Allgemeines
Architekturarchive
Archivbau
Archivbibliotheken
Archive in der Zukunft
Archive von unten
Archivgeschichte
Archivpaedagogik
Archivrecht
Archivsoftware
Ausbildungsfragen
Bestandserhaltung
Bewertung
Bibliothekswesen
Bildquellen
Datenschutz
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
null

 
Bewertungsfragen sind auch in diesem Weblog alles andere als populär. Man kann ziemlich rasch die einschlägigen Beiträge unter

http://archiv.twoday.net/topics/Bewertung/

sichten.

Die politische Debatte über die Kassation der Stasi-Akten, die von der Birthler-Behörde mit archivischen Gepflogenheiten begründet wird

http://archiv.twoday.net/stories/6315338/

zeigt für mich, dass wir entschieden weg müssen von den archivischen Dogmata, die den gesellschaftlichen Diskurs über Kassationen kleinzuhalten bestrebt sind.

Dass Archivare im Lauf der Archivgeschichte gravierende Fehlentscheidungen, die ihrer Natur nach irreversibel sind, gefällt haben, steht außer Zweifel. Mit der die Öffentlichkeit für dumm verkaufenden Binsenweisheit, dass das Hauptgeschäft bei der Aktenübernahme nun einmal das Kassieren ist, lässt sich noch die abstruseste Vernichtung wertvoller Unterlagen begründen.

Aber solange Historiker und die kritische Öffentlichkeit sich nicht an der fachlichen Bewertungsdebatte beteiligen, wird es immer nur ein Strohfeuer geben.

Ich plädiere ganz bewusst für die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung der Entscheidungen im Bereich der Überlieferungsbildung:

http://archiv.twoday.net/stories/2699909/

Zitat: "Archivare sind, wenn sie bewerten, nicht unfehlbar. Eine Kontrolle ihrer Entscheidungen durch Wissenschaft, Öffentlichkeit und - notfalls - auch durch die Gerichte ist nicht nur sinnvoll, sondern auch geboten!"

Andrew Huff http://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/deed.en
Faszikel meinte am 2010/04/30 09:02:
Sind Archive bei gerichtlichen Überprüfungen der richtige Adressat?
Dass die Menschen (und damit leider auch Archivare) fehlbar sind, liegt in der Natur der Dinge. Insofern wird es wohl immer im Rückblick die eine oder andere zu bedauernde (Fehl-) Entscheidung geben. Eine nachvollziehbare, begründete Bewertungsentscheidung ist natürlich zu fordern, aus obigem Grund sogar umso stärker. Das hilft zwar nicht mehr bei vernichteten Unterlagen, aber man kann so den Weg nachvollziehen und Lehren ziehen.

Gegen eine Einschaltung anderer Gremien, Institutionen, "der Öffentlichkeit" usw. wäre unter dem Aspekt der Beratung bei der Entscheidung auch wenig einzuwenden. Allerdings: wie gut sind solche "Externe" im Überblick der Überlieferungsbildung, um da mitreden zu können? (Stichwort: vertikale und horizontale Bewertung) Ich entsinne mich eines ziemlich verdutzten Historikers, als ich ihm erklärte, dass wir keineswegs alles archivieren, sondern einen erheblichen Anteil der behördlichen Unterlagen als nicht archivwürdig vernichten.

Bei einer Möglichkeit der gerichtlichen Entscheidung der Überlieferungsbildung muss die Frage geklärt werden, wer der "Gegner" bei einer solchen Streitfrage wäre. Das Archiv bzw. die Archivarin oder der Archivar? Wer wollte da als Archivar noch freiwillig etwas kassieren, wenn es vor Gericht um unbestimmte Begriffe wie "historisch wichtig", "heimatkundlich bedeutend" oder so geht? Klagt als nächstes jemand, weil die ihn interessierende Akte nicht optimal erschlossen ist oder eine Erschließung neuer Abgaben ihm zu lange dauert?

Eine weit gespannte und sogar gerichtliche Bewertungsdiskussion im Nachhinein, also ab dem Zeitpunkt, wenn eine Unterlage beim Produzenten nicht mehr benötigt wird, ist aufgrund des Zeitfaktors kaum praktikabel. Schon jetzt heisst es doch immer wieder gegenüber dem Archiv: "Wir sondern aus. Holt was ihr wollt morgen ab, sonst ist das Zeug im Container!"

Ein gangbarer Weg im Sinne der Rechtssicherheit ist vielleicht eher, schon bei der Aktenbildung Aufbewahrungsfristen bzw. "archivwürdige" Aktenzeichen zu definieren. Damit wäre auch im Vorfeld viel geholfen, denn schließlich werfen immer wieder Behörden (ungefragt) Unterlagen weg. Allerdings: Im Zeitalter von schnelllebigen Behördenreformen könnte eine Bewertungsliste rascher überholt sein als sie angefertigt wurde. 
Wolf Thomas antwortete am 2010/04/30 09:38:
Öffentliche Bewertungsdiskussion!
Schon lange ist es mein Anliegen eine breite (!) öffentliche Bewertungsdiskussion zu führen. Historiker werden zwar bei der der Entwicklung von Bewertungsmodellen hinzugezogen, so z. B. bei den Archivierungsmodellen des Landesarchivs NRW. Doch letztlich ist dies noch eine Elfenbeinturm-Diskussion.
Juristische und gar politische Auseinandersetzungen zu diesem Thema werden sicherlich weit mehr wahrgenommen. Wollen Archivierende dies? Die Aufgabe des Monopols? Ja, warum nicht! Denn nachvollziehabre Bewertungsentscheidungen auf breiter Basis verhindern das ungute Gefühl, das bei "Massenvernichtungen" von potentiellen Archivgut aufkommt. 
WernerLengger meinte am 2010/04/30 10:21:
Da bin ich anderer Meinung
Das Feld der Bewertung ist ein weites, das nicht mit wenigen Sätzen "beackert" werden kann. Daher nur soviel: Eine gerichtliche Überprüfbarkeit von archivarischen Bewertungsentscheidungen halte ich - ehrlich und auf bayerisch gesagt - für einen Schmarrn. Mein Vor-Kommentator Faszikel hat bereits gute Gründe dafür genannt. Soll ein Gericht kompetenter beurteilen können, ob eine Bewertungsentscheidung richtig oder falsch war, als ein erfahrener Archivar resp. Archivarin?
Dass man sich Ideen für die Bewertungsdiskussion auch von außen holen kann, ist einsichtig. Aber die Bewertungsentscheidungen haben letztlich nur wir Archivarinnen und Archivare zu treffen, dafür wurden wir ausgebildet und dafür werden wir - mehr oder weniger gut - bezahlt! 
Wolf Thomas (Gast) antwortete am 2010/04/30 10:47:
Schmarrn hin oder her
1) Bewertungsentscheidungen beruhen auf gewissen Grundsätzen. Es gibt nachvollziehbare, veröffentliche Hilfsmittel, die NRW-Archivierungsmodelle habe ich bereits genannt und auf die BKK-Dokumenationsprofile sei hingewiesen. Für Massenakten muss doch hier nicht ernsthaft auf die Bucholzsche Dissertation erwähnt werden.
Für komplexere Fälle scheint eine Begutachtung einleuchtend. Ein nicht unübliches Vorgehen innerhalb der Gerichtsverfahren.
2) Ich habe nirgends gelesen, dass die Entscheidung auf andere übertragen werden soll. Nur das Verfahren muss transparenter werden. 
 

twoday.net AGB

xml version of this page

powered by Antville powered by Helma