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http://www.europarchive.org/

Das European Archive ist eine digitale Bibliothek für kulturelle Artefakte in digitaler Form. Der Zugang für Forscher, Historiker, Schüler und die breite Öffentlichkeit ist frei.

Angeboten werden derzeit:
* 22 Filme
* 348 Tonaufnahmen
* Webarchivierungs-Projekte

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/forum/type=diskussionen&id=816

Vielen Dank an Markus Malo! Auszug:

Die Diskussion um den geplanten Verkauf der Handschriften sowie die Dokumentation der bislang zu diesem Thema erschienenen Zeitungs- und Zeitschriftenartikel, offenen Briefe usw. ist in zahlreichen Mailinglisten, Weblogs und Webseiten im Internet zu verfolgen. Eine Auswahl einschlägiger Internetadressen, die sich dieser Aufgabe widmen, befindet sich am Ende dieser Mail.

Diejenigen, die den Erhalt der Sammlung unterstützen möchten, können dies durch Unterzeichnung eines offenen Briefs an den Ministerpräsidenten und die Landesregierung von Baden-Württemberg tun. Den Wortlaut des offenen