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Archivrecht

Henning Ernst Müller setzt sich kritisch mit einem Gesetzesvorschlag des Deutschen Hochschulverbands auseinander, der sogar eine Gefängnisstrafe für akademische Ghostwriter vorsehen will:

http://blog.beck.de/2012/09/21/sollen-ghostwriter-bestraft-werden

Der Kritik schließe ich mich an. Das Strafrecht sollte ultima ratio bleiben und nicht leichtfertig ins Spiel gebracht werden, wenn ein Missstand vorliegt.

archivalia_jurablogs_2012

Siehe
http://archiv.twoday.net/stories/156262531/

Bisher gibt es nur die Pressemitteilung zum BGH-Entschluss zu § 52b UrhG (Ulmer vs. Darmstadt):

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2012&Sort=3&nr=61634&pos=0&anz=154

Wenn der Volltext vorliegt, erhält man eine Benachrichtigung, sofern man sich bei

https://bghpush.eear.eu/?a=I_ZR_69/11&d=2012_09_20

anmeldet.

Klaus Graf: Rezension von: Katharina Garbers-von Boehm: Rechtliche Aspekte der Digitalisierung und Kommerzialisierung musealer Bildbestände. Unter besonderer Berücksichtigung des Urheberrechts, Baden-Baden: NOMOS 2011
in KUNSTFORM 13 (2012), Nr. 9,
URL: http://www.arthistoricum.net/kunstform/rezension/ausgabe/2012/9/19685/cache.off
oder in:
sehepunkte 12 (2012), Nr. 9 [15.09.2012], URL: http://www.sehepunkte.de/2012/09/19685.html

2006 schrieb Susan M. Bielstein ein schmales, aber lesenswertes Büchlein Permission, A Survival Guide, in dem sie die komplexen und den Nutzer nicht selten frustrierenden Bildrechte-Usancen vor allem in den USA aufs Korn nahm. Zwar ist die Nutzung von Kulturgut in Museen, Bibliotheken und Archiven via Reproduktionen ein altes Thema, mit dem sich etwa ein im Bundesanzeiger 1965 Nr. 122 abgedruckter Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 14./15.5.1964 über die "Bearbeitung von Reproduktionswünschen der Kunstverlage nach Werken aus öffentlichen Kunstsammlungen" befasste, aber durch die Digitalisierung hat die Problematik eine neue Dynamik erhalten. Daher ist es verdienstvoll, dass Frau Garbers-von Boehm in ihrer Dresdener Doktorarbeit, ausgestattet mit über 1220 Fußnoten, der Materie fachjuristisch zu Leibe rückt.

Wie bei juristischen Arbeiten heute üblich, präsentiert sich das Resultat ihrer Forschungen in akkurat durchgegliederter Form und mit hilfreichen Zusammenfassungen am Abschnittsende. Ob das Buch auch für nicht mit dem juristischen Jargon Vertraute lesbar ist, vermag ich nicht zu beurteilen - die Lektüre ist jedoch durchaus nutzbringend, wenn man an urheberrechtlichen Fragen interessiert ist. (Um den schwierigen Stoff zu erschließen, wäre ein Register hilfreich gewesen.)

Die Autorin stellt - aus eher konservativer Perspektive - die an sich bekannten Hemmnisse ausführlich dar, die das Urheberrecht bei der Digitalisierung den kulturgutverwahrenden Institutionen beschert. Dieser Teil orientiert sich überwiegend sauber an den gängigen Kommentarmeinungen, bringt aber wenig Neues. Das vorsichtige Lavieren der Autorin zeigt sich etwa bei ihrer Stellungnahme zum brennenden Problem der "verwaisten Werke", deren Rechteinhaber nicht ermittelt werden können: Keine der vorgestellten Lösungen vermöge es, "das Problem der verwaisten Werke völlig in den Griff zu bekommen und dabei die Interessen potenzieller Nutzer (Rechtssicherheit) und die Interessen der Urheber (Wahrung ihrer Rechte) in einen optimalen Ausgleich zu bringen" (146). Einen solchen optimalen Ausgleich, mit dem alle zufrieden sind, kann es nicht geben!

