Open Access
Die selbsternannte Open-Access-Hochburg SUB Göttingen hat immer noch keinen einheitlichen OA-Dokumentenserver. Es gibt deren zwei:
Als Angehörige/r der Georg-August-Universität Göttingen haben Sie die Möglichkeit, Ihre Publikationen auf unseren Publikations- und Dokumentenservern GoeScholar NEU! und GOEDOC kostenfrei zu bereitzustellen.
Nutzen Sie bitte den neuen Publikationsserver GoeScholar, wenn Sie Ihre qualitätsgesicherten Arbeiten (z.B. durch ein Peer Review Verfahren) wie Artikel aus Sammelbänden oder Zeitschriften, aber auch Ihre Monographien oder kompletten Sammelbände einstellen möchten. Eine komfortable und bedienungsfreundliche Menüführung unterstützt Sie beim Einstellprozess Ihrer Dokumente.
Im wissenschaftlichen Betrieb gibt es darüber hinaus Publikationen ohne besonderes Begutachtungsverfahren, etwa Tagungsberichte, Preprints, Arbeitspapiere oder Institutsschriften. Für diese nicht qualitätsgeprüften Materialien und Erstveröffentlichungen steht der GOEDOC bereit, für den es allerdings noch keinen automatisierten Einstellprozess gibt.
Der neue GoeScholar für qualitätsgeprüfte Publikationen erlaubt ein Browsen
http://goedoc.uni-goettingen.de/goescholar
Das war und ist bei Goedoc nicht möglich (mag sein, dass man sich einen RSS-Feed konfigurieren kann, angeboten wird keiner). Man muss also im OPAC nach Goedoc-Arbeiten suchen.
Dissertationen gelten natürlich nicht als qualitätsgeprüft, obwohl sie ein formelles Prüfungsverfahren durchlaufen haben, das sicher von vielen Qualitätssicherungsverfahren im Bereich wissenschaftlicher Sammelbände unterboten wird.
Überhaupt leuchtet mir nicht ein, wieso man nicht wie die meisten Universitäten weltweit ein einheitliches Repositorium betreiben kann. Man kann eine Qualitätssicherung vermerken und einen entsprechenden Filter anbieten.
Recht leer ist GoeScholar noch: gerade einmal 203 Dokumente.
Die Suche nach Springer (wir erinnern uns: Göttingen schloss 2007 einen Open-Access-Vertrag mit Springer ab, dessen Details geheim sind:
http://archiv.twoday.net/stories/4341449/ ) erbringt gerade einmal 2 Dokumente, davon 1 Zeitschriftenartikel. Während die anderen Dokumente PURLs vom Typ
http://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?goescholar/3074
haben, soll man bei diesem Aufsatz auf das PDF verlinken:
Verlinken Sie auf bzw. zitieren Sie dieses Dokument mit der folgenden permanenten URL:
http://webdoc.sub.gwdg.de/pub/springer/2008/17_koehler.pdf
Was soll das, zwei unterschiedliche Zitat-Typen in einem IR?
Auffällig ist auch, dass Springer auch in der URL steht.
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Im wissenschaftlichen Betrieb gibt es darüber hinaus Publikationen ohne besonderes Begutachtungsverfahren, etwa Tagungsberichte, Preprints, Arbeitspapiere oder Institutsschriften. Für diese nicht qualitätsgeprüften Materialien und Erstveröffentlichungen steht der GOEDOC bereit, für den es allerdings noch keinen automatisierten Einstellprozess gibt.
Der neue GoeScholar für qualitätsgeprüfte Publikationen erlaubt ein Browsen
http://goedoc.uni-goettingen.de/goescholar
Das war und ist bei Goedoc nicht möglich (mag sein, dass man sich einen RSS-Feed konfigurieren kann, angeboten wird keiner). Man muss also im OPAC nach Goedoc-Arbeiten suchen.
Dissertationen gelten natürlich nicht als qualitätsgeprüft, obwohl sie ein formelles Prüfungsverfahren durchlaufen haben, das sicher von vielen Qualitätssicherungsverfahren im Bereich wissenschaftlicher Sammelbände unterboten wird.
Überhaupt leuchtet mir nicht ein, wieso man nicht wie die meisten Universitäten weltweit ein einheitliches Repositorium betreiben kann. Man kann eine Qualitätssicherung vermerken und einen entsprechenden Filter anbieten.
Recht leer ist GoeScholar noch: gerade einmal 203 Dokumente.
Die Suche nach Springer (wir erinnern uns: Göttingen schloss 2007 einen Open-Access-Vertrag mit Springer ab, dessen Details geheim sind:
http://archiv.twoday.net/stories/4341449/ ) erbringt gerade einmal 2 Dokumente, davon 1 Zeitschriftenartikel. Während die anderen Dokumente PURLs vom Typ
http://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?goescholar/3074
haben, soll man bei diesem Aufsatz auf das PDF verlinken:
Verlinken Sie auf bzw. zitieren Sie dieses Dokument mit der folgenden permanenten URL:
http://webdoc.sub.gwdg.de/pub/springer/2008/17_koehler.pdf
Was soll das, zwei unterschiedliche Zitat-Typen in einem IR?
Auffällig ist auch, dass Springer auch in der URL steht.
KlausGraf - am Dienstag, 24. Februar 2009, 02:10 - Rubrik: Open Access
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Entlarvend:
http://tinyurl.com/ccy4zd
Treffer 2 bezieht sich auf China. Da hat mans auch nicht so mit der Transparenz.
http://tinyurl.com/ccy4zd
Treffer 2 bezieht sich auf China. Da hat mans auch nicht so mit der Transparenz.
KlausGraf - am Montag, 23. Februar 2009, 23:25 - Rubrik: Open Access
https://www.inniatiff.de/inni/winter/deutsch/frame.htm
Die Zukunft wissenschaftlichen Publizierens
Nicht erst, aber mitangestoßen durch die "Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen", dem deutschen Open Access-Manifest vom 22. Oktober 2003, ist die Diskussion über die Zukunft wissenschaftlichen Publizierens voll entbrannt. Beobachtbar ist dabei eine zunehmende Verhärtung der Positionen. So ist man schnell bei der Hand, denjenigen kritischen Stimmen, die sich öffentlich zu Wort melden, Traditionalismus, Interessenwahrung und Fortschrittsfeindlichkeit zu attestieren. Dies geschieht mitunter mit einer Vehemenz, die vermuten lässt, dass es weniger um den Austausch von Argumenten, vielmehr um die Durchsetzung einer ideologischen Doktrin geht. Wie man auch immer zum Open Access-Modell stehen mag, eine Illusion wäre es zu glauben, dass dieses Modell die herkömmliche Weise wissenschaftlichen Publizierens einfach ersetzt; - was dabei auf dem Spiel steht und welche Konsequenzen dies zeitigen wird, darauf hat unlängst der Heidelberger Philologe Roland Reuß in der FAZ vom 11. Februar nachhaltig aufmerksam gemacht:
[...]
Wissenschaftliche Verlage publizieren nicht einfach Bücher. Sie geben wissenschaftlichen Strömungen Profil, sie selektieren und organisieren Wissen; sie redigieren Texte, layouten diese und bringen sie in Form. Sie kommunizieren die Texte und verbreiten sie, sie sorgen für eine Medienpräsenz, sie geben dem Autor eine öffentliche Stimme, initiieren den Dialog und Diskurs zwischen den Disziplinen. Und sie tun es über ein Medium, das sich seit Jahrhunderten bewährt hat und das unverändert befähigt ist, den Forschungen des publizierten Autors eine gleichermaßen strukturierte wie würdige Form zu geben: das Buch.
Ob man diese Praxis ohne Not gegen eine summarische Präsentation wissenschaftlicher Forschung im Netz eintauschen möchte, ist die konkret zur Disposition stehende Frage, die durchaus Anlass zu einiger Skepsis gibt, zumal die Frage der Finanzierbarkeit elektronischen Publizierens, allen Propagandismen zum Trotz, nicht geklärt ist (siehe auch hierzu Reuß).
In Zeiten des Wettbewerbs zwischen den Hochschulen ist zu konstatieren: Es wird immer mehr publiziert und immer weniger gelesen; dieses Verhältnis wieder auf ein gesundes Maß zu bringen, scheint Open Access schlecht geeignet. Im Gegenteil: Das Missverhältnis wird sich weiter potenzieren, mit Auswirkungen auf den interdisziplinären Austausch zwischen den Fakultäten.
Über die Zukunft wissenschaftlichen Publizierens entscheiden werden nicht einige Wenige, weder die Unterstützer des Open Access noch die Befürworter einer buchbezogenen Publikationspraxis; die Zukunft weisen werden künftige Forschergenerationen, die sich konkret entscheiden müssen, unter welchen Bedingungen sie künftig forschen und wie und in welcher Form sie ihre Arbeiten publiziert sehen wollen.
