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Der Artikel der preisgekrönten Journalistin Heike Schmoll "Jäger des verlorenen Bücherschatzes. Der Oberbürgermeister von Stralsund hat wertvolle Schriften aus dem Mittelalter verkauft, um Haushaltslöcher zu stopfen. Historiker sprechen von einem Skandal" (FAZ vom 10.11.2012, S. 4, nicht online) verzichtet auf stilistische Brillanz, gibt aber eine meist nüchterne, im wesentlichen korrekte Darstellung des Falles.

Trotz aller Sachlichkeit schimmert deutlich durch, wem die Sympathien der Autorin gehören, wenn es heißt: "Vierzig Jahre DDR hat sie [die Gymnasialbibliothek] unbeschadet überstanden. Nun wurde sie von der Stadt verscherbelt, ohne zuvor fachkundigen Rat einzuholen".

Auch die FAZ konnte die Informationsblockade der Stadt nicht überwinden: "Der Pressesprecher der Stadt, Peter Koslik gibt sich gegenüber dieser Zeitung zugeknöpft. Ob der gesamte Bestand der Gymnasialbibliothek verkauft wurde oder nur Teile, ob die Stadt überhaupt wusste, was sie im einzelnen veräußerte, weiß er nicht zu beantworten".

Hier wird deutlich, dass die Stadt Stralsund wiederholt eindeutig gegen ihre presserechtliche Verpflichtung, wahrheitsgemäß und vollständig Auskunft zu erteilen, verstoßen hat.

Siehe dazu: "Die Auskunft ist wahrheitsgemäß, vollständig und unverzüglich zu erteilen. Vollständig bedeutet, dass nicht nur Weglassen wesentlicher Elemente ein unrichtiger Eindruck erzeugt werden darf."
http://www.nachgehakt-online.de/s46.php
Siehe auch VG Cottbus 2001
http://www.bdzv.de/aktuell/bdzv-branchendienste/bdzv-intern/artikel/detail/zum_anspruch_der_presse_auf_einsicht_in_ein_staedtisches_gutachten/?E=

Meine Mail-Anfrage an das Stadtarchiv vom 22. Oktober 2012 wurde zunächst ignoriert, bis ich am 29. Oktober beim Oberbürgermeister nachhakte. Am 30. Oktober 2012 wurde von Koslik zur Sache nur mitgeteilt: "Bestätigen können wir Ihnen deshalb, dass ein Antiquar die bisher im Stadtarchiv Stralsund befindliche Gymnasialbibliothek angekauft hat. Darüber hinaus können wir jedoch keine weiteren Informationen geben, da es sich hierbei um schutzwürdige Interessen handelt."
http://archiv.twoday.net/stories/197331274/

Nachdem ich die lokale bzw. regionale Presse alarmiert hatte, bekam diese vergleichsweise rasch weitergehende Auskünfte (die auch mir hätten erteilt werden müssen, Art. 3 GG). Entgegen meinem ausdrücklichen Wunsch haben beide Zeitungen, obwohl sie mich als Informationsquelle nutzten, mir nicht die jeweilige Antwort der Stadt zugänglich gemacht.

In der Ostsee-Zeitung wurde aus der Antwort der Stadt referiert:

Die Stadt begründete den Verkauf eines Teils der Gymnasialbibliothek auf Anfrage unserer Zeitung damit, dass sie „nicht im Sinne der Satzung des Stadtarchivs“ zu betrachten sei, weil sie aufgrund ihrer „minimalen regionalgeschichtlichen Bedeutung keine Aufnahme in den Bibliotheksbestand des Stadtarchivs fand und daher auch nicht katalogisiert wurde“. Bis auf die Ausnahme besonderer bibliophiler Werke wie Wiegendrucke.
Der Großteil der Gymnasialbibliothek sei für die Nutzer — die wegen stadt- und regionalgeschichtlicher Forschungen ins Archiv kämen — „nicht von Interesse“, heißt es. Die „wenigen relevanten Titel“
seien in den Bibliotheksbestand übernommen worden. Zudem wäre der Erhaltungszustand vieler Bücher schlecht gewesen. Darüber hinaus habe es „ernsthafte Probleme bei der sachgemäßen Lagerung“ — sowohl wegen des Klimas als auch des Platzangebotes gegeben. Der Bestand sei beim Verkauf nicht mehr vollständig gewesen. Ob das mit der Auslagerung im Zweiten Weltkrieg zusammenhing oder aus anderen Gründen zu Verlusten kam, lasse sich nicht mehr ermitteln. Bei den Werken handele es sich um unterrichtsbegleitende Literatur für Schüler und Lehrer in Philologie und Thelogie [sic!].