Widerspruch muss angemeldet werden, wenn die Autorin der Reproduktionsfotografie den Schutz des Leistungsschutzrechtes nach § 72 UrhG zusprechen will. Es ist alles andere als richtig, wenn sie ihre dubiose, aufgrund der älteren Sekundärliteratur erarbeitete Ansicht als "ganz herrschende [...] Meinung" ausgibt (153). Der umfangreichste Urheberrechtskommentar (Schricker/Loewenheim) sieht das anders. Aber selbst wenn man der Autorin in diesem Punkt folgen wollte, müsste man konzedieren, dass bei historischen Fotos der Bundesgerichtshof dem Neubegründen eines Rechts am Foto qua Reproduktion eine klare Absage erteilt hat. Das ist für die Rechtsgrundlage der Bildarchive ausgesprochen bedeutsam, wird aber von der Autorin übergangen.

Im 2. Teil geht es um die "Rechtsposition der Museen und Bildarchive". Hier wird immerhin eingeräumt, dass beim Scannen kein Leistungsschutzrecht entsteht (193). Eine wichtige Rolle spielen in diesem Teil die Rechte an Datenbanken. Hinsichtlich der nicht-schöpferischen Datenbanken heißt es, es sei der "Datenbankbetreiber nicht daran gehindert, auch den Zugang zu unwesentlichen Bestandteilen vertraglich zu steuern" (210). Die Autorin hätte gut daran getan, einen Blick ins Gesetz zu werfen: § 87e UrhG setzt solchen Steuerungsversuchen enge Grenzen.

Mit Spannung wendet man sich dem 3. Teil "Grenzen der Verwertung von gemeinfreiem Kulturgut" zu, doch leider ist das der schwächste Teil der Arbeit. Es werden zwar fleißig Kritikpunkte, die gegen eine Re-Monopolisierung nach Ablauf der Schutzfrist sprechen, zusammengetragen, aber die Argumentation greift zu kurz. Dass dem Nutzer nur eine nicht-kommerzielle Nutzung gemeinfreier Werke zustehen soll (270f.), verkennt, dass eine solche Differenzierung mit den Intentionen des Bundesgesetzgebers, als er in dem heutigen § 64 UrhG den Ablauf der urheberrechtlichen Schutzfrist 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers anordnete, nicht vereinbar ist. Die Autorin sichtet zwar erfreulicherweise auch englischsprachige Literatur zur Bedeutung der Public Domain, doch hat sie das hier besonders wichtige Konzept "Copyfraud" ignoriert, das Jason Mazzone in einem sehr einflussreichen Aufsatz (Online-Preprint 2005) und jüngst auch in einem Buch entwickelt hat. [1] In einer Empfehlung der EU-Kommission zur Digitalisierung 2011 heißt es: "Für einen breiten Zugang zu gemeinfreien Inhalten und deren breite Nutzung muss gewährleistet werden, dass gemeinfreie Inhalte auch nach ihrer Digitalisierung gemeinfrei bleiben". [2] Nichts anderes sagt die "Europeana Charta zum Gemeingut".

Eine fundiertere Kenntnis des öffentlichen Rechts wäre wünschenswert gewesen. Die Autorin verlässt sich auf das wenig gelungene Buch von Wilhelm Mößle zum Museumsrecht und behauptet apodiktisch: "Der Zweck des Museums beinhaltet nur nicht-kommerzielle Nutzungen" (291). Das Fotografieren zu gewerblichen Zwecken sei eine Sondernutzung. Treffend sagt jedoch Malte Stieper: "Die öffentliche Hand darf [...] nicht willkürlich um fiskalischer Vorteile willen die Grenze zwischen normaler Nutzung und erlaubnispflichtiger Sonderbenutzung ziehen". [3] Es käme darauf an, die Grundrechte der betroffenen Wissenschaftler und anderen Nutzer, denen gegenüber die Restriktionen der Museen sich als "Eingriffe" verstehen lassen, in die Waagschale zu werfen. Und man müsste rechtsvergleichend auch das Archiv- und Bibliotheksrecht in den Blick nehmen, die eine sehr viel größere Nähe zum öffentlichen Recht aufweisen als das Museumsrecht. Es ist bezeichnend, dass man das ausgezeichnete Buch von Hans Rainer Künzle über Schweizerisches Bibliotheks- und Dokumentationsrecht (1992), das die rechtlichen Probleme der Bibliotheken, Archive und Museen nicht nur aus der Sicht des Schweizer Rechts behandelt, im Literaturverzeichnis vermisst.