Heidelberg, 18. Februar 2009
Dr. Andreas Barth
Der Winter-Verlag ist schon lange eine "Apotheke", was die Preise seiner wissenschaftlichen Bücher angeht. Wenn sich nur Bibliotheken seine Bücher leisten können - wie ist das mit der Kommunikation?
Und was die Qualität seiner Buchproduktion betrifft, möchte ich exemplarisch eine vor wenigen Tagen erschienene Rezension von mir eines Winter-Buchs wiedergeben (im Druck in der FABULA minimal entschärft).
Werthschulte, Leila: Heinrich der Löwe in Geschichte und Sage. Heidelberg: Winter, 2007. 349 S.
"In der vorliegenden Arbeit", beginnt die Autorin ihre Zusammenfassung, "wurden auf der Grundlage einer systematischen Untersuchung der mittelalterlichen Text- und Bildzeugnisse und unter Beachtung der spezifischen Regeln des jeweiligen Mediums die Ursachen und Gesetzmäßigkeiten des Fiktionalisierungs- und Enthistorisierungsprozesses am Beispiel der Herrscherfigur Heinrichs des Löwen herausgefiltert" (285). Der Gegenstand ist durchaus anspruchsvoll, setzt er doch in erheblichem Umfang interdisziplinäres Arbeiten voraus: Neben der Germanistik/Literaturwissenschaft sind die Geschichtswissenschaft und die Kunstgeschichte zu berücksichtigen und selbstverständlich auch die Erzählforschung. Von der Existenz einer eigenständigen Erzählforschung weiß die Autorin freilich nichts. Weder der Doktorvater, Ernst Hellgardt (München), noch der angesehene Universitätsverlag Winter waren gut beraten, diese mißratene Arbeit zu akzeptieren.
Der erste Hauptteil widmet sich der Darstellung Heinrichs des Löwen in der lateinischen hochmittelalterlichen Historiographie (Helmold von Bosau, Arnold von Lübeck, Otto von Freising, Rahewin, Gerhard von Steterburg, Gottfried von Viterbo, Chronica regia Coloniensis, sächsische Annalistik) sowie in zwei volkssprachigen Werken des 13. Jahrhunderts (Sächsische Weltchronik, Braunschweigische Reimchronik). In Ermangelung einer klaren Fragestellung bleibt die Darstellung deskriptiv und unergiebig sowohl aus historischer als auch aus literaturwissenschaftlicher Perspektive. Methodisches Rüstzeug ist nicht vorhanden, daher erfährt man so gut wie nichts über die rhetorisch-literarische Stilisierung der Herrscherfigur. Standardwerke sind der Autorin unbekannt (etwa Erich Kleinschmidt, Herrscherdarstellung; Horst Wenzel, Höfische Geschichte).
Aus der spätmittelalterlichen Historiographie greift sie die Bayerische Chronik Ulrich Füetrers heraus (151-157). Auch hier vermisst man die relevante Literatur (Wenzel, Moeglin, siehe etwa die bei Evamaria Clemens, Luxemburger-Böhmen, Wittelsbach-Bayern, Habsburg-Österreich und ihre genealogischen Mythen im Vergleich, 2001, 177 angeführten Arbeiten), die Wertung ist unangemessen ("ein regelrechtes Kuriosum [...], ein Sammelsurium von über 60 Quellen unterschiedlichster Art", so 288).
Der Ärger setzt sich auch im zweiten Hauptteil zur sogenannten "Sage" Heinrichs des Löwen fort. Die Autorin arbeitet ungenau und fehlerhaft, schlimmer noch: ausgesprochen unkritisch gegenüber fragwürdigen Ansichten der Sekundärliteratur. Sie hat schlecht recherchiert, kennt zahlreiche maßgeblichen Arbeiten nicht, stützt sich auf veraltete Werke, ignoriert wichtige Hinweise in Werken, die sie zitiert, und hat keine Ahnung von den methodischen Grundlagen, auf denen es aufzubauen gilt. Die Arbeit hätte bei Beachtung der Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis nie gedruckt werden dürfen.
Ein unreflektierter Sagenbegriff lag der 1952 erschienenen Monographie von Karl Hoppe zugrunde, über die Hans-Joachim Behr treffend bemerkte, sie sei "über weite Strecken nichts anderes als motivgeschichtliches Kaffeesatzlesen" (Vestigia Leonis, 1995, 13). An der spannenden Frage nach dem Verhältnis von Mündlichkeit und schriftlicher Literatur ist die Autorin nicht interessiert, sie nimmt "Sage" naiv als mündliche Überlieferung. (Im folgenden soll neutraler vom "Braunschweig-Stoff" die Rede sein; für das Mittelalter und die Zeit vor 1800 ist es, wie ich meine, nicht ratsam, den Sagenbegriff zu verwenden, cf. auch meinen Artikel "Sage" im Lexikon des Mittelalters 7, 1995, 1254-1257).
Die Autorin kennt die "Enzyklopädie des Märchens" nicht und daher auch nicht Helge Gerndts guten Artikel "Löwentreue" (8, 1996, 1234-1239). Nun hat Gerndt bereits 1980 einen wegweisenden Aufsatz über das Nachleben Heinrich des Löwen in der Sage publiziert, den die Autorin verwertet, doch die methodische Substanz hat sie nicht begriffen. Man muss nochmals zitieren, was Gerndt damals schrieb: "Die Erinnerung an eine geschichtliche Persönlichkeit wird nicht einförmig und in eingleisigen Bahnen vermittelt, etwa bei einfachen Leuten nur in mündlich-gedächtnismäßiger, unter Gebildeten nur in schriftlich gelehrter Form (in: Heinrich der Löwe, 1980, 452). Besonders absurd wird es, wenn die Autorin Gerndt vorhält, er habe nicht berücksichtigt, dass die "Komplexität und Heterogenität zum Wesen der Sage gehört" (164).
Im Literaturverzeichnis entdeckt man das Buch von Frantisek Graus "Lebendige Vergangenheit" (1975), in dem einige aufgrund der angeführten europäischen Parallelen noch immer lesenswerte Seiten über die Sage von Heinrich dem Löwen zu finden sind. Die methodischen Einsichten dieses unvergessenen Erforschers historischer Traditionsbildung sucht man aber vergebens.
Schauderhaft ist - man kann es nicht anders nennen - der Umgang mit Sagenfassungen des 19. Jahrhunderts. Die mündliche Sage bei Kuhn/Schwarz 1848 (von der Autorin nach der Kompilation "Sagen aus Niedersachsen" von 1977 zitiert) ist doch alles andere als eine alte Überlieferung, sie vermischt historisches Bildungsgut des 19. Jahrhundert mit Deutungen, die gut ad-hoc erfunden worden sein könnten (siehe dazu schon die Kritik Gerndts an Hoppes Spekulationen).
Die Autorin nimmt sich auch die sogenannte "Sage" von Thedel von Wallmoden vor, die Georg Thym im 16. Jahrhundert dichterisch bearbeitete (176-179). Sie zieht als Zweitfassung eine angeblich mündlich überlieferte Prosaversion aus dem Braunschweiger Raum heran, die sie wieder den "Sagen aus Niedersachsen" von 1977 entnimmt. Der Text stammt von Carl und Theodor Colshorn (Märchen und Sagen aus Hannover, 1854, bequem zugänglich in Hans-Jörg Uthers CD-ROM Deutsche Märchen und Sagen). Diese Sammlung gibt aber die Thymschen Reime als Quelle an!
Die Autorin stellt die lange bekannten Versionen des Braunschweig-Stoffs vor und erörtert einmal mehr die Bezüge zum "Herzog Ernst" und zum "Reinfried von Braunschweig" (wieder ohne Kenntnis der jüngeren Monographien). Besser greift man zu dem ansprechenden Sammelband "Vestigia Leonis" von 1995, der die entscheidenden deutschsprachigen Zeugnisse (von Michel Wyssenherre, Handschrift von 1471/74, drei Texte von Hans Sachs, Heinrich Göding 1585) sowie die skandinavischen Balladen neu ediert hat. Hans-Joachim Behr bietet dort einleitend eine gute Darstellung zur Stoffgeschichte. Bei Behr (17) hätte die Autorin verlässliche neue Literatur zum Moringer-Stoff gefunden, zu dem sie nur veraltete Arbeiten anführt (187). Leider hat Behr den für das Heimkehrer-Schema zentralen Artikel "Heimkehr des Gatten" in der "Enzyklopädie des Märchens" übersehen.
Es geht schlicht und einfach nicht an, dass eine dem Braunschweig-Stoff gewidmete Monographie den faszinierendsten Neufund der letzten Jahre übergeht. 1994 hatte Gisela Kornrumpf in ihrem Verfasserlexikon-Artikel zu Jörg Stulers in der Stuttgarter Handschrift HB XIII 10 überliefertem Historienbuch (um 1480) auf die bis dato übersehene Prosaversion in dieser Stuttgarter Handschrift aufmerksam gemacht, was Behr 1995 als Nachtrag am Schluss seines Beitrags noch notieren konnte (44 not. 101). Seit 2000 liegt die Edition des Stücks durch Kornrumpf vor, es gibt sogar einen Verfasserlexikonartikel im Nachtragsband 11 ("Der Herr von Braunschweig", 649-652).
