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Bewertung

Bewertungsfragen sind auch in diesem Weblog alles andere als populär. Man kann ziemlich rasch die einschlägigen Beiträge unter

http://archiv.twoday.net/topics/Bewertung/

sichten.

Die politische Debatte über die Kassation der Stasi-Akten, die von der Birthler-Behörde mit archivischen Gepflogenheiten begründet wird

http://archiv.twoday.net/stories/6315338/

zeigt für mich, dass wir entschieden weg müssen von den archivischen Dogmata, die den gesellschaftlichen Diskurs über Kassationen kleinzuhalten bestrebt sind.

Dass Archivare im Lauf der Archivgeschichte gravierende Fehlentscheidungen, die ihrer Natur nach irreversibel sind, gefällt haben, steht außer Zweifel. Mit der die Öffentlichkeit für dumm verkaufenden Binsenweisheit, dass das Hauptgeschäft bei der Aktenübernahme nun einmal das Kassieren ist, lässt sich noch die abstruseste Vernichtung wertvoller Unterlagen begründen.

Aber solange Historiker und die kritische Öffentlichkeit sich nicht an der fachlichen Bewertungsdebatte beteiligen, wird es immer nur ein Strohfeuer geben.

Ich plädiere ganz bewusst für die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung der Entscheidungen im Bereich der Überlieferungsbildung:

http://archiv.twoday.net/stories/2699909/

Zitat: "Archivare sind, wenn sie bewerten, nicht unfehlbar. Eine Kontrolle ihrer Entscheidungen durch Wissenschaft, Öffentlichkeit und - notfalls - auch durch die Gerichte ist nicht nur sinnvoll, sondern auch geboten!"

Andrew Huff http://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/deed.en

"In der Birthler-Behörde sollen bis zu sechs Regalkilometer Akten durch den Reißwolf vernichtet worden sein. Experten für die Stasi-Aktivitäten sowie FDP-Politier kritisieren das Vorgehen und fordern ein Ende der Aktenvernichtung. Die mögliche Relevanz des vernichteten Materials sei nicht geklärt.
Hintergrund ist ein Bericht der Wochenzeitung "Jungle World", wonach die Stasiunterlagen-Behörde geschätzt etwa 20 Millionen Blatt entsorgt habe. Die Hälfte der Unterlagen wurde seit 2005 ausgesondert, heißt es in der Behörde. Ein Sprecher der Behörde verteidigte das Vorgehen: "Wenn die Archivare unterschiedslos alles, was sie in den Bündeln finden, erschließen, würden Arbeitszeit und Steuermittel sinnlos vergeudet." Nach Angaben von Insidern werden auch Papiere vernichtet, die möglicherweise Bedeutung für zukünftige Forschungen haben. So sind zahlreiche Postbücher ausgesondert worden, die den Stasi-internen Schriftverkehr, aber auch Kontakte mit anderen DDR-Behörden dokumentieren.
Rainer Deutschmann, Berichterstatter der FDP-Bundestagsfraktion für die Stasi-Akten, forderte deshalb, bis zur Klärung offener Fragen "vom Schreddern weiterer Akten abzusehen". Auch Hubertus Knabe, Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, kritisiert das Vorgehen der Behörde: "Es kann nicht sein, dass hinter den Kulissen Unterlagen vernichtet werden, die Bürgerrechtler vor zwanzig Jahren vor der Vernichtung gerettet haben. Dazu ist die Behörde nicht befugt." Auf Nachfragen hat die Birthler-Behörde bisher oft mit Verweis auf die Zulässigkeit von Aktenvernichtung in anderen Archiven verwiesen.
Nach beinahe 20 Jahren sind bei der Stasiunterlagen-Behörde erst vier Fünftel des erhaltenen Materials überhaupt erschlossen, mehr als die Hälfte davon ausschließlich durch Karteien, die noch die Stasi selbst angefertigt hatte. Hinzu kommt der Inhalt von rund 15.500 Säcken, in denen sich Überreste von Unterlagen befinden, die die Stasi im Frühjahr 1990 selbst "vorvernichtete". Über den Gehalt dieser Dokumentenreste besteht derzeit völlige Unkenntnis."