Dass die Autorin ihr Thema wirklich souverän beherrscht, kann ich nicht finden, zumal wichtige Aspekte und relevante Sekundärliteratur immer wieder übersehen werden. Als Ganzes enttäuscht das Buch, obwohl es unbestreitbar nützliche Abschnitte enthält. Eine sorgfältige juristische Darstellung, die sich konsequent für freie Inhalte und gegen die kommerzielle Re-Monopolisierung der Public Domain einsetzt, bleibt ein Desiderat.


Anmerkungen:

[1] Jason Mazzone: Copyfraud and Other Abuses of Intellectual Property Law, Stanford 2011.

[2] http://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/pdf/Empfehlung%20COM%2027-10-2011%20zur%20Digitalisierung.pdf.

[3] Malte Stieper: Rechtfertigung, Rechtsnatur und Disponibilität der Schranken des Urheberrechts, Tübingen 2009, 427. Er bezieht sich auf meine Ausführungen zu Mößle in meiner Rezension http://www.vl-museen.de/lit-rez/graf99-1.htm. Dieser Diskussionsbeitrag wurde - wohl über die Rezeption bei Winfried Bullinger: Kunstwerke in Museen - die klippenreiche Bildauswertung, in: Festschrift für Peter Raue, Köln [u.a.] 2006, 379-400, hier 394 - in mehreren juristischen Studien beachtet, wird aber von Garbers-von Boehm nicht berücksichtigt - ebenso wie meine jüngeren Publikationen zum Thema (vor allem "Kulturgut muss frei sein" von 2007 und "Die Public Domain und die Archive" von 2009, siehe die Nachweise http://archiv.twoday.net/stories/41788826/ ).

Das Foto von Julia Schramm stammt von Bastian Haas und steht unter http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/deed.de

Update zu:
http://archiv.twoday.net/stories/156261796/

Besonders gut gefällt mir der Kommentar von

http://meedia.de/internet/digitale-diarrhoe-julia-schramms-klick-mich/2012/09/18.html

Nun lässt sich mit guten Gründen für eine Anpassung des Urheberrechts an das digitale Zeitalter streiten, die Debatte ist ja auch in vollem Gang. Doch sich einerseits für den freien Fluss der Gedanken im Netz zu begeistern - und gleichzeitig eine Kopie des eigenen Buches im Netz löschen zu lassen, das ist wenig souverän. Absolut nachvollziehbar aus Sicht des Verlags, einerseits, aber in sich nicht schlüssig. Im Buch lassen sich ausreichend Zitate finden, die eigentlich eine ganz andere Marketingstrategie nahegelegt hätten: "Die Gedanken, die meinen Kopf verlassen, gehören der Welt, für die ich sei verpixele", heißt es dort. Und: "Die Freiheit des Internets unterläuft unsere bisherigen gesellschaftlichen Verabredungen. Lautlos durchdringt die Wolke unsere Großstädte und stellt alles auf den Kopf. Ich finde das gut." Und: "Das Internet bedeutet...den eingestandenen totalen Kontrollverlust." Nun arbeitet der Verlag der Autorin selber gegen den Kontrollverlust an. Sinnvoll wäre es gewesen, im Sinne der eingangs beschriebenen Maxime zu sagen: Liebe Downloader, wo mein Buch schon mal dort steht und ich ja prinzipientreu bin, überweist mir doch bitte mal einen Betrag eurer Wahl auf mein Konto, wenn euch die Lektüre gefallen hat. Doch wo viel Geld im Spiel ist, sind solche Experimente womöglich nicht angezeigt.

http://www.bild.de/politik/inland/piratenpartei/julia-schramm-gratis-download-verbot-26255574.bild.html

Wenn die Darstellung von BILD zutrifft, ist das in der Tat abstoßend.