Der Braunschweig-Stoff wurde schon im 14. Jahrhundert im tschechischen Sprachraum aufgenommen ("Bruncvík") und gelangte in der Neuzeit auch nach Ungarn und Russland. Es existieren dazu eine Monographie von Winfried Baumann (Die Sage von Heinrich dem Löwen bei den Slaven, 1972) und weitere Aufsätze des gleichen Autors. Auf der Braunschweiger Tagung 1996 (Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein Gesellschaft 10, 1998), hat Václav Bok über die böhmische Rezeption berichtet. All diese Beiträge sind nicht verarbeitet.
Mit besonderer Spannung wendet man sich der Erörterung der mittelalterlichen Bildzeugnisse für den Braunschweig-Stoff zu (211-284), sind diese doch vergleichsweise wenig bekannt. Das älteste Bildzeugnis, das sich eindeutig auf den Braunschweig-Stoff bezieht, ist die ins erste Viertel des 15. Jahrhundert datierte Gedächtnistafel für Heinrich den Löwen und Otto IV. sowie ihre Gemahlinnen, die aus der Braunschweiger Domkirche stammt. Heinrichs Gemahlin Mathilde hält den Ring hoch, der im Braunschweig-Stoff als Erkennungszeichen dient (cf. auch meinen Artikel "Ring" in der Enzyklopädie des Märchens). Wohl in das dritte Viertel des 15. Jahrhunderts gehört ein aus zwei Streifen bestehender Bildteppich im Basler Historischen Museum. Ein Braunschweiger Wandteppich (wohl kurz vor 1400), der den Stoff des Herzog Ernst darstellt, enthält eine diesem fremde Szene mit dem Kampf eines Löwen mit einem Drachen. Angesichts der engen Nähe der Orientabenteuer des "Herzog von Braunschweig" zum "Herzog Ernst" verwundert eine solche Stoffmischung nicht. Man wird also in dieser Stickerei die älteste bildliche Bezugnahme auf den Braunschweig-Stoff sehen dürfen. Um 1490 stellte man den Drachenkampf des "Hertogan af Brunswik" in der Kirche von Husby-Sjutolft (Schweden) dar.
Sehr ausführlich bespricht die Autorin die Wandmalereien in einem Haus in Karden an der Mosel aus der Zeit um 1500 (225-238). Eigentum verpflichtet in diesem Fall nicht: Der Eigentümer des Privathauses gestattet seit Jahren nicht mehr den Zutritt zu diesen herausragenden Geschichtsquellen (235 not. 893). Abgesehen von den detaillierten Bildbeschreibungen bietet der Abschnitt nur ein unkritisches Referat der Sekundärliteratur. Wenn der Abt Johannes Trithemius etwa in der gleichen Zeit davon spricht, Fürsten hätten sich die Abenteuer Heinrichs des Löwen an die Wände malen lassen, so geht es zu weit, diese Stelle auf die Kardener Bilder zu beziehen. Inakzeptabel ist es, mit der hochmittelalterlichen Präsenz der Welfen an der Mosel zu argumentieren. Wenn die Autorin auf die "Verbreitung der lokalen Sagen über die Palästinapilger" verweist (227), geht sie methodisch abwegigen Spekulationen von Josef Ruland (in: Bonner Jahrbücher 1955/56) auf den Leim, der junge Sagenversionen des 19. Jahrhunderts unzulässig zurückprojizierte. Man sollte diesen hypothesenreichen Aufsatz über eine angebliche "Geschlechtersage in der Eifel" einer gründlichen Überprüfung unterziehen.
Im Spätmittelalter müssen Darstellungen des Braunschweig-Stoffs sehr viel verbreiteter gewesen sein, als die erhaltenen Bilder vermuten lassen. Am Hamelner Rathaus soll es eine Darstellung gegeben haben (212), und als man am Kölner Rathausturm am Anfang des 15. Jahrhunderts dem Bild des für das Selbstverständnis der Stadt Köln später so wichtigen Löwenbezwingers Bürgermeister Herman Grin weitere Löwenkämpfer beigab, wählte man außer Samson und David auch "Herzoch Henrich Leuwe van Brunswich" (so die Koelhoffsche Chronik von 1499, cf. Der Name der Freiheit 1288-1988, 416). Ein bislang unbeachtetes Zeugnis brachte Hannes Kästner bei: Der Nürnberger Hans Tucher (gest. 1491) besaß die Hypothek auf ein Haus, „do die legend vom herczogen von Praünschwick angemalt stett“ (Ritter Kuno von Falkenstein und der Teufel im Höllental, in: Zwischen Josephinismus und Frühliberalismus, 225 not. 26).
Abzulehnen ist der Bezug auf den Braunschweig-Stoff auf der inzwischen im isländischen Nationalmuseum befindlichen Kirchentür von Valthjófsstadur, die bereits zu Beginn des 13. Jahrhunderts geschnitzt wurde. Er wird z.B. im Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 32, 2006, 62-64 zurückgewiesen, wo man den Aufsatz von Richard L. Harris in: Viator 1, 1970, 125-145 zu ergänzen hat, der überzeugender Bezüge zum Auftreten des Löwenritter-Motivs in isländischen Sagas erwägt. Zum Motiv des trauernden Löwen am Grab seines Herrn wiederholt die Autorin den Irrtum Hoppes, dieser Zug sei der Sage von Heinrich dem Löwen eigen (246), obwohl Graus dies in einer Fußnote bereits korrigiert hatte (Lebendige Vergangenheit, 1975, 362 not. 311 unter Hinweis auf die viel gelesenen Vitaspatrum).
Das erfreulichste an dieser Anfängerarbeit ist der opulente Bildanhang (36, teils farbige Abbildungen), der alle besprochenen Bildzeugnisse enthält.
Das in nobler Aufmachung erschienene Buch kostet 62 Euro. Das ist es nicht ansatzweise wert.
Aachen Klaus Graf
Der von mir jetzt gefettete Satz ist in der Druckfassung nicht vorhanden.
Die Zukunft wissenschaftlichen Publizierens
Nicht erst, aber mitangestoßen durch die "Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen", dem deutschen Open Access-Manifest vom 22. Oktober 2003, ist die Diskussion über die Zukunft wissenschaftlichen Publizierens voll entbrannt. Beobachtbar ist dabei eine zunehmende Verhärtung der Positionen. So ist man schnell bei der Hand, denjenigen kritischen Stimmen, die sich öffentlich zu Wort melden, Traditionalismus, Interessenwahrung und Fortschrittsfeindlichkeit zu attestieren. Dies geschieht mitunter mit einer Vehemenz, die vermuten lässt, dass es weniger um den Austausch von Argumenten, vielmehr um die Durchsetzung einer ideologischen Doktrin geht. Wie man auch immer zum Open Access-Modell stehen mag, eine Illusion wäre es zu glauben, dass dieses Modell die herkömmliche Weise wissenschaftlichen Publizierens einfach ersetzt; - was dabei auf dem Spiel steht und welche Konsequenzen dies zeitigen wird, darauf hat unlängst der Heidelberger Philologe Roland Reuß in der FAZ vom 11. Februar nachhaltig aufmerksam gemacht:
[...]
Wissenschaftliche Verlage publizieren nicht einfach Bücher. Sie geben wissenschaftlichen Strömungen Profil, sie selektieren und organisieren Wissen; sie redigieren Texte, layouten diese und bringen sie in Form. Sie kommunizieren die Texte und verbreiten sie, sie sorgen für eine Medienpräsenz, sie geben dem Autor eine öffentliche Stimme, initiieren den Dialog und Diskurs zwischen den Disziplinen. Und sie tun es über ein Medium, das sich seit Jahrhunderten bewährt hat und das unverändert befähigt ist, den Forschungen des publizierten Autors eine gleichermaßen strukturierte wie würdige Form zu geben: das Buch.
Ob man diese Praxis ohne Not gegen eine summarische Präsentation wissenschaftlicher Forschung im Netz eintauschen möchte, ist die konkret zur Disposition stehende Frage, die durchaus Anlass zu einiger Skepsis gibt, zumal die Frage der Finanzierbarkeit elektronischen Publizierens, allen Propagandismen zum Trotz, nicht geklärt ist (siehe auch hierzu Reuß).
In Zeiten des Wettbewerbs zwischen den Hochschulen ist zu konstatieren: Es wird immer mehr publiziert und immer weniger gelesen; dieses Verhältnis wieder auf ein gesundes Maß zu bringen, scheint Open Access schlecht geeignet. Im Gegenteil: Das Missverhältnis wird sich weiter potenzieren, mit Auswirkungen auf den interdisziplinären Austausch zwischen den Fakultäten.
Über die Zukunft wissenschaftlichen Publizierens entscheiden werden nicht einige Wenige, weder die Unterstützer des Open Access noch die Befürworter einer buchbezogenen Publikationspraxis; die Zukunft weisen werden künftige Forschergenerationen, die sich konkret entscheiden müssen, unter welchen Bedingungen sie künftig forschen und wie und in welcher Form sie ihre Arbeiten publiziert sehen wollen.
