Allgemeines
Architekturarchive
Archivbau
Archivbibliotheken
Archive in der Zukunft
Archive von unten
Archivgeschichte
Archivpaedagogik
Archivrecht
Archivsoftware
Ausbildungsfragen
Bestandserhaltung
Bewertung
Bibliothekswesen
Bildquellen
Datenschutz
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
null

 

Open Access

Mehrmals täglich spült Twitter irgendeine bescheuerte Äußerung zum Internet, Urheberrecht, Google oder zu Open Access an. Es wäre viel zu langweilig und zu ermüdend, sich jedesmal an eine sachliche Widerlegung zu machen.

Das dümmste Zitat des Tages war für mich:

Für den frisch wiedergewählten Vorsitzenden des Verband Südwestdeutscher Verleger (VSZV), Valdo Lehari, ist sogar „Schluss mit lustig mit kostenlos“. Im Internet finde „Diebstahl geistigen Eigentums“ durch das Kopieren von Artikeln oder Verknüpfen auf andere Web-Seiten statt.

swp.de/nachrichten/lokal/Lokal;art867,147528 (extra nicht als Verknüpfung markiert)


Die Open-Access-Bewegung diskreditiert sich, wenn sie intransparent Informationen der Öffentlichkeit vorenthält, auf die diese ein Anrecht hat. "Open" bezieht sich primär auf gratis und libre Zugang zu Forschungstexten, ist aber doch ganz und gar nicht zu trennen von der zugrundeliegenden Publikationsethik, die in jeder Beziehung keinerlei Angriffspunkte bieten sollte. Ein ganz und gar korruptes Publikationssystem, das Open Access ist, ist kein wirklicher Forschritt.

Erinnert sei an den Deal zwischen der Uni Göttingen und Springer - ich erhielt keine Auskunft über den Vertrag. Nun hat Philip Davis bei fünf Universitäten nach Open-Access-Funds nachgefragt und keine zufriedenstellende Auskunft erhalten:

http://scholarlykitchen.sspnet.org/2009/05/13/dark-secrets-oa-apc/

Peter Glaser, Ex-Unterzeichner des Heidelberger Appells, wird vom Küchenradio ellenlang interviewt, wobei der Interviewer in Sachen Google Books erheblich kompetenter ist als Glaser:

http://kuechenradio.org/audio/090513_KR_Glaser.mp3
http://www.kuechenradio.org/wp/?p=391

Sehr treffend bemerkt der Interviewer, dass Glaser sich eigentlich nicht hinreichend über das Settlement informiert hat.

Damit steht er ja nun leider gar nicht allein, siehe nach wie vor:

http://archiv.twoday.net/stories/5607112/

Der Interviewer hält Glaser richtig vor, dass sich das ganze Settlement ausschließlich auf den Abruf in den USA bezieht. Das stimme ja nicht, meint Glaser, er habe Dissertationen von Leuten in Google Books gesehen, und das sei ja auch klar, wenn die Bayerische Staatsbibliothek Google scannen lässt.

Das ist einfach nur FALSCH: Die BSB hat Google KEINE Erlaubnis gegeben, nicht-gemeinfreie , noch geschützte Bestände zu scannen.

Glaser unterscheidet mal wieder nicht die Darbietungsformen.

Sind die Dissertationen von Google in US-Bibliotheken gescannt worden, dann sind sie nicht als Volltext, sondern nur als Schnipsel zugänglich. Seit vielen Jahren ist bekannt, dass Google das macht; 2006 hat die Wissenschaftliche Buchgesellschaft bereits einen Prozess dazu angestrengt; nach Hinweis des Gerichtes hat sie den Antrag auf einstweilige Verfügung zurückgezogen.

Ist mehr zugänglich, dann hat Google vom Verlag die Erlaubnis erhalten, eine eingeschränkte Vorschau anzubieten. Ob die Verlage dazu in jedem Fall befugt sind, ist eine andere Frage.

http://futurezone.orf.at/stories/1603114/

Armin Medosch sprach mit Falk Reckling vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) über Open Access in Österreich.

Zitat:

ORF.at: Wie sehen die Reaktionen seitens der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus?

