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Prof. Dr. jur. Dieter Nennen gibt vor, in der Frage der unglücklichen Äußerung der Kölner Archivleiterin, die soviel Aufsehen erregte

http://archiv.twoday.net/stories/5583394/

Ahnung zu haben, hat aber leider kaum einen blassen Schimmer.

Zutreffend schließt Nennen zunächst einen urheberrechtlichen Anspruch aus.

Er kommt dann aber zu den falschen Fazit:

Wer Kopien von Archivalien anfertigt oder erhält, darf diese für seine wissenschaftlichen Zwecke nutzen und ggf. im Rahmen einer Dissertation und eines Buchprojekts veröffentlichen (= nahe liegend). So sprach auch das OLG Köln dem Verfasser einer Doktorarbeit das Recht zu, Fotos von indonesischen Schattentheaterfiguren zu veröffentlichen. Die Bilder hatte der Doktorand in den Privaträumen des Figurensammlers mit dessen Einverständnis gefertigt.

Über die (konkreten) wissenschaftlichen Zwecke hinaus gehende Rechte sind nicht eingeräumt. Hierzu gehören auch Rechte zur öffentlichen Zugänglichmachung von Bildern des fremden Eigentums im Internet. Die Leiterin des Stadtarchivs Bettina-Schmidt-Czaia könnte die Veröffentlichungen des „Digitalen Historischen Archivs Köln“ mithin untersagen.


Wir haben hier die Rechtsfragen des öfteren differenziert erörtert. Zur Frage der Reproduktion habe ich nach der Kölner Äußerung die wichtigsten Punkte zusammengestellt:

http://archiv.twoday.net/stories/5586317/

Nennen verweist auf das Potsdamer Skandalurteil, das aber nicht rechtskräftig ist:

http://archiv.twoday.net/stories/5337065/

Die wichtigste juristische Stellungnahme zur Frage des Fotografieren von fremdem Eigentum aus der letzten Zeit ist die von mir ausführlich besprochene Dissertation von Lehment 2008, die der gescheite Rechtsanwalt und FH-Professor gar nicht zu kennen scheint und die zu anderen Ergebnissen kommt als er:

http://archiv.twoday.net/stories/5333018/

Das entscheidende Gegenargument beim Kölner Stadtarchiv ist jedoch das von Nennen mit keiner Silbe erwähnte Archivgesetz NRW, das die Nutzung der öffentlichen Sachen im Kölner Stadtarchiv, die zugleich Eigentum der Stadt Köln darstellen, abschließend regelt. Für das Geltendmachen einer privatrechtlichen Restherrschaft ist kein Raum, da das Eigentum völlig von der öffentlichrechtlichen Zweckbestimmung der Archivalien überlagert wird. Das Archivgesetz betrifft nicht nur Fälle wissenschaftlicher Nutzung, sondern jede Art von Nutzung.

Ich habe zum Ganzen 1994 ausgeführt (seit 1997 online unter
http://www.histsem.uni-freiburg.de/mertens/graf/kultjur.htm )

Entgegen der von Pütz (S. 25) wiedergegebenen Rechtsauffassung der Kultusministerkonferenz haben öffentliche Institutionen nicht wie private Eigentümer das Recht, mit ihrem Eigentum nach Belieben zu verfahren. Vielmehr unterliegen die von ihnen verwahrten Kulturgüter als öffentliche Sachen einem öffentlichrechtlichen Regime, das die zivilrechtlichen Eigentümerbefugnisse überlagert. Sieht man die Allgemeinzugänglichkeit als Zweckbestimmung (oder "Widmung") von Kulturgut an, so kommen Zugangsbeschränkungen - etwa ein Fotografierverbot - nur in Betracht, wenn Rechte Dritter (z.B. Persönlichkeits- oder Urheberrechte) gewahrt werden müssen oder wenn konservatorische Rücksichten sie erforderlich machen. Als indirekte Gewährleistung des Zugangsrechts der Öffentlichkeit zählt die Erstellung von Vervielfältigungen zur bestimmungsgemäßen Inanspruchnahme von Kulturgut. Damit ist aber für eine Berufung auf die Eigentümerposition kein Raum. Selbst wenn man die begehrte Nutzung jenseits des Bestimmungszwecks ansiedeln wollte, müßte die Institution auf die Grundrechte und andere öffentliche Aufgaben Rücksicht nehmen (BVerwGE 91, 135 = NJW 1993, S. 609 mit Anm. Schlink).

Unzutreffend ist es auch, wenn Pütz (S. 25) sich auf die BGH-Entscheidung "Schloß Tegel" von 1974 beruft, obwohl sie durch die BGH-Entscheidung "Friesenhaus" von 1989 (LM § 903 BGB Nr. 10) dogmatisch überholt erscheint. Richtig ist vielmehr: In seiner Entscheidung "Friesenhaus" hat der BGH grundsätzlich zum Verhältnis von Immaterialgüterrecht und Sachenrecht Stellung genommen. Ein Ausschließlichkeitsrecht an der Abbildung einer Sache läßt sich aus dem Eigentumsrecht an der Sache nicht ableiten. Liest man das jüngere Urteil genau, so stellt man fest, daß der BGH in "Friesenhaus" der grundsätzlichen (und durchweg überzeugenden) Kritik Küblers (FS. F. Baur, 1981) an "Schloß Tegel" ausgiebig Rechnung getragen hat. Die Schlüssigkeit der dogmatischen Abgrenzung von Sachherrschaft und Urheberrecht hängt dabei aber überhaupt nicht davon ab, ob die Fotografie von einer allgemein zugänglichen Stelle angefertigt wird. Wenn das äußere Erscheinungsbild einer Sache nicht vom Zuweisungsgehalt des Eigentums erfaßt wird [Anm. 1], so gilt dies auch, wenn der Fotograf einen Meter vortritt und nun auf privatem Grund steht.

Mit "Friesenhaus" kehrte der BGH gewissermaßen zu der von ihm 1965 in "Apfel-Madonna" vertretenen Linie zurück. An "Schloß Tegel" hatte Löhr (WRP 1975, S. 524) zurecht beanstandet, daß die Zuweisung eines quasiurheberrechtlichen Verbietungsanspruchs an den Eigentümer diesem "eine auf gemeinfreie Werke ausgreifende Rechtsmacht" verleiht, "mit der die rechtspolitischen Gründe für die begrenzte Dauer des Urheberrechts kurzerhand beiseitegeschoben werden".

Gleiches muß auch für fiskalisch motivierte öffentlichrechtliche Zugangsbeschränkungen gelten. Es gibt außerhalb des Urheberrechts kein "Veröffentlichungsrecht" oder "Copyright", das öffentliche Institutionen ihren Benutzern verleihen könnten. Für den Genehmigungsvorbehalt bei der Edition von Bibliothekshandschriften hat dies ein Gutachten des Bibliotheksjuristen J. Chr. Gödan ausführlich begründet [Anm. 2]. (Gödans Argumentation läßt sich übrigens ohne weiteres auch auf Abbildungen bzw. Fotografien übertragen.) Durch die Kompetenzzuweisung in Art. 73 Nr. 9 GG ist es sogar dem Landesgesetzgeber verwehrt, einen quasiurheberrechtlichen Sonderschutz für Kulturgut in öffentlichen Sammlungen zu schaffen.


Das halte ich nach wie vor für richtig und den kaum von Sachkenntnis getrübten Schnellschuss von Prof. Dr. jur. Nennen für unbeachtlich.
 

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