Prinzessin Viktoria, Königin von Schweden, der Tochter Friedrichs I.

Bei den im Testament von 1907 eigens erwähnten Skulpturen verhält es sich anders. Hier hätte die Zähringer Stiftung einen Übereignungsanspruch gehabt, der aber verjährt sein dürfte.

Während ich geneigt bin, der Argumentation über den privaten Charakter der drei Schenkungen Wessenberg, Kopf und Jüncke mit einigen Bauchschmerzen zuzustimmen, hat eine Austellung über die Skulpturen aus dem Jahr 1920 (!) für mich keinen Beweiswert (S. 297f.). Die Vorstände der Sammlungen und zumal der Kunsthalle warfen Allerhöchstes Privateigentum und Hausfideikommissbesitz durcheinander. Nur wenn die aufgeführten Geschenke dem Monarchen als Privatmann galten, was bei Kopf und Jüncke belegbar ist, bei Wessenberg aber nicht über jeden Zweifel erhaben ist, da die Kunsthalle als potentieller Aufstellungsort erwähnt wird, konnte er diese als sein Privateigentum betrachten. 1920 hat man wohl Koelitz (Katalog der Gipsabgüsse 4. Aufl.) 1908 zu Rate gezogen, in dessen Skulpturenverzeichnis genau die 12 1920 aufgeführten Nummern, von denen heute noch vier Stücke in der Kunsthalle und eines wohl in Rastatt vorhanden sind, das Eigentums-Sternchen tragen. Eine so dürftige Grundlage trägt keinen Beweis. Niemand kann etwas vererben, was ihm nicht gehört. Der Grossherzog mag angenommen haben, Stücke gehörten ihm. Legt man den üblichen strengen Beweis-Maßstab der Kommision an, so kann das Eigentum des Hauses Baden an den Skulpturen der Kunsthalle (siehe Liste in
http://archiv.twoday.net/stories/4545456/ ) alles andere als erwiesen gelten.

Hinsichtlich des Vorkaufsrecht aufgrund des Stammgüteraufhebungsgesetzes von 1923 ignoriert die Kommission meine Ausführungen am 10.11.2006:
http://archiv.twoday.net/stories/2919296/

Dass der § 26, der für Salem als Liegenschaft einschlägig wäre, 1962 durch Bundesgesetz aufgehoben wurde, wird mit keiner Silbe erwähnt. Wäre es nicht denkbar, dass das Vorkaufsrecht des Landes aufgrund dieser Aufhebung (oder der durch Landesgesetz von 1983) gar nicht mehr besteht? Ich bin zwar überzeugt, dass es noch besteht, aber die Kommission hätte sich mit diesem wichtigen Umstand auseinandersetzen müssen, um Schaden vom Land abzuwenden.

Der grösste Dissens betrifft die Zähringerstiftung. Nach Ansicht der Kommission wurde sie wirksam errichtet, aber ihr Vermögen wurde ihr nicht wirksam übertragen. Eine detaillierte Auseinandersetzung muss ich auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Ich halte aber an meiner am 17.12.2006 geäußerten Ansicht über die wenigstens teilweise Vermögensausstattung der Zähringer Stiftung fest:
http://archiv.twoday.net/stories/3076941/

Ich habe die entscheidenden Argumente am 1.12.2006 aus den Akten über die Stiftung im hauptstaatsarchiv Stuttgart angeführt
http://archiv.twoday.net/stories/3009018/

"Damals ist man doch recht sorgfältig vorgegangen, in den Akten befindet sich auch eine detaillierte juristische Ausarbeitung zu den erbrechtlichen Fragen. Der Markgraf hatte sich zwar mit Präsident Schuhmann, dem Testamentsvollstrecker der ehemaligen Großherzogin Hilda, überworfen und durch Camill Wurz ein Rechtsgutachten anfertigen lassen, demzufolge der Testamentsvollstrecker des Markgrafen zuständig sei, scheint sich letztlich aber doch mit Schuhmann abgefunden zu haben. Am 23. November 1956 wird vermerkt, der Markgraf, Präsident Schuhmacher als Testamentsvollstrecker und das Kultusministerium hätten sich über die Satzung geeinigt. Schuhmann habe als Testamentsvollstrecker der Satzung zugestimmt.

Daraus lässt sich wirklich nur der Schluss ziehen, dass die dingliche Übereignung zugunsten der Stiftung tatsächlich formgerecht stattgefunden hat, denn die Verfügung über den Nachlass hat nach dem BGB der Testamentsvollstrecker zu treffen, soweit einer eingesetzt wurde. Aufgabe des Testamentsvollstreckers ist es, dass die Stiftung errichtet wird und der Stiftung die ihr zuständigen Vermögensgegenstände zu übertragen, heisst es in einer Stellungnahme vom 12. Mai 1953 ausdrücklich."

Die für mich entscheidende Frage des Testamentvollstreckers übergeht die Expertenkommission (S. 184). Damit ist in einem sehr wichtigen Punkt, das sonst meist sorgfältig argumentierende Gutachten mit einem Mangel behaftet. Entgegen der Darstellung des Gutachtens war den Zeitgenossen das Übereignungsproblem sehr wohl klar, sie haben es unter dem Gesichtspunkt der Zuständigkeit des Testamentsvollstreckers der Grossherzogin diskutiert. Angesichts der damals vorgenommenen juristischen Überlegungen zu den erb- und stiftungsrechtlichen Sachverhalten, die mit den Beteiligten sicher auch mündlich erörtert wurden, erscheint die Annahme grober Fahrlässigkeit der Stiftung verfehlt. Folgt man den Resultaten des Gutachtens in diesem Punkt, so würde dies eine Ersitzung der Wessenberg-Sammlung in Konstanz bedeuten, die damit Stiftungseigentum wäre.

Nach der von mir vertretenen Auffassung ist die Zähringer Stiftung mit den von den Gutachtern dem Haus Baden zugesprochenen Sammlungen Wessenberg, Kopf und Jüncke rechtswirksam ausgestattet worden. Dies entspricht unstrittig dem Stifterwillen, Friedrichs II. und wäre wohl auch im Sinne der Erststifter Wessenberg, Kopf und Jüncke.

Diese Sammlungen müssen nicht vom Land BW erworben werden, ebensowenig wie die Hinterlegungen in der Landesbibliothek und die Skulpturen der Kunsthalle. Aufgrund der Einigung von 1919 kommen zum Ankauf nur in Betracht die von der Kommission benannten Archivalien im Generallandesarchiv sowie die nachträglich an die BLB abgegebenen Hebel-Handschriften und Tulpenbücher. Allerdings hat das Land hier ein dauerndes Besitzrecht. Hinzu kommen die Deposita im GLAK, über die 1919 nichts bestimmt wurde (Salemer Urkunden u.a.). Ein Ankauf wäre sinnvoll, um bei den mit mit Genehmigung des Hauses Baden einsehbaren Beständen eine angemessene archivische Nutzung durch die Wissenschaft sicherzustellen.
 

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