Quelle: 3sat Kulturzeitnachrichten, 29.04.2010

Link zum erwähnten Artikel der Jungle World

http://dominiquestrebel.wordpress.com/2010/04/07/akten-gesichert/

http://www.beobachter.ch/justiz-behoerde/buerger-verwaltung/artikel/aktenvernichtung_darf-man-schicksale-entsorgen/

der Kanton Bern hat 2500 Dossiers von administrativ Versorgten vernichtet; nur 207 sind im Archiv noch vorhanden. «Erst Anfang der 1980er Jahre haben sozialgeschichtlich interessierte Berner Archivare den Wert dieser Akten erkannt», sagt die Historikerin Tanja Rietmann, welche die Dossiers wissenschaftlich bearbeitet. «Die Unterlagen sind für die historische Forschung von unschätzbarem Wert.» Bisher ist die Geschichte des Vormundschaftswesens in der Schweiz nämlich kaum aufgearbeitet.

Foto Gabriele Kantel via Schockwellenreiter http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/deed.en

Eingesandt

Vom Fortgang des Archivars

Der Beruf des Archivars hat in den letzten fünf Jahren einen entscheidenden Wandel vollzogen. War er bisher ein Bewahrer von Quellen und Tradition, ist er nun ein Manager von Dateien und Aktenkassierer. War er früher geschichts-, ist er heute nur karrierebewusst und entwickelt sich zum Techniker, dessen Hauptaugenmerk Schnittstellen und Datenbanken gilt. Unterzog er sich früher der mühevollen Aufgabe des Aktenaussonderns und Bewertens vor Ort, bewertet er heute nach. D.h. was seine Vorgänger wohl überlegt und begründet ins Haus geholt hatten, wird nun kassiert. Die Nachbewertungskriterien sind dabei statistischer und nicht mehr inhaltlicher Natur, also der Materie nicht angemessen und unwissenschaftlich. Nicht die Dokumentation der politischen und gesellschaftlichen Prozesse innerhalb des Zuständigkeitsbereichs, sondern die Schaffung von Lagerkapazität ist das Ziel. Diese Tätigkeit wird dazu mit Nachbewertungsdiskursen verkleidet, die vor allem der Rechtfertigung des Berufsstandes dienen. Die Erschließung des Aktenmaterials muss hintanstehen oder wird an Hilfskräfte outgesourced. Die früher übliche Auswertung der Quellen, das sog. Forschen, unterbleibt. Auf diese Weise schwinden die Geschichtskenntnisse des Archivars. Bewertungskriterien entbehren der wissenschaftlichen Begründung. Bewertung durch den Archivar wird im digitalen Zeitalter dann endgültig überflüssig (werden), da einzelne Vorgänge oder Akten nicht mehr vorliegen bzw. erst rekonstruiert werden müssten. Objekte des „Archivierens“ werden Datenbanken sein.

Es ist nicht mehr nachvollziehbar, dass für den Eintritt in den höheren Archivdienst ein Studium Voraussetzung ist. Die Promotion ist selbstredend komplett obsolet. Auch die sog. Archivpädagogik und die Funktion als Dienstleister im regionalen Ausstellungswesen erfordern kein Geschichts- oder archivwissenschaftliches Studium. Problembewusstsein für diese mit hohem Qualitätsverlust verbundene Entwicklung scheint weder in den deutschen Archivverwaltungen noch in der Archivschule vorhanden zu sein.

Ernst Haft

Die Berliner Zeitung vom 12.02.2010 über den Umgang mit Unterlagen der ersten Stasiüberprüfung des Potsdamer Landtags 1991:

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2010/0212/brandenburg/0087/index.html

Vgl. dazu die Archivordnung des Brandenburgischen Landtags in der Fassung vom 30.05.2007:

http://www.landtag.brandenburg.de/sixcms/media.php/5701/Archivordnung.pdf

die auf der Grundlage des Brandenburgischen Archivgesetzes regelt, wann und durch wen eine Abgabe an welches Archiv erfolgt.