Reckling: Also, negative Reaktionen haben wir bisher noch nie bekommen. Aber es ist natürlich ein langfristiger Prozess. Die Anträge für Kostenübernahme sind Jahr für Jahr gestiegen. Wir haben jetzt noch Aktionen in Planung, die das auch für Buchpublikationen möglich machen werden. Wir hatten letztens eine Veranstaltung mit Verlagen, bei der wir ihnen angeboten haben, einen Open-Access-Zuschuss zu zahlen, wenn sie das Buch zeitgleich oder zeitnah veröffentlichen. Das haben auch die Verlage sehr positiv aufgenommen.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30291/1.html

Kohle thematisiert auch die selten angesprochene Problematik der in Deutschland üblichen Druckkostenzuschüsse.

Abgesehen von einigen wenigen Spitzenverlagen, deren Qualitätsbewusstsein und Marktmacht so groß sind, dass sie relativ hohe Auflagen an den Mann und an die Frau bringen können ("hoch" heißt hier in aller Regel aber im Höchstfall eine mittlere vierstellige Auflage), drucken Wissenschaftsverlage in ihrer Mehrzahl Auflagen von 400 bis allenfalls 1000 Stück.

Diese niedrigen Auflagen, von denen in den ersten Jahren vielleicht die Hälfte verkauft wird, erfordern einen Druckkostenzuschuss, der vom Autor erbracht wird bzw. von privaten oder öffentlichen Institutionen. Dieser Druckkostenzuschuss, der in bildwissenschaftlichen Fächern wie der Kunstgeschichte zusätzlich durch Reproduktionskosten in die Höhe getrieben wird, kann leicht einen niedrigen bis mittleren 5-stelligen Betrag erreichen, Zuschüsse vom Umfang des Kaufpreises eines Mittelklassewagens stellen durchaus keine Seltenheit dar. Am Ende steht dann der Verkaufspreis des Buches im Handel, bei wissenschaftlichen Büchern sehr variabel, aber ebenfalls in einen niedrigen dreistelligen Bereich hineinragend.

Es soll hier nicht behauptet werden, dass die Verlage bei diesem Geschäft übertriebene Kosten geltend machen würden. Verwundern muss allerdings, dass die klassische Verlagsaufgabe, nämlich das Lektorat, in den allermeisten Fällen gar nicht mehr realisiert wird, was zu den bekannten morosen Reaktionen angesichts fehlerbehafteter Bücher im Rezensionswesen führt. Viel wichtiger ist der Hinweis darauf, dass das Geschäftsmodell selber offenbar obsolet ist, denn wenn die Verlage häufig noch nicht einmal die Kernaufgabe des Redigierens und Lektorierens bedienen können, sind die Produktions- und Personalkosten offenbar so hoch, dass schon daraus die hohen Zuschüsse resultieren.

Wenn Alternativen am Horizont auftauchen, dann dauert es erfahrungsgemäß nicht mehr lange, bis diese Alternativen auch realisiert werden. Denn die üblichen Strategien speziell der Geisteswissenschaftler, sich gegenüber wirtschaftlichen Argumenten dadurch zu immunisieren, dass man diese für prinzipiell geistfeindlich hält, dürften reine Rückzugsgefechte sein.

Mit dem Open Access sind diese Alternativen natürlich längst vorhanden. Die genannten Reserven verhindern vorläufig, dass sie in der Breite realisiert werden, daneben natürlich auch die Interventionen der Verlage. Stellt Open Access tatsächlich eine existentielle Bedrohung für die Verlage dar?

Man könnte sagen, dass das keine Rolle spielt, die Geschichte habe im Zuge technologischer Innovation immer Opfer hinterlassen. So radikal zu argumentieren aber verhärtet die Fronten, und es scheint mir auch nicht angemessen. Sieht man in der inhaltlichen Betreuung eines Buches die zentrale Aufgabe eines Verlages – und nicht nur in der technischen Drucklegung und im Vertrieb –, so könnte sich im Open Access für die Verlage sogar eine Zukunftsperspektive ergeben. Denn ein Text im Internet ist genauso redaktionsbedürftig wie einer im Druck. Die Geldgeber für die Zuschüsse müssten sich dann auf diese neuen Bedingungen einstellen, was sie angesichts der Tatsache, dass sie dann im Normalfall deutlich billiger davon kämen, sicherlich auch tun würden.