Heidelberg, 18. Februar 2009
Dr. Andreas Barth
Der Winter-Verlag ist schon lange eine "Apotheke", was die Preise seiner wissenschaftlichen Bücher angeht. Wenn sich nur Bibliotheken seine Bücher leisten können - wie ist das mit der Kommunikation?
Und was die Qualität seiner Buchproduktion betrifft, möchte ich exemplarisch eine vor wenigen Tagen erschienene Rezension von mir eines Winter-Buchs wiedergeben (im Druck in der FABULA minimal entschärft).
Werthschulte, Leila: Heinrich der Löwe in Geschichte und Sage. Heidelberg: Winter, 2007. 349 S.
"In der vorliegenden Arbeit", beginnt die Autorin ihre Zusammenfassung, "wurden auf der Grundlage einer systematischen Untersuchung der mittelalterlichen Text- und Bildzeugnisse und unter Beachtung der spezifischen Regeln des jeweiligen Mediums die Ursachen und Gesetzmäßigkeiten des Fiktionalisierungs- und Enthistorisierungsprozesses am Beispiel der Herrscherfigur Heinrichs des Löwen herausgefiltert" (285). Der Gegenstand ist durchaus anspruchsvoll, setzt er doch in erheblichem Umfang interdisziplinäres Arbeiten voraus: Neben der Germanistik/Literaturwissenschaft sind die Geschichtswissenschaft und die Kunstgeschichte zu berücksichtigen und selbstverständlich auch die Erzählforschung. Von der Existenz einer eigenständigen Erzählforschung weiß die Autorin freilich nichts. Weder der Doktorvater, Ernst Hellgardt (München), noch der angesehene Universitätsverlag Winter waren gut beraten, diese mißratene Arbeit zu akzeptieren.
Der erste Hauptteil widmet sich der Darstellung Heinrichs des Löwen in der lateinischen hochmittelalterlichen Historiographie (Helmold von Bosau, Arnold von Lübeck, Otto von Freising, Rahewin, Gerhard von Steterburg, Gottfried von Viterbo, Chronica regia Coloniensis, sächsische Annalistik) sowie in zwei volkssprachigen Werken des 13. Jahrhunderts (Sächsische Weltchronik, Braunschweigische Reimchronik). In Ermangelung einer klaren Fragestellung bleibt die Darstellung deskriptiv und unergiebig sowohl aus historischer als auch aus literaturwissenschaftlicher Perspektive. Methodisches Rüstzeug ist nicht vorhanden, daher erfährt man so gut wie nichts über die rhetorisch-literarische Stilisierung der Herrscherfigur. Standardwerke sind der Autorin unbekannt (etwa Erich Kleinschmidt, Herrscherdarstellung; Horst Wenzel, Höfische Geschichte).
Aus der spätmittelalterlichen Historiographie greift sie die Bayerische Chronik Ulrich Füetrers heraus (151-157). Auch hier vermisst man die relevante Literatur (Wenzel, Moeglin, siehe etwa die bei Evamaria Clemens, Luxemburger-Böhmen, Wittelsbach-Bayern, Habsburg-Österreich und ihre genealogischen Mythen im Vergleich, 2001, 177 angeführten Arbeiten), die Wertung ist unangemessen ("ein regelrechtes Kuriosum [...], ein Sammelsurium von über 60 Quellen unterschiedlichster Art", so 288).
Der Ärger setzt sich auch im zweiten Hauptteil zur sogenannten "Sage" Heinrichs des Löwen fort. Die Autorin arbeitet ungenau und fehlerhaft, schlimmer noch: ausgesprochen unkritisch gegenüber fragwürdigen Ansichten der Sekundärliteratur. Sie hat schlecht recherchiert, kennt zahlreiche maßgeblichen Arbeiten nicht, stützt sich auf veraltete Werke, ignoriert wichtige Hinweise in Werken, die sie zitiert, und hat keine Ahnung von den methodischen Grundlagen, auf denen es aufzubauen gilt. Die Arbeit hätte bei Beachtung der Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis nie gedruckt werden dürfen.
Ein unreflektierter Sagenbegriff lag der 1952 erschienenen Monographie von Karl Hoppe zugrunde, über die Hans-Joachim Behr treffend bemerkte, sie sei "über weite Strecken nichts anderes als motivgeschichtliches Kaffeesatzlesen" (Vestigia Leonis, 1995, 13). An der spannenden Frage nach dem Verhältnis von Mündlichkeit und schriftlicher Literatur ist die Autorin nicht interessiert, sie nimmt "Sage" naiv als mündliche Überlieferung. (Im folgenden soll neutraler vom "Braunschweig-Stoff" die Rede sein; für das Mittelalter und die Zeit vor 1800 ist es, wie ich meine, nicht ratsam, den Sagenbegriff zu verwenden, cf. auch meinen Artikel "Sage" im Lexikon des Mittelalters 7, 1995, 1254-1257).
Die Autorin kennt die "Enzyklopädie des Märchens" nicht und daher auch nicht Helge Gerndts guten Artikel "Löwentreue" (8, 1996, 1234-1239). Nun hat Gerndt bereits 1980 einen wegweisenden Aufsatz über das Nachleben Heinrich des Löwen in der Sage publiziert, den die Autorin verwertet, doch die methodische Substanz hat sie nicht begriffen. Man muss nochmals zitieren, was Gerndt damals schrieb: "Die Erinnerung an eine geschichtliche Persönlichkeit wird nicht einförmig und in eingleisigen Bahnen vermittelt, etwa bei einfachen Leuten nur in mündlich-gedächtnismäßiger, unter Gebildeten nur in schriftlich gelehrter Form (in: Heinrich der Löwe, 1980, 452). Besonders absurd wird es, wenn die Autorin Gerndt vorhält, er habe nicht berücksichtigt, dass die "Komplexität und Heterogenität zum Wesen der Sage gehört" (164).
Im Literaturverzeichnis entdeckt man das Buch von Frantisek Graus "Lebendige Vergangenheit" (1975), in dem einige aufgrund der angeführten europäischen Parallelen noch immer lesenswerte Seiten über die Sage von Heinrich dem Löwen zu finden sind. Die methodischen Einsichten dieses unvergessenen Erforschers historischer Traditionsbildung sucht man aber vergebens.
Schauderhaft ist - man kann es nicht anders nennen - der Umgang mit Sagenfassungen des 19. Jahrhunderts. Die mündliche Sage bei Kuhn/Schwarz 1848 (von der Autorin nach der Kompilation "Sagen aus Niedersachsen" von 1977 zitiert) ist doch alles andere als eine alte Überlieferung, sie vermischt historisches Bildungsgut des 19. Jahrhundert mit Deutungen, die gut ad-hoc erfunden worden sein könnten (siehe dazu schon die Kritik Gerndts an Hoppes Spekulationen).
Die Autorin nimmt sich auch die sogenannte "Sage" von Thedel von Wallmoden vor, die Georg Thym im 16. Jahrhundert dichterisch bearbeitete (176-179). Sie zieht als Zweitfassung eine angeblich mündlich überlieferte Prosaversion aus dem Braunschweiger Raum heran, die sie wieder den "Sagen aus Niedersachsen" von 1977 entnimmt. Der Text stammt von Carl und Theodor Colshorn (Märchen und Sagen aus Hannover, 1854, bequem zugänglich in Hans-Jörg Uthers CD-ROM Deutsche Märchen und Sagen). Diese Sammlung gibt aber die Thymschen Reime als Quelle an!
Die Autorin stellt die lange bekannten Versionen des Braunschweig-Stoffs vor und erörtert einmal mehr die Bezüge zum "Herzog Ernst" und zum "Reinfried von Braunschweig" (wieder ohne Kenntnis der jüngeren Monographien). Besser greift man zu dem ansprechenden Sammelband "Vestigia Leonis" von 1995, der die entscheidenden deutschsprachigen Zeugnisse (von Michel Wyssenherre, Handschrift von 1471/74, drei Texte von Hans Sachs, Heinrich Göding 1585) sowie die skandinavischen Balladen neu ediert hat. Hans-Joachim Behr bietet dort einleitend eine gute Darstellung zur Stoffgeschichte. Bei Behr (17) hätte die Autorin verlässliche neue Literatur zum Moringer-Stoff gefunden, zu dem sie nur veraltete Arbeiten anführt (187). Leider hat Behr den für das Heimkehrer-Schema zentralen Artikel "Heimkehr des Gatten" in der "Enzyklopädie des Märchens" übersehen.