Die Berliner Zeitung vom 18. Januar 2010 zur Bewertungspraxis in der Birthler-Behörde:

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2010/0118/feuilleton/0052/index.html

Astrid Küntzel legt im Rahmen einer Transferarbeit 2009 Vorarbeiten für ein regionales Überlieferungsprofil vor:

http://www.archive.nrw.de/LandesarchivNRW/BilderKartenLogosDateien/K__ntzel___berlieferungspraxis.pdf

http://www.unesco.de/weltdokumentenerbe.html?&L=0

Ein Vortrag und ein Aufsatz zu dieser UNESCO-Initiative sind dort auf Deutsch abrufbar.

Der Ausschuss Überlieferungsbildung der BKK hat eine Empfehlung zur Archivierung der Unterlagen der Standesämter erarbeitet, die die BKK am 27.04.2009 in Plauen beschlossen hat. Die Empfehlung kann auf der Homepage der BKK - http://www.bundeskonferenz-kommunalarchive.de/empfehlungen.html - abgerufen und heruntergeladen werden.

via Marburger Mailingliste!

http://www.ossietzky.net/8-2009&textfile=583

Auszug:

Von November 1959 bis April 1960 war ich an der Verteidigung führender Persönlichkeiten des Friedenskomitees der Bundesrepublik Deutschland beteiligt, denen die Staatsanwaltschaft vorwarf, sich als »Rädelsführer in einer verfassungsfeindlichen Organisation« betätigt zu haben. Daß es sich beim Friedenskomitee um den bundesdeutschen Teil einer über alle Kulturstaaten der Erde verbreiteten Weltfriedensbewegung handelte, die außer bei uns nur im damals faschistisch beherrschten Spanien als angebliche kommunistische Tarnorganisation verfolgt wurde, focht die bundesdeutschen Ankläger und Richter nicht an. Sie gingen von der im herrschenden Zeitgeist der Adenauer-Ära verankerten Bedrohungslegende aus, wonach die Rote Armee der Sowjetunion bereitstehe, die Bundesrepublik zu überfallen, so daß die Friedensbewegung nur den Sinn haben könne, das Abendland wehrlos gegenüber der Welt des Bösen zu machen. Alle Beweisanträge der Verteidigung, mit denen wir die Richter über die wirklichen Bedrohungen des Weltfriedens aufklären wollten, gegen die unsere Mandanten mit publizistischen Mitteln gekämpft hatten, wurden vom Gericht unter Mißachtung der bis dahin gültigen Regeln der Strafprozeßordnung zurückgewiesen. In den Augen der vom Bundesgerichtshof (BGH) bestätigten Düsseldorfer Richter konnten die von uns vorgebrachten Fakten und Beweismittel nur kommunistische Propaganda sein, mit der man sich nicht auseinanderzusetzen brauchte.

Die westdeutsche Öffentlichkeit hat von diesem fünf Monate dauernden Großverfahren, in dem wir Verteidiger dem Gericht zahlreiche prominente Zeugen der Friedensbewegung aus aller Welt durch direkte Ladung aufgezwungen haben, so gut wie nichts erfahren. Das Schweigen der Medien funktionierte auch ohne Anweisung aus einem Propagandaministerium.

Es wurde dafür gesorgt, daß dieses historisch bedeutsame Verfahren auch für nachfolgende Generationen so unbekannt wie möglich blieb. Historisch wertvolle Akten werden in der Regel nach Abschluß der Sache an das Staatsarchiv abgegeben. Mit den Akten des Friedenskomitee-Prozesses ist das nicht geschehen. Sie sind nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Düsseldorf nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist vernichtet worden. Mit ihnen etwa 600 Dokumente zum neuen Rüstungswettlauf nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, die wir dem Gericht mit unseren Beweisanträgen übergeben hatten.

 

twoday.net AGB

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