Ich bin kein Mitglied der Piratenpartei, aber durchaus ihr Sympathisant und habe meinen "Piratenkommentar" zum Urheberrecht "Urheberrechtsfibel" 2009 unter CC-BY-SA auch online im Netz veröffentlichen lassen (abgesehen davon auch in SSOAR). Leider war das Buch als Buch ein Flop, vermutlich aber nicht als Gratis-Download.

Update: Auch Heise hat die Meldung
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Piratenpolitikerin-geht-gegen-illegalen-Download-ihres-Buches-vor-1709787.html (derzeit 1074 Kommentare, überwiegend negativ zu Schramm, wenn ichs recht sehe)

http://www.n-tv.de/politik/Piratin-laesst-eigenes-Buch-loeschen-article7251406.html

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/guttenberg-bundestag-muss-einsicht-in-akten-gewaehren-a-855909.html

Bei der aktuellen Gerichtsentscheidung geht es um acht Dokumente, die der Wissenschaftliche Dienst und der Sprachendienst des Bundestags für den damaligen CSU-Abgeordneten zu Guttenberg erarbeitet hatten. Laut dem Urteil fallen diese Dokumente unter das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) und müssen dem Kläger deshalb zur Verfügung gestellt werden.

Ein Journalist hatte sich auf das Gesetz berufen und Einsicht in die Texte gefordert. Der Bundestag lehnte dies jedoch ab. Die Zuarbeit der Wissenschaftlichen Dienste und des Sprachendienstes sei vom "Informationszugang" ausgenommen, weil sie der Mandatsausübung der Abgeordneten zuzurechnen sei, argumentierte der Bundestag. Im Übrigen stehe dem Informationsanspruch der Schutz geistigen Eigentums entgegen.

Das Gericht entschied nun, nur die Wahrnehmung der parlamentarischen Angelegenheiten sei vom IFG ausgenommen, nicht aber die Zuarbeiten für Abgeordnete des Wissenschaftlichen Dienstes. Auch der Schutz des geistigen Eigentums steht dem Anspruch laut Gericht nicht entgegen. Die Bundestagsverwaltung sei Inhaberin der Nutzungsrechte. Ihr Erstveröffentlichungsrecht sei durch die Herausgabe nicht verletzt, weil nur der Kläger und nicht die Allgemeinheit Kopien der Dokumente erhalten.

Der Bundestag kann gegen die Entscheidung Rechtsmittel einlegen, will jedoch abwarten, bis die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt.

Az.: VG 2 K 185.11


PM:
http://www.berlin.de/sen/justiz/gerichte/vg/presse/archiv/20120914.1330.375247.html

Siehe auch
http://archiv.twoday.net/stories/55770839/

http://www.heise.de/newsticker/meldung/EU-Parlament-verabschiedet-Richtlinie-zu-verwaisten-Werken-1707480.html

Wortlaut:
http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+20120913+TOC+DOC+XML+V0//DE

Spektrum der Wissenschaft thematisiert, worauf mich Harald Müller freundlicherweise hinwies, das Auslaufen des § 52a Urheberrecht (Öffentliche Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung) zum Jahresende. Da für eine große Lösung ("Wissenschaftsklausel") die Zeit nicht reicht, wird die Vorschrift wohl ein weiteres Mal verlängert.

http://www.spektrum.de/alias/urheberrecht/rueckfall-in-die-analoge-steinzeit/1164414

https://www.taz.de/Abmahnung-bei-CC-Lizenzen/!101303/

Wenn Medienunternehmen abgemahnt werden, weil sie Autor und Lizenz von CC-Fotos nicht korrekt angeben, habe ich dafür Verständnis:

http://archiv.twoday.net/stories/38723599/

Bei Privatpersonen sollte man auf anwaltliche Abmahnungen zunächst verzichten. Ein Betrag von 1000 EUR für ein einziges Foto ist jedenfalls völlig überzogen.

Allerdings hält sich mein Mitgefühl für Leute, die heute immer noch „Ich bin davon ausgegangen, dass ich Texte und Bilder der Wikipedia, frei nutzen darf“ sagen, in engen Grenzen. Bei jedem Bild sind die Lizenzbedingungen angegeben (leider aber nicht deutlich, dass man auch die Lizenz nennen muss).

 

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