Es geht schlicht und einfach nicht an, dass eine dem Braunschweig-Stoff gewidmete Monographie den faszinierendsten Neufund der letzten Jahre übergeht. 1994 hatte Gisela Kornrumpf in ihrem Verfasserlexikon-Artikel zu Jörg Stulers in der Stuttgarter Handschrift HB XIII 10 überliefertem Historienbuch (um 1480) auf die bis dato übersehene Prosaversion in dieser Stuttgarter Handschrift aufmerksam gemacht, was Behr 1995 als Nachtrag am Schluss seines Beitrags noch notieren konnte (44 not. 101). Seit 2000 liegt die Edition des Stücks durch Kornrumpf vor, es gibt sogar einen Verfasserlexikonartikel im Nachtragsband 11 ("Der Herr von Braunschweig", 649-652).
Der Braunschweig-Stoff wurde schon im 14. Jahrhundert im tschechischen Sprachraum aufgenommen ("Bruncvík") und gelangte in der Neuzeit auch nach Ungarn und Russland. Es existieren dazu eine Monographie von Winfried Baumann (Die Sage von Heinrich dem Löwen bei den Slaven, 1972) und weitere Aufsätze des gleichen Autors. Auf der Braunschweiger Tagung 1996 (Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein Gesellschaft 10, 1998), hat Václav Bok über die böhmische Rezeption berichtet. All diese Beiträge sind nicht verarbeitet.
Mit besonderer Spannung wendet man sich der Erörterung der mittelalterlichen Bildzeugnisse für den Braunschweig-Stoff zu (211-284), sind diese doch vergleichsweise wenig bekannt. Das älteste Bildzeugnis, das sich eindeutig auf den Braunschweig-Stoff bezieht, ist die ins erste Viertel des 15. Jahrhundert datierte Gedächtnistafel für Heinrich den Löwen und Otto IV. sowie ihre Gemahlinnen, die aus der Braunschweiger Domkirche stammt. Heinrichs Gemahlin Mathilde hält den Ring hoch, der im Braunschweig-Stoff als Erkennungszeichen dient (cf. auch meinen Artikel "Ring" in der Enzyklopädie des Märchens). Wohl in das dritte Viertel des 15. Jahrhunderts gehört ein aus zwei Streifen bestehender Bildteppich im Basler Historischen Museum. Ein Braunschweiger Wandteppich (wohl kurz vor 1400), der den Stoff des Herzog Ernst darstellt, enthält eine diesem fremde Szene mit dem Kampf eines Löwen mit einem Drachen. Angesichts der engen Nähe der Orientabenteuer des "Herzog von Braunschweig" zum "Herzog Ernst" verwundert eine solche Stoffmischung nicht. Man wird also in dieser Stickerei die älteste bildliche Bezugnahme auf den Braunschweig-Stoff sehen dürfen. Um 1490 stellte man den Drachenkampf des "Hertogan af Brunswik" in der Kirche von Husby-Sjutolft (Schweden) dar.
Sehr ausführlich bespricht die Autorin die Wandmalereien in einem Haus in Karden an der Mosel aus der Zeit um 1500 (225-238). Eigentum verpflichtet in diesem Fall nicht: Der Eigentümer des Privathauses gestattet seit Jahren nicht mehr den Zutritt zu diesen herausragenden Geschichtsquellen (235 not. 893). Abgesehen von den detaillierten Bildbeschreibungen bietet der Abschnitt nur ein unkritisches Referat der Sekundärliteratur. Wenn der Abt Johannes Trithemius etwa in der gleichen Zeit davon spricht, Fürsten hätten sich die Abenteuer Heinrichs des Löwen an die Wände malen lassen, so geht es zu weit, diese Stelle auf die Kardener Bilder zu beziehen. Inakzeptabel ist es, mit der hochmittelalterlichen Präsenz der Welfen an der Mosel zu argumentieren. Wenn die Autorin auf die "Verbreitung der lokalen Sagen über die Palästinapilger" verweist (227), geht sie methodisch abwegigen Spekulationen von Josef Ruland (in: Bonner Jahrbücher 1955/56) auf den Leim, der junge Sagenversionen des 19. Jahrhunderts unzulässig zurückprojizierte. Man sollte diesen hypothesenreichen Aufsatz über eine angebliche "Geschlechtersage in der Eifel" einer gründlichen Überprüfung unterziehen.
Im Spätmittelalter müssen Darstellungen des Braunschweig-Stoffs sehr viel verbreiteter gewesen sein, als die erhaltenen Bilder vermuten lassen. Am Hamelner Rathaus soll es eine Darstellung gegeben haben (212), und als man am Kölner Rathausturm am Anfang des 15. Jahrhunderts dem Bild des für das Selbstverständnis der Stadt Köln später so wichtigen Löwenbezwingers Bürgermeister Herman Grin weitere Löwenkämpfer beigab, wählte man außer Samson und David auch "Herzoch Henrich Leuwe van Brunswich" (so die Koelhoffsche Chronik von 1499, cf. Der Name der Freiheit 1288-1988, 416). Ein bislang unbeachtetes Zeugnis brachte Hannes Kästner bei: Der Nürnberger Hans Tucher (gest. 1491) besaß die Hypothek auf ein Haus, „do die legend vom herczogen von Praünschwick angemalt stett“ (Ritter Kuno von Falkenstein und der Teufel im Höllental, in: Zwischen Josephinismus und Frühliberalismus, 225 not. 26).
Abzulehnen ist der Bezug auf den Braunschweig-Stoff auf der inzwischen im isländischen Nationalmuseum befindlichen Kirchentür von Valthjófsstadur, die bereits zu Beginn des 13. Jahrhunderts geschnitzt wurde. Er wird z.B. im Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 32, 2006, 62-64 zurückgewiesen, wo man den Aufsatz von Richard L. Harris in: Viator 1, 1970, 125-145 zu ergänzen hat, der überzeugender Bezüge zum Auftreten des Löwenritter-Motivs in isländischen Sagas erwägt. Zum Motiv des trauernden Löwen am Grab seines Herrn wiederholt die Autorin den Irrtum Hoppes, dieser Zug sei der Sage von Heinrich dem Löwen eigen (246), obwohl Graus dies in einer Fußnote bereits korrigiert hatte (Lebendige Vergangenheit, 1975, 362 not. 311 unter Hinweis auf die viel gelesenen Vitaspatrum).
Das erfreulichste an dieser Anfängerarbeit ist der opulente Bildanhang (36, teils farbige Abbildungen), der alle besprochenen Bildzeugnisse enthält.
Das in nobler Aufmachung erschienene Buch kostet 62 Euro. Das ist es nicht ansatzweise wert.
Aachen Klaus Graf
Der von mir jetzt gefettete Satz ist in der Druckfassung nicht vorhanden.
KlausGraf - am Freitag, 20. Februar 2009, 20:46 - Rubrik: Open Access
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http://www.progressives-zentrum.org/dpz.php/cat/85/aid/342
Auszug:
Wenn das Copyright auf veröffentlichte Texte nach einer festgelegten Zeitspanne abläuft, werden diese zum öffentlichen Gut, das jeder kopieren, miteinander teilen und wiederverwenden kann. Zum Gemeingut zählt auch der riesige Bestand literarischer Werke und historischer Zeugnisse, die unser kulturelles Erbe ausmachen.
In den letzten Jahren wurden zahlreiche, von den Medien positiv begleitete Anstrengungen unternommen, nationale Sammlungen öffentlicher Güter digital verfügbar zu machen. Doch mitunter versuchen Unternehmen selbst bei diesen digitalisierten öffentlichen Gütern Urheberrechte wirksam zu machen. Ein Bericht der Archivreferentenkonferenz des Bundes und der Länder vom März 2008 hält dazu folgendes fest:
„Archivgut ist öffentliches Gut und – von wenigen Ausnahmen
abgesehen – lizenzfrei nutzbar. Dies widerspricht einer breiten
wirtschaftlichen Verwertung von digitalisiertem Archivgut durch
Vermarktung und Einräumung exklusiver Nutzungsrechte." [6]
Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten, Bestände aus dem öffentlichen Gut weiterzuverwenden. Sie reichen von neuen, unorthodoxen Forschungsmethoden, über kreative Aneignungsverfahren, bis hin zu komplett überarbeiteten Werkausgaben und neu aufbereiteten Tonaufnahmen. Kulturorganisationen können auf diese Weise innovative Nachbearbeitungen und erfrischende Darbietungen historischen Materials fördern. Im internationalen Bereich haben mehrere prestigeträchtige Einrichtungen dies bereits getan. Vor kurzem haben 16 Organisationen, darunter die Kongressbibliothek (USA), das Imperial War Museum (UK),die Bibliothèque de Toulouse, sowie die neuseeländische Nationalgalerie, ihre gesamten Bildarchive der Fotowebsite Flickr hinzugefügt, so dass jeder die Bilder kommentieren, downloaden und weiterverwenden kann. Daraufhin veröffentlichte die Kongressbibliothek im Oktober 2008 einen Bericht, der auf die überwältigende Resonanz verwies: Allein in der ersten Woche sahen sich mehr als 3.6 Millionen Nutzer die Archive an.