Im übrigen aber wird immer wieder ein Argument übersehen, das paradox scheint, bei näherem Hinsehen aber auch für das Verlagswesen ausgesprochen optimistisch stimmt. Offenbar verhindert die Volltext-Publikation eines Textes im Internet dessen Erfolg als gedrucktes Buch nicht, sondern befördert ihn sogar. Wie das? Allein die Werbefunktion, die ein im Netz veröffentlichtes Buch besitzt, ist so groß, dass sich viele finden, die dieses Buch gerne lesen wollen. Da sie darauf aber am Bildschirm nicht erpicht sind, neigen sie, wie eine Reihe von Untersuchungen belegt, zum Kauf der gedruckten Version. Und zwar häufiger, als wenn diese gedruckte Version ausschließlich existieren würde, da von ihrer Existenz viele Interessierte nichts erfahren haben.

Bedingung dafür wird allerdings sein, dass der Verkaufspreis die Kosten für den Ausdruck auf einem Drucker nicht weit übersteigt. Wenn man hinzunimmt, dass in nächster Zeit in großen Buchhandlungen Maschinen aufgestellt werden, die ein Digitalisat on demand ausdrucken, dann dürfte hier auch ein Geschäftsmodell entstehen, das sich von den Kosten her entschieden bescheidener als das traditionelle Verfahren ausgestalten lässt.


Kohle verlinkt
http://delicious.com/Klausgraf/monograph_open_access

Eine ausführliche Erwiderung:

http://blog.a-cubed.info/index.php?p=160

http://digitheque.ulb.ac.be/fr/news/news-single-digitheque/index.html?tx_ttnews[tt_news]=381&tx_ttnews[backPid]=2218&cHash=cc1ce69139

Die Bücher stammen aus den Reihen:

Problèmes d’histoire du Christianisme
Problèmes d’histoire des religions
Etudes du XVIIIe siècle

Wissenschaftsgigant Elsevier musste zugeben, in Australien sechs medizinische PR-Publikationen, die wie Zeitschriften wirkten, veröffentlicht zu haben:

http://www.biotechnews.com.au/article/302514/elsevier_published_fake_medical_journals?fp=16&fpid=1

Zutreffend wurde darauf verwiesen, dass bei Open-Access-Publikation der Fake-Charakter früher entdeckt worden wäre:

http://www.earlham.edu/~peters/fos/2009/05/elsevier-and-merck-published-fake.html

Dies erinnert an den Fall El Naschie, über den sich Peter Suber bislang ausschwieg, den wir aber thematisierten:

http://archiv.twoday.net/search?q=naschie

Als Update ist zu nennen:
http://www.scienceblogs.de/mathlog/2009/03/wissenschaftsjournalismus-und-pressefreiheit-update.php
http://elnaschiewatch.blogspot.com/

Der erste Artikel hier zu El Naschie verwies auf einen Peer-Review-Skandal in der französischen Geologie, der sich ebenfalls auf ein Elsevier-Journal bezog:

http://scholarlykitchen.sspnet.org/2009/01/09/peer-review-scandal-shakes-french-geologists/

Mit welchem Recht beanspruchen eigentlich Verlage, Hüter der wissenschaftlichen Qualität und des Peer Review zu sein, wenn der Marktführer es damit offensichtlich nicht peinlich genau nimmt?

Update:
http://log.netbib.de/archives/2009/05/15/vertrauenswurdige-wissenschaftsverlage/
http://libr.org/plg/elsevier.php
http://archiv.twoday.net/search?q=elsevier

"Most significant is the discrepancy between stated support of library involvement in open access initiatives and significantly lacking action toward this end". Eine US-Studie zeigte, dass Bibliothekare zwar gern Lippenbekenntnisse in Sachen Open Access abgeben, aber selbst kaum etwas dafür tun. Über die Hälfte der Antwortenden bekannte, noch nie mit einem Nicht-Bibliothekar an der eigenen Uni über Open Access gesprochen zu haben.

http://www.earlham.edu/~peters/fos/2009/05/librarian-attitudes-toward-oa.html
http://www.ala.org/ala/mgrps/divs/acrl/publications/crljournal/preprints/Palmer-Dill-Christie.pdf

Zur Open Access-Heuchelei der Bibliothekare gibt es einige Beiträge in Archivalia:

http://archiv.twoday.net/stories/4987529/
http://archiv.twoday.net/stories/2518568/

http://www.heise.de/newsticker/Schlagabtausch-zwischen-Befuerwortern-und-Gegnern-von-Open-Access--/meldung/137537

Auszug:

Reuß' Kritik beschränkt sich aber nicht nur auf das "Open Access"-Verfahren, bei dem er die "transformierte DDR im Publikationssektor" durchschimmern sieht. Generell werde im Internet verstärkt die "Souveränität des Produzenten" in Frage gestellt durch "illegale Methoden". So finde er seine Werke eingescannt etwa über Googles US-Angebot "Book Search" oder auf andern Archiv- und Literaturseiten. Hinter denen sieht der Kleist-Kommentator zum Teil vermeintlich dem Gemeinwohl verpflichtete "Irre", die ganze Bücher abtippen.