Nach der ersten Anfrage seien noch zwei weitere Angebote eingeholt werden. Der Meistbietende habe den Zuschlag erhalten. Dem privaten Käufer seien 6210 Bände angeboten worden. Da es sich zum Teil um mehrbändige Werke handelte, wären das etwa 2500 Titel. 5926 Bände habe der Antiquar erworben Zum Preis wollte sich die Stadt nicht äußern, machte aber deutlich, dass man gerade wegen „der in Aussichten stehenden Einnahme“ den Verkauf überhaupt in Erwägung gezogen habe. „Kein öffentlicher Träger hätte ein solches Angebot machen können“, heißt es. Der Erlös soll für „Anschaffungen und dringend nötige bestandserhaltende Maßnahmen des Stadtarchivs“ verwendet werden.

https://www.ostsee-zeitung.de/ozdigital/archiv.phtml?SID=563ed07bb264241a42f80207a22cf398&param=news&id=3596920

Daraus geht klar hervor, was jetzt Koslik gegenüber der FAZ nicht mehr wiederholen wollte: Nur wenige stadt- und regionalgeschichtliche Titel wurden in den Bibliotheksbestand übernommen - der Rest wurde verkauft. Dazu stimmt auch die Umfangsangabe von 6210 Bände Angebot, was rund 2500 Titel seien. Verkauft wurden 5926 Bände. Hier kann man einen Dreisatz versuchen: Wenn 6210 Bände 2500 Titel sind, wieviel sind dann 5926 Bände? Das Ergebnis 2386 mag einen groben Anhaltspunkt geben. 1995 wurden 2630 Titel der Gymnasialbibliothek ausgezählt. Es wurden also - die Zahl 2386 Titel als richtig angenommen - etwa
91 % der Titel verkauft. Dies kann man durchaus als Verkauf "der" Gymnasialbibliothek bezeichnen.

In der SVZ wird die glatte Lüge von Koslik zitiert, "Pomeranica, also Literatur mit Bezug zur historischen Region Pommern, sei nicht verkauft worden" (was [nach Koslik] eine "Todsünde" wäre).

http://archiv.twoday.net/stories/197335310/

Nicht nur ich habe darauf hingewiesen, dass in den Online-Angeboten von Peter Hassold und der mit ihm familiär verbundenen Händler im Raum Augsburg zahlreiche Drucke zur Geschichte Stralsunds und Pommerns anzutreffen sind, teils mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die Provenienz aus der Stralsunder Stadtbibliothek oder der Gymnasialbibliothek.

Soweit in den Äußerungen der Stadt stets der Eindruck erweckt wurde, dass nur Bestände der Gymnasialbibliothek verkauft wurden, ist das ebenfalls gelogen. Ich habe in einer Reihe von Beiträgen in Archivalia (zu denen auch einige Bild-Hinweise auf Facebook kommen: http://www.facebook.com/rettetarchivbibliothekstralsund ) nachgewiesen, dass aus dem übrigen Bestand des Stadtarchivs ebenfalls zahlreiche Bände verkauft wurden, darunter sogar mindestens zwei Bände aus der hochgeschätzten Löwenschen Bibliothek. (Mögen diese Bände womöglich auch nicht von Löwen selbst gesammelt worden sein, wie mir der Erforscher der Sammlung Dietmar Gohlisch soeben per Mail mitteilt, da man später auch Bände anderer Provenienz aus dem 17./18. Jh. mit dem Exlibris der Bibliothek versehen hat, was aber an der rechtlichen Beurteilung nichts ändert. Die so geschaffene sogenannte "Barockbibliothek" war ganz sicher unveräußerliches Kulturgut, wie es der kommunale Satzungsgeber 2002 vor Augen hatte.)

http://archiv.twoday.net/stories/197333263/

In einem Fall gibt es ein Exlibris der Kirchenbibliothek St. Nikolai:

http://archiv.twoday.net/stories/197333288/

Ich konnte durch Auswertung des 1829 gedruckten Katalogs der Stadtbibliothek Stralsund, zeigen, dass damals katalogisierte Bücher in den Angeboten der Antiquariate erscheinen:

http://archiv.twoday.net/stories/197335327/

Es ist auch wahrheitswidrig zu behaupten, dass die Gymnasialbibliothek nicht in den Bibliotheksbestand aufgenommen und nicht katalogisiert wurde. Sie erscheint im Handbuch der historischen Buchbestände 1995 eindeutig als getrennt aufgestellter Sonderbestand der Archivbibliothek:

http://fabian.sub.uni-goettingen.de/?Archivbibliothek_Stralsund

Unter den Katalogen steht dort: "Standortkataloge der Gymnasialbibliothek [hschr.]" Die Bibliothek war also katalogisiert. Standortkataloge wurden im 19. Jahrhundert als zeitgemäße Form der Erschließung betrachtet. Damit hatte eine auch rechtlichen Ansprüchen genügende Inventarisierung stattgefunden.