Welche Materialien zum öffentlichen Gut werden hängt vor allem vom Verwirken der Urheberrechte ab. Derzeit überlegt die EU, Copyrights für Tonaufnahmen 95 Jahre lang schützen zu lassen. Dies würde eine erhebliche Verlängerung des Urheberrechtsschutzes bedeuten. Die Vorschläge wurden ausgiebig – und nicht zuletzt von Juristen - kritisiert. Im Juni 2005 veröffentlichten 50 führende Urheberrechts-Experten eine Erklärung, in der sie darauf hinweisen, dass die Vorschläge in ihrer jetzigen Form nicht der Allgemeinheit, sondern den Rechteinhabern zu Vorteilen verhelfen werden.
Aus diesem Überblick über die der Öffentlichkeit zugänglichen Informationen lassen sich drei Ziele für ein progressives Politikverständnis ableiten.Zum ersten sollten Gesetzgebungsverfahren unterstützt werden, die die Weiterverwendung öffentlicher Daten erleichtern. Zudem sollte es einen jährlichen Bericht über die Situation öffentlicher Informationen in Deutschland geben. Bei der Verteilung öffentlicher Forschungsgelder an Universitäten sollte auch die Förderung von Open Access berücksichtigt werden. Schließlich sollte man öffentliche Güter als Teil des Kulturerbes begreifen und jedem Interessierten den digitalen Zugriff ermöglichen. Um dies zu verwirklichen, muss das bestehende Urheberrecht jedoch nicht nur den Interessen privater Lizenzinhaber, sondern auch dem Allgemeinwohl gerecht werden.
Auszug:
Wenn das Copyright auf veröffentlichte Texte nach einer festgelegten Zeitspanne abläuft, werden diese zum öffentlichen Gut, das jeder kopieren, miteinander teilen und wiederverwenden kann. Zum Gemeingut zählt auch der riesige Bestand literarischer Werke und historischer Zeugnisse, die unser kulturelles Erbe ausmachen.
In den letzten Jahren wurden zahlreiche, von den Medien positiv begleitete Anstrengungen unternommen, nationale Sammlungen öffentlicher Güter digital verfügbar zu machen. Doch mitunter versuchen Unternehmen selbst bei diesen digitalisierten öffentlichen Gütern Urheberrechte wirksam zu machen. Ein Bericht der Archivreferentenkonferenz des Bundes und der Länder vom März 2008 hält dazu folgendes fest:
„Archivgut ist öffentliches Gut und – von wenigen Ausnahmen
abgesehen – lizenzfrei nutzbar. Dies widerspricht einer breiten
wirtschaftlichen Verwertung von digitalisiertem Archivgut durch
Vermarktung und Einräumung exklusiver Nutzungsrechte." [6]
Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten, Bestände aus dem öffentlichen Gut weiterzuverwenden. Sie reichen von neuen, unorthodoxen Forschungsmethoden, über kreative Aneignungsverfahren, bis hin zu komplett überarbeiteten Werkausgaben und neu aufbereiteten Tonaufnahmen. Kulturorganisationen können auf diese Weise innovative Nachbearbeitungen und erfrischende Darbietungen historischen Materials fördern. Im internationalen Bereich haben mehrere prestigeträchtige Einrichtungen dies bereits getan. Vor kurzem haben 16 Organisationen, darunter die Kongressbibliothek (USA), das Imperial War Museum (UK),die Bibliothèque de Toulouse, sowie die neuseeländische Nationalgalerie, ihre gesamten Bildarchive der Fotowebsite Flickr hinzugefügt, so dass jeder die Bilder kommentieren, downloaden und weiterverwenden kann. Daraufhin veröffentlichte die Kongressbibliothek im Oktober 2008 einen Bericht, der auf die überwältigende Resonanz verwies: Allein in der ersten Woche sahen sich mehr als 3.6 Millionen Nutzer die Archive an.
Welche Materialien zum öffentlichen Gut werden hängt vor allem vom Verwirken der Urheberrechte ab. Derzeit überlegt die EU, Copyrights für Tonaufnahmen 95 Jahre lang schützen zu lassen. Dies würde eine erhebliche Verlängerung des Urheberrechtsschutzes bedeuten. Die Vorschläge wurden ausgiebig – und nicht zuletzt von Juristen - kritisiert. Im Juni 2005 veröffentlichten 50 führende Urheberrechts-Experten eine Erklärung, in der sie darauf hinweisen, dass die Vorschläge in ihrer jetzigen Form nicht der Allgemeinheit, sondern den Rechteinhabern zu Vorteilen verhelfen werden.
Aus diesem Überblick über die der Öffentlichkeit zugänglichen Informationen lassen sich drei Ziele für ein progressives Politikverständnis ableiten.Zum ersten sollten Gesetzgebungsverfahren unterstützt werden, die die Weiterverwendung öffentlicher Daten erleichtern. Zudem sollte es einen jährlichen Bericht über die Situation öffentlicher Informationen in Deutschland geben. Bei der Verteilung öffentlicher Forschungsgelder an Universitäten sollte auch die Förderung von Open Access berücksichtigt werden. Schließlich sollte man öffentliche Güter als Teil des Kulturerbes begreifen und jedem Interessierten den digitalen Zugriff ermöglichen. Um dies zu verwirklichen, muss das bestehende Urheberrecht jedoch nicht nur den Interessen privater Lizenzinhaber, sondern auch dem Allgemeinwohl gerecht werden.
KlausGraf - am Freitag, 20. Februar 2009, 11:35 - Rubrik: Open Access
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In der FAZ wird auf die verhängnisvollen Folgen der Urheberrechtsvolle für den Kopienversand aufmerksam gemacht.
Im anschließenden Abschnitt über Open Access steht Befremdliches:
Allerdings ist Open Access, der "freie Zugang", nicht umsonst: Die Universitätsbibliotheken zahlen zwar nicht mehr das Abonnement, beteiligen sich aber an der Verlegung im Internet. Die digitale Zeitschrift kostet also weiterhin Geld, auch wenn sie nie als gedrucktes Heft erscheint. Gewinner dieses Modells sind die Studenten: Kostenlos oder gegen eine geringe Gebühr von meist weniger als 10 Euro können sie Dokumente aus dem Internet herunterladen und direkt damit arbeiten. So lässt sich die Literaturrecherche mit wenigen Klicks bewältigen.
1. Open Access heißt Gratis-Zugang und wenn die Gebühr nur 1 Cent betragen würde wärs kein OA.
2. Wieder einmal wird nur auf den goldenen Weg, die OA-E-Journals abgehoben, die Repositorien bleiben außen vor.
3. Es ist falsch, dass die Universitäten die OA-Zeitschriften finanzieren müssten. Eine knappe Mehrheit der OA-Zeitschriften erhebt von den Autoren keinerlei Gebühren.
Im anschließenden Abschnitt über Open Access steht Befremdliches:
Allerdings ist Open Access, der "freie Zugang", nicht umsonst: Die Universitätsbibliotheken zahlen zwar nicht mehr das Abonnement, beteiligen sich aber an der Verlegung im Internet. Die digitale Zeitschrift kostet also weiterhin Geld, auch wenn sie nie als gedrucktes Heft erscheint. Gewinner dieses Modells sind die Studenten: Kostenlos oder gegen eine geringe Gebühr von meist weniger als 10 Euro können sie Dokumente aus dem Internet herunterladen und direkt damit arbeiten. So lässt sich die Literaturrecherche mit wenigen Klicks bewältigen.
1. Open Access heißt Gratis-Zugang und wenn die Gebühr nur 1 Cent betragen würde wärs kein OA.
2. Wieder einmal wird nur auf den goldenen Weg, die OA-E-Journals abgehoben, die Repositorien bleiben außen vor.
3. Es ist falsch, dass die Universitäten die OA-Zeitschriften finanzieren müssten. Eine knappe Mehrheit der OA-Zeitschriften erhebt von den Autoren keinerlei Gebühren.
KlausGraf - am Donnerstag, 19. Februar 2009, 18:11 - Rubrik: Open Access
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http://www.insidehighered.com/news/2009/02/18/pirate
Ich sehe darin kein "Verbrechen", sondern empfehle die Lektüre der Argumente der aufklärerischen Nachdruckbefürworter aus dem 18. Jahrhundert.
Ich sehe darin kein "Verbrechen", sondern empfehle die Lektüre der Argumente der aufklärerischen Nachdruckbefürworter aus dem 18. Jahrhundert.
KlausGraf - am Donnerstag, 19. Februar 2009, 01:23 - Rubrik: Open Access
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FAZ:
Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst des Open Access. Düstere Schreckensszenarien entwarf Roland Reuß gerade an dieser Stelle (Eingecremtes Publizieren: Open Access als Enteignung) im Hinblick auf aktuelle Entwicklungen in der Wissenschaftskultur und -kommunikation: Hier die vornehmen Hüter der traditionellen Buchkultur, dort die ebenso fanatischen wie naiven Open-Access-Aktivisten, die nicht - oder, noch schlimmer, nur allzu genau - wissen, was sie tun.
