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Das von Elisabeth Lienert herausgegebene Buch "Dietrich-Testimonien des 6. bis 16. Jahrhunderts" (2008) wurde mir erst jetzt bekannt und zwar durch die (zu positive) Besprechung von Robert Nedoma: Diet­rich-Testi­mo­nien, ed. Eli­sa­beth Lie­nert et al. (= Tex­te und Stu­di­en zur mit­tel­hoch­deut­schen Hel­den­epik 4; Tü­bin­gen 2008). In: Bei­trä­ge zur Ge­schich­te der deut­schen Spra­che und Li­te­ra­tur 134 (2012), S. 127‒133.

Mit knapp 90 Euro ist es sehr teuer, glücklicherweise konnte ich es antiquarisch günstiger erwerben. Obwohl es ein Standardwerk zur Heldensage darstellt (eine teilweise Neubearbeitung von Wilhelm Grimms Heldensagen-Zeugnissen), ist es nur spärlich in wissenschaftlichen Bibliotheken verbreitet (meine "Urheberrechtsfibel" ist z.B. laut KVK in NRW in mehr Standorten nachgewiesen). Wie immer in solchen Fällen halte ich ein solches Nachschlagewerk in Druckform für völlig anachronistisch und wissenschaftsschädlich. Eine Open-Access-Veröffentlichung würde es ermöglichen, die vielen Fehler und Lücken, die mir bereits in den wenigen Stunden, in denen ich mit dem Buch arbeite, spontan auffielen, nach und nach auszubessern und - das ist aus meiner Sicht ebenso wichtig - Links zu den teilweise sehr entlegenen Quellen und zur älteren Sekundärliteratur beizufügen.

Ich selbst habe mich ja in meinem Aufsatz "Heroisches Herkommen" von 1993 (der in dem Band häufig zitiert wird) mit Heldensagen-Testimonien befasst:

http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/5306/

Ich habe in der Zwischenzeit weitergesammelt und z.B. zu den Wormser Testimonien weiteres, teilweise unbekanntes Material, ohne dass ich es bisher geschafft habe, es zu publizieren. Auch mein seit 2004 online zugänglicher Vortrag zum Nibelungenlied im späten Mittelalter, der mit einem in dem Band fehlenden Dietrich-Testimonium Wigand Gerstenbergs beginnt

http://www.aedph-old.uni-bayreuth.de/2004/0198.html

ist noch nicht gedruckt.

Eine nähere Kritik des Lienert-Bandes behalte ich mir vor, heute möchte ich nur gleichsam aus dem Handgelenk an einem Beispiel verdeutlichen, wie wenig kompetent das DFG-Projekt im Einzelfall agierte und wie wenig Mühe es sich mitunter gegeben hat. Das Projekt war 2006 im wesentlichen fertiggestellt, und man mag es als selbstgerecht empfinden, wenn ich mit den Suchmöglichkeiten des Jahres 2012 argumentiere, aber ich bin überzeugt, dass man schon damals bei gewissenhafter und sorgfältiger Recherche vielleicht nicht zehn Minuten mit Hilfe von Google Book Search wie heute gebraucht hätte, aber doch mit zumutbarem Aufwand der Quelle hätte auf die Spur kommen können - womöglich auch allein aufgrund von Auskünften von Bibliotheken oder der Recherche ausschließlich in gedruckter Literatur.

Es geht um die Nr. 200 S. 157 "Inschrift zur Abbildung eines Streitwagens" aus einer Tiroler lateinischen Handschrift, die Alois Primisser bekannt gemacht hatte. Meine These ist nun, dass es sehr wohl möglich gewesen wäre, von diesen Angaben - über Umwege und weitere Recherchen - auf den Artikel "Allerley Kriegsrüstung" im Verfasserlexikon (²VL) zu kommen, der als moderne Signatur des Codex Kunsthistorisches Museum Wien Ambraser Sammlung cod. 49 angibt:

http://www.libreka.de/9783110072648/151
http://www.handschriftencensus.de/15935 (ohne weitere Angaben)

Zwar war die Suche nach Textbruchstücken ("biga dytrici") erfolglos, aber die Suche in Google Books nach primisser streitwagen ein Volltreffer.

Primisser hatte 1819 ein Buch über die Ambraser Sammlung veröffentlicht (darauf hätte man auch ganz traditionell offline bei Recherchen nach dem Namen Primisser kommen können), in dem er die gleiche Handschrift nochmals beschreibt:

http://books.google.de/books?id=mqwAAAAAcAAJ&pg=PA285

Von hier aus hätte man früher brieflich bei der ÖNB Wien angefragt, die einen dann - hoffentlich - an das Kunsthistorische Museum verwiesen hätte. Mit der Google-Books-Suche wien "charr ist" kam ich dann auf Jähns, der in einem Schnipsel

http://books.google.de/books?id=0JgrAAAAYAAJ&q=wien+%22charr+ist%22

den Titel "Allerley Kriegsrüstung" nennt.

Sollte man nicht erwarten können, dass auch Hilfskräfte - wenn auch mit mehr Aufwand - zum gleichen Ergebnis hätten gelangen können?

Die ältere Literatur zitiert Primissers Aufsatz nach Büschings wöchentlichen Nachrichten Bd. 4, S. 225

http://books.google.de/books?id=5apGAAAAcAAJ&pg=PA225

während Lienert eine andere Zeitschrift Büschings aber mit der gleichen Seitenzahl für den Aufsatz Primissers zitiert.

Grimms Heldensage in der 3., von Reinhold Steig besorgten Auflage 1889:

http://commons.wikimedia.org/wiki/File:De_Die_deutsche_Heldensage_%28Grimm_W.%29_351.jpg

Wie schon Grimm begeht Lienert den kapitalen Fehler, den bei Primisser präsenten Troja-Kontext des Zeugnisses auszublenden. Nach der Handschrift handelt es sich eben nicht um den Streitwagen Dietrichs, sondern um den Wagen Hektors von Troja (bekanntlich wurde dieser in Xanten mit Hagen von Tronje identifiziert). Wer den unmittelbaren Kontext des Zeugnisses weglässt (wobei konzediert sei, dass der Sinn der lateinischen Verse nicht auf Anhieb verständlich ist) verfälscht es!

Und das soll exzellente Wissenschaft sein?

Update:
http://archiv.twoday.net/stories/1022372433/
http://archiv.twoday.net/stories/948988035/
http://archiv.twoday.net/stories/931537561/
http://archiv.twoday.net/stories/931535686/
http://archiv.twoday.net/stories/156272785/
http://archiv.twoday.net/stories/156272845/
http://archiv.twoday.net/stories/156273365/ (Bild-Testimonien)
http://archiv.twoday.net/stories/156945336/
http://archiv.twoday.net/stories/172009062/
http://archiv.twoday.net/stories/172009103/

#forschung

Theoderich-Initiale der BLB (S. 261 Nr. B 4 falsch "Karlsruhe, Universitätsbibliothek", richtig im Bildnachweis S. 325 zur schlechten SW-Abb. 2)
 

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