Wenn die Stadt behauptet, die Sammlung sei nicht mehr vollständig gewesen, so erstaunt das, weil von Bestandslücken keine Silbe in der Charakterisierung von 1995 (also nach Ende der DDR) zu finden ist.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Stadt Stralsund bei Auskünften gegenüber der Printpresse und gegenüber mir mehrfach gegen ihre presserechtliche Auskunftsverpflichtungen verstoßen und gelogen hat.

Zurück zum Artikel von Schmoll! Erwähnt wird die Stellungnahme des VdA http://archiv.twoday.net/stories/202635163/ . Der zweite Teil des Beitrags ist dann sehr stark auf mich fokussiert.

Die ja auch medientheoretisch interessante Tatsache, dass ich die Kampagne als Internetaktivist zunächst im Weblog Archivalia (und der Mailingliste INETBIB) begonnen habe, wird unterschlagen, es wird nur von einem "offenen Brief" gesprochen. Einmal mehr ignoriert die Journaille die Leistung von Bloggern.

Offener Brief an den Bürgermeister von Wismar:
http://archiv.twoday.net/stories/197336228/

Schmoll attestiert den historischen Schulbibliotheken, Teil eines umfassenden frühneuzeitlichen Wissensbestandes zu sein und "einzigartige Quellen für die Bildungs- und Mentalitätsgeschichte einer Stadt".

Schmoll erwähnt das bei Zisska versteigerte Stück, ohne zur Kenntnis zu nehmen, dass ich den Verkauf für 2800 Euro an eine öffentliche deutsche Sammlung (nach Auskunft des Auktionshauses eine staatliche Institution, BSB?) schon am Donnerstag gemeldet hatte:

http://archiv.twoday.net/stories/197340576/

Dass man es als Edelfeder nicht so mit den Details hat, wird auch deutlich, wenn - stilistisch wenig geglückt - im Anschluss daran zu lesen ist: "Es könnte also sein, dass nicht nur Teile oder der gesamte Bestand der Gymnasialbibliothek, sondern auch weitere Bände aus dem Stadtarchiv verkauft worden sein könnten." Wie ich oben schrieb, habe ich schon vor etlichen Tagen Nachweise anhand der auf den Antiquar-Fotos erkennbaren bzw. in den Beschreibungen gegebenen Provenienzmerkmale und anhand des gedruckten Katalogs von 1829 in diesem Weblog publiziert.

Abschließend wird meine angekündigte Auskunftsklage und der Maulkorb für die Stadtarchivarin in der Bürgerschaft erwähnt.

Unerfreulich ist, dass meine Person so in den Vordergrund geschoben wird, was bedeutet, dass für die viel wichtigere "Bewegung", initiiert von unserem kleinen Orga-Team, auf Open Petition (viele wutbürgerliche Kommentare!) und auf Facebook kein Platz mehr vorhanden ist. Von den Protestschreiben wird nur das des VdA erwähnt (und mein offener Brief). Auch Trägerinnen des Deutschen Sprachpreises bekommen für die Samstagsausgabe der FAZ nur sehr begrenzten Platz eingeräumt.

Aber wir wollen nicht undankbar sein. Das Thema ist in der Mainstreampresse (man mag auch sagen: an der ersten Adresse der deutschen Printpresse) mit einem alles in allem doch guten Bericht angekommen. Die sehr gute Resonanz bei Open Petition und auf Facebook, die wachsende Empörung auch bei Fachleuten (nach wie vor schweigen aber die Bibliotheksverbände) - all das berechtigt zu einem gewissen Optimismus. Hoffen wir, dass das Verwaltungsgericht Greifswald, bei dem ich gleich meine Klage einreichen werde, die Eilbedürftigkeit erkennt und die Stadt Stralsund rasch zur überfälligen Auskunft verpflichtet. Meine Fragen

http://archiv.twoday.net/stories/197335588/

wurden nicht beantwortet und zwar nicht eine einzige, auch nicht die vergleichsweise "harmlosen".

***

Wasserstand: 294 Likes gibt es auf Facebook:

http://www.facebook.com/rettetarchivbibliothekstralsund

Die Petition steht bei 1287 Stimmen:

https://www.openpetition.de/petition/online/rettet-die-stralsunder-archivbibliothek

***

http://archiv.twoday.net/search?q=Stralsund

Sammlung von Bildern und Links zum Thema auf Pinterest durch Margret Ott:

http://pinterest.com/pommern/rettet-die-archivbibliothek-stralsund-save-the-arc/

MNowak meinte am 2012/11/10 20:08:
F.A.Z., Samstag, den 10.11.2012 Politik 4
Für E-Paper Leser: http://www.faz.net/e-paper/#FAZ_RMZ/2012-11-10/4/2344952 
Birgit Korn (Gast) meinte am 2012/11/16 09:49:
Artikel FAZ Dr. Heike Schmoll
Der Artikel von Dr. Heike Schmoll steht in der FAZ vom 10.11.2012 und nicht von 2011.... fiel mir gerade auf...
Viele Grüße aus Karlsruhe
Birgit Korn 
 

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