Rainer Kuhlen vom Aktionsbündnis "Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft" bezeichnete die Heidelberger Erklärung dagegen als "vergifteten Apfel". Der Spezialfall des singulären Autors, der allein "Wahrheit" produziere, dürfe nicht verallgemeinert und etwa auf die Naturwissenschaften übertragen werden. Das Wissen sei Allgemeingut und freizugeben. Die Gesellschaft finanzierte die Produktion von Wissen, sodass sie auch darauf zurückgreifen können müsse. Es werde aber kein "Zwang" ausgeübt auf alle Forscher, ihre Ergebnisse gemeinfrei zu machen oder kostenlos zu veröffentlichen. "Open Access"-Publikationen würden es Wissenschaftlern aber ermöglichen, schneller und schrankenfrei wahrgenommen zu werden. Auch Googles Buchsuche wertete der Informationswissenschaftler als größtenteils "im Interesse der Wissenschaft". Dass der auch aus Reihen der Bundesregierung scharf kritisierte Suchmaschinenprimus nun 20 Prozent von digitalen Büchern im Internet zeigen dürfe, scheine durch die "Fair Use"-Bestimmungen in den USA gerechtfertigt zu sein. "Wir wollen aber nicht, dass über diese Anzeige neue Pay-per-View-Modelle entwickelt werden und man das gesamte Buch elektronisch kaufen kann", stemmte sich Kuhlen gegen eine damit einhergehende Kommerzialisierung von Wissen.

Google-Justiziar Arnd Haller warnte davor, eine Kluft zwischen Buchvermarktern und Digitalisierungsangeboten im Internet zu konstruieren. Weltweit würden 20.000 Verlage "uns ihre Bücher schicken", um sie in ihrem Auftrag einzuscannen. In Deutschland würden zudem keine entsprechenden Werke digitalisiert, wenn dies nicht ausdrücklich gewünscht werde. Ein Verbotsantrag des Börsenvereins des deutschen Buchhandels gegen Google, kleine Auszüge aus Büchern im Internet anzuzeigen, sei vor dem Landgericht Hamburg gescheitert. Die Vorwürfe, dass sich Google rechtswidrig verhalte, sei somit schlicht abwegig.

Eine vermittelnde Position nahm Eric Merkel-Sobotta von Springer Science+Business Media ein. "Wir haben nichts gegen Open Access", erklärte der Vertreter eines der großen Wissenschaftsverlage. "Gänzlich kostenfrei geht es aber nicht." Der "Mehrwert" der Verlage etwa beim Korrekturlesen oder der Vermarktung müsse bezahlt werden. Gegen Vorwürfe aus der Wissenschaft und von Bibliotheken, dass die Wissenschaftsverlage ihre Gebühren ständig drastisch erhöhen würden, entgegnete er, dass die Preissteigerung bei Springer im vergangenen Jahr bei 8,7 Prozent gelegen habe, was er angesichts der Inflationsrate und der allgemeinen Kostenerhöhungen für angemessen halte.

Reto Hilty, Direktor des Max-Planck-Instituts (MPI) für geistiges Eigentum, monierte dagegen, dass die großen Wissenschaftsverlage 25 bis 30 Prozent Nettorendite einfahren würden. Das MPI zahle allein jährlich für die Grundversorgung seiner Forscher mit Literatur 18 Millionen Euro. Die drei führenden Verlagshäuser würden dabei etwa 95 Prozent der Kosten ausmachen. Ernsthaft bedroht würden diese ihr Modell durch Open Access offenbar auch nicht mehr sehen, da die Preisforderungen wieder "so exzessiv" wie vorher seien. Die Wissenschaft müsse daher einen Schritt weiter gehen und Inhalte noch stärker in Kooperation erstellen und frei online zur Verfügung stellen, verwies er auf den Erfolg von Wikipedia. Dabei handle es sich um ein Instrument, das den Wettbewerb in hohem Maße beflügele.


Siehe auch:
http://weblog.ib.hu-berlin.de/?p=6921

 

twoday.net AGB

xml version of this page

xml version of this topic

powered by Antville powered by Helma