Zu Reuß http://archiv.twoday.net/stories/5509895/
Statt auf Polemik mit Gegenpolemik zu antworten, sei hier zu einer kurzen und nüchternen Bestandsaufnahme eingeladen. Was bedeutet Open Access in der Praxis? Werfen wir einen Blick auf meine Forschungsinstitution, das im Jahre 1958 gegründete Deutsche Historische Institut in Paris. Auch in ihm beginnen neben den klassischen Buch- die neuen Open-Access-Publikationen eine immer wichtigere Rolle zu spielen. Einerseits gibt das Institut neben der Fachzeitschrift „Francia“ in Zusammenarbeit mit dem Thorbecke- und Oldenbourg-Verlag mehrere Buchreihen heraus, in denen unter anderem Quelleneditionen, Dissertationen und Habilitationsschriften sowie die Ergebnisse deutsch-französischer Tagungen veröffentlicht werden.
Sämtliche Jahrgänge zugänglich
Andererseits aber hat das Institut in den vergangenen anderthalb Jahren dank der Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit dem systematischen Aufbau eines größeren Open-Access-online-Angebots begonnen, das sowohl die nachlaufenden Digitalisierungen bereits erschienener Werke als auch eigenständige online-Publikationen umfasst: Seit November 2008 sind sämtliche Jahrgänge der „Francia“ von 1973-2006 für jedermann zugänglich, mit einer zweijährigen „moving-wall“ werden auch die zukünftigen Ausgaben entsprechend online verfügbar sein. Der ehemals gedruckte Rezensionsteil der „Francia“ wurde gleichzeitig konsequent ins Netz ausgelagert.
All dies geschah nicht gegen den Willen, sondern mit vollem Einverständnis der „Francia“-Autoren, die - bis auf einige wenige Ausnahmen - geradezu enthusiastisch auf das ihnen vorgeschlagene neue Publikationsmodell reagierten. Bis 2010 wird nach ähnlichem Muster in Kooperation mit dem „Zentrum für Elektronisches Publizieren“ (ZEP) der Bayerischen Staatsbibliothek sukzessive auch die Digitalisierung zurückliegender Jahrgänge der Beihefte der „Francia“, der „Instrumenta“ und „Pariser historischen Studien“ sowie die Online-Publikation von Tagungssammelbänden auf www.perspectivia.net erfolgen, einer neuen Open-Access-Publikationsumgebung für die in der Stiftung „Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland“ zusammengefassten Institute und ihre Kooperationspartner.
Nachfrage groß und drängend
Warum lohnt es sich, open access zu publizieren? Warum geht das Pariser Institut diesen Weg? Unsere Erfahrungen, von denen vielleicht auch andere geisteswissenschaftliche Forschungsinstitute profitieren können, lassen sich in vier Beobachtungen resümieren: Erstens ist die Nachfrage der Wissenschaftler selbst nach Open Access inzwischen groß und drängend. Da die Außenwahrnehmung der eigenen Forschungsleistungen für jeden Schreibenden - und nicht nur für Nachwuchswissenschaftler - eine zentrale Rolle spielt, wird der Wunsch nach weltweiter „Sichtbarkeit“ zunehmend laut: Und hier können, wie Studien belegen und wie es auch die statistische Auswertung der Zugriffe auf www.perspectivia.net in wünschenswerter Klarheit zeigt, klassische Printpublikationen mit elektronischen Texten, die mit Meta- und Verschlagwortungsdaten ausgezeichnet sind und über Suchmaschinen erfasst werden, eben kaum mithalten.
An dieser Stelle wird auch gerne die Legende bemüht, dass Open Access zwangsläufig den Bankrott der Verlage nach sich zieht. Dem sei allerdings entgegengehalten, dass eine Erhöhung der Zahl frei zugänglicher Publikationen zu einem signifikanten „return on investment“ führte, wie eine von John Houghton und anderen jüngst publizierte, umfassende Analyse zum Publikationsaufkommen Englands eindrucksvoll belegt.
http://www.jisc.ac.uk/media/documents/publications/rpteconomicoapublishing.pdf
http://immateriblog.de/?p=262
Qualitätsbewusstes Publizieren
Open Access Publizieren ist zweitens qualitätsbewusstes Publizieren. Der Wert eines wissenschaftlichen Manuskripts hängt von der Stringenz der Argumentation und Sorgfalt der Darstellung ab, nicht vom Medium an sich. So, wie nicht jedes gedruckte Buch per se nobelpreisverdächtig ist, wird ein Manuskript durch die elektronische Verbreitung keineswegs automatisch schlecht, sondern oft sogar dann noch besser, wenn die Publikation mit einem Open-peer-review-Verfahren kombiniert wird. Zudem liefern gerade barrierefrei zugängliche Publikationen die Chance eines wirklich effizienten kollaborativ verteilten Arbeitens, indem sie die Verknüpfung von Texten, Quellen, Artikeln und Daten ermöglichen. Im Pariser Institut gibt es keinerlei Rangabstufung zwischen gedruckten und online verfügbaren Arbeiten. Alle Publikationen werden vor der Veröffentlichung bei uns demselben Prozess intensiver Begutachtung und Redaktion unterzogen, und zwar durch ein hauseigenes Lektorat.
Drittens: Als die von den Kritikern an die Wand gemalte Enteignung empfinden unsere Autoren den freien Zugang zu ihren Werken wahrlich nicht. Jegliche Publikation setzt schließlich voraus, dass deren Urheber Dritten bestimmte Verwertungsrechte einräumen. Andernfalls dürfte ein Verlag weder gedruckte noch elektronische Veröffentlichungen vorlegen. Im Open-Access-Modell definiert der Autor darüber hinaus durch die Vergabe von Lizenzen genau, welche Verwertungsrechte auch den Lesern eingeräumt werden. Somit bestehen klare Regeln für den Umgang mit den Manuskripten, deren Sichtbarkeit und Berücksichtigung im akademischen Diskurs im ureigenen Interesse der Autoren liegt. Der Vorwurf, Open Access missachte das geltende Urheberrecht, ist im besten Fall blanke Unkenntnis der Materie, im schlechtesten Fall eine gezielte Desinformation.
Zu guter Letzt begreifen wir die Open-Access-Politik unseres Instituts als einen wichtigen Beitrag zur Internationalisierung und Demokratisierung der Geisteswissenschaften: Nicht jeder Leser der „Pariser historischen Studien“ lebt in Paris und erfreut sich eines bequemen Zugangs zu einer der exzellenten Pariser Forschungsbibliotheken. Gerade frankophone Wissenschaftler aus armen Ländern mit chaotischer Bibliothekssituation und defizitärer Literaturversorgung wissen den freien Zugang zur Forschungsliteratur zu schätzen. Wird damit nicht ein Traum Wirklichkeit, den jüngst noch Robert Darnton, brillanter Historiker der Buchgeschichte des achtzehnten Jahrhunderts, in seiner Eigenschaft als Direktor der Universitätsbibliothek Harvard, umrissen hat - der Traum nämlich vom weltweiten freien Fluss der Ideen und Texte, den schon die Aufklärer träumten? Mir scheint, Open Access bedeutet keine Gefahr für das Abendland, im Gegenteil.
Gudrun Gersmann ist Direktorin des Deutschen Historischen Instituts in Paris und Vorsitzende des Unterausschusses „Elektronische Publikationen“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Gut gebrüllt, Löwin!
Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst des Open Access. Düstere Schreckensszenarien entwarf Roland Reuß gerade an dieser Stelle (Eingecremtes Publizieren: Open Access als Enteignung) im Hinblick auf aktuelle Entwicklungen in der Wissenschaftskultur und -kommunikation: Hier die vornehmen Hüter der traditionellen Buchkultur, dort die ebenso fanatischen wie naiven Open-Access-Aktivisten, die nicht - oder, noch schlimmer, nur allzu genau - wissen, was sie tun.
Zu Reuß http://archiv.twoday.net/stories/5509895/
Statt auf Polemik mit Gegenpolemik zu antworten, sei hier zu einer kurzen und nüchternen Bestandsaufnahme eingeladen. Was bedeutet Open Access in der Praxis? Werfen wir einen Blick auf meine Forschungsinstitution, das im Jahre 1958 gegründete Deutsche Historische Institut in Paris. Auch in ihm beginnen neben den klassischen Buch- die neuen Open-Access-Publikationen eine immer wichtigere Rolle zu spielen. Einerseits gibt das Institut neben der Fachzeitschrift „Francia“ in Zusammenarbeit mit dem Thorbecke- und Oldenbourg-Verlag mehrere Buchreihen heraus, in denen unter anderem Quelleneditionen, Dissertationen und Habilitationsschriften sowie die Ergebnisse deutsch-französischer Tagungen veröffentlicht werden.
Sämtliche Jahrgänge zugänglich
Andererseits aber hat das Institut in den vergangenen anderthalb Jahren dank der Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit dem systematischen Aufbau eines größeren Open-Access-online-Angebots begonnen, das sowohl die nachlaufenden Digitalisierungen bereits erschienener Werke als auch eigenständige online-Publikationen umfasst: Seit November 2008 sind sämtliche Jahrgänge der „Francia“ von 1973-2006 für jedermann zugänglich, mit einer zweijährigen „moving-wall“ werden auch die zukünftigen Ausgaben entsprechend online verfügbar sein. Der ehemals gedruckte Rezensionsteil der „Francia“ wurde gleichzeitig konsequent ins Netz ausgelagert.
All dies geschah nicht gegen den Willen, sondern mit vollem Einverständnis der „Francia“-Autoren, die - bis auf einige wenige Ausnahmen - geradezu enthusiastisch auf das ihnen vorgeschlagene neue Publikationsmodell reagierten. Bis 2010 wird nach ähnlichem Muster in Kooperation mit dem „Zentrum für Elektronisches Publizieren“ (ZEP) der Bayerischen Staatsbibliothek sukzessive auch die Digitalisierung zurückliegender Jahrgänge der Beihefte der „Francia“, der „Instrumenta“ und „Pariser historischen Studien“ sowie die Online-Publikation von Tagungssammelbänden auf www.perspectivia.net erfolgen, einer neuen Open-Access-Publikationsumgebung für die in der Stiftung „Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland“ zusammengefassten Institute und ihre Kooperationspartner.
Nachfrage groß und drängend
Warum lohnt es sich, open access zu publizieren? Warum geht das Pariser Institut diesen Weg? Unsere Erfahrungen, von denen vielleicht auch andere geisteswissenschaftliche Forschungsinstitute profitieren können, lassen sich in vier Beobachtungen resümieren: Erstens ist die Nachfrage der Wissenschaftler selbst nach Open Access inzwischen groß und drängend. Da die Außenwahrnehmung der eigenen Forschungsleistungen für jeden Schreibenden - und nicht nur für Nachwuchswissenschaftler - eine zentrale Rolle spielt, wird der Wunsch nach weltweiter „Sichtbarkeit“ zunehmend laut: Und hier können, wie Studien belegen und wie es auch die statistische Auswertung der Zugriffe auf www.perspectivia.net in wünschenswerter Klarheit zeigt, klassische Printpublikationen mit elektronischen Texten, die mit Meta- und Verschlagwortungsdaten ausgezeichnet sind und über Suchmaschinen erfasst werden, eben kaum mithalten.
An dieser Stelle wird auch gerne die Legende bemüht, dass Open Access zwangsläufig den Bankrott der Verlage nach sich zieht. Dem sei allerdings entgegengehalten, dass eine Erhöhung der Zahl frei zugänglicher Publikationen zu einem signifikanten „return on investment“ führte, wie eine von John Houghton und anderen jüngst publizierte, umfassende Analyse zum Publikationsaufkommen Englands eindrucksvoll belegt.
http://www.jisc.ac.uk/media/documents/publications/rpteconomicoapublishing.pdf
http://immateriblog.de/?p=262
Qualitätsbewusstes Publizieren
Open Access Publizieren ist zweitens qualitätsbewusstes Publizieren. Der Wert eines wissenschaftlichen Manuskripts hängt von der Stringenz der Argumentation und Sorgfalt der Darstellung ab, nicht vom Medium an sich. So, wie nicht jedes gedruckte Buch per se nobelpreisverdächtig ist, wird ein Manuskript durch die elektronische Verbreitung keineswegs automatisch schlecht, sondern oft sogar dann noch besser, wenn die Publikation mit einem Open-peer-review-Verfahren kombiniert wird. Zudem liefern gerade barrierefrei zugängliche Publikationen die Chance eines wirklich effizienten kollaborativ verteilten Arbeitens, indem sie die Verknüpfung von Texten, Quellen, Artikeln und Daten ermöglichen. Im Pariser Institut gibt es keinerlei Rangabstufung zwischen gedruckten und online verfügbaren Arbeiten. Alle Publikationen werden vor der Veröffentlichung bei uns demselben Prozess intensiver Begutachtung und Redaktion unterzogen, und zwar durch ein hauseigenes Lektorat.
Drittens: Als die von den Kritikern an die Wand gemalte Enteignung empfinden unsere Autoren den freien Zugang zu ihren Werken wahrlich nicht. Jegliche Publikation setzt schließlich voraus, dass deren Urheber Dritten bestimmte Verwertungsrechte einräumen. Andernfalls dürfte ein Verlag weder gedruckte noch elektronische Veröffentlichungen vorlegen. Im Open-Access-Modell definiert der Autor darüber hinaus durch die Vergabe von Lizenzen genau, welche Verwertungsrechte auch den Lesern eingeräumt werden. Somit bestehen klare Regeln für den Umgang mit den Manuskripten, deren Sichtbarkeit und Berücksichtigung im akademischen Diskurs im ureigenen Interesse der Autoren liegt. Der Vorwurf, Open Access missachte das geltende Urheberrecht, ist im besten Fall blanke Unkenntnis der Materie, im schlechtesten Fall eine gezielte Desinformation.
Zu guter Letzt begreifen wir die Open-Access-Politik unseres Instituts als einen wichtigen Beitrag zur Internationalisierung und Demokratisierung der Geisteswissenschaften: Nicht jeder Leser der „Pariser historischen Studien“ lebt in Paris und erfreut sich eines bequemen Zugangs zu einer der exzellenten Pariser Forschungsbibliotheken. Gerade frankophone Wissenschaftler aus armen Ländern mit chaotischer Bibliothekssituation und defizitärer Literaturversorgung wissen den freien Zugang zur Forschungsliteratur zu schätzen. Wird damit nicht ein Traum Wirklichkeit, den jüngst noch Robert Darnton, brillanter Historiker der Buchgeschichte des achtzehnten Jahrhunderts, in seiner Eigenschaft als Direktor der Universitätsbibliothek Harvard, umrissen hat - der Traum nämlich vom weltweiten freien Fluss der Ideen und Texte, den schon die Aufklärer träumten? Mir scheint, Open Access bedeutet keine Gefahr für das Abendland, im Gegenteil.
Gudrun Gersmann ist Direktorin des Deutschen Historischen Instituts in Paris und Vorsitzende des Unterausschusses „Elektronische Publikationen“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Gut gebrüllt, Löwin!
KlausGraf - am Mittwoch, 18. Februar 2009, 20:37 - Rubrik: Open Access
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KlausGraf - am Mittwoch, 18. Februar 2009, 20:33 - Rubrik: Open Access
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http://bibliotheksrecht.blog.de/2009/02/17/scannen-originale-5594501/
( Siehe schon: http://www.bibliotheksrecht.de/2008/01/16/verlegerrecht_und_layout_schutz~3584078/ )
Steinhauer begründet schlüssig, dass weder das Urheberrecht noch das UWG in aller Regel dem Scannen der Verlagspublikation, wenn der Autor dem Repositorium einfache Nutzungsrechte eingeräumt hat, entgegensteht.
Ergänzend möchte ich unterreichen, dass auch das Verlags-PDF bei aktuellen Publikationen verwendet werden darf, soweit die Publikation nach diesen Maßstäben retrodigitalisiert werden dürfte. Gibt der Verlag in seiner Policy bekannt, dass das Verlags-PDF nicht eingestellt werden darf, muss diese Policy in den Verlagsvertrag (als AGB) wirksam einbezogen worden sein.
Bei Abruf in Großbritannien (und einigen anderen Ländern) könnte allerdings ein britischer Verlag nach dem dortigen Layout-Schutz gegen das Scannen bzw. die Übernahme des PDFs vorgehen:
http://wiki.netbib.de/coma/ReproductionRights
( Siehe schon: http://www.bibliotheksrecht.de/2008/01/16/verlegerrecht_und_layout_schutz~3584078/ )
Steinhauer begründet schlüssig, dass weder das Urheberrecht noch das UWG in aller Regel dem Scannen der Verlagspublikation, wenn der Autor dem Repositorium einfache Nutzungsrechte eingeräumt hat, entgegensteht.
Ergänzend möchte ich unterreichen, dass auch das Verlags-PDF bei aktuellen Publikationen verwendet werden darf, soweit die Publikation nach diesen Maßstäben retrodigitalisiert werden dürfte. Gibt der Verlag in seiner Policy bekannt, dass das Verlags-PDF nicht eingestellt werden darf, muss diese Policy in den Verlagsvertrag (als AGB) wirksam einbezogen worden sein.
Bei Abruf in Großbritannien (und einigen anderen Ländern) könnte allerdings ein britischer Verlag nach dem dortigen Layout-Schutz gegen das Scannen bzw. die Übernahme des PDFs vorgehen:
http://wiki.netbib.de/coma/ReproductionRights
KlausGraf - am Mittwoch, 18. Februar 2009, 19:02 - Rubrik: Open Access
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Ein Buch mit Anwendungsbeispielen:
http://creativecommons.org.au/materials/Building_an_Australasian_Commons_book.pdf
http://creativecommons.org.au/materials/Building_an_Australasian_Commons_book.pdf
KlausGraf - am Dienstag, 17. Februar 2009, 02:03 - Rubrik: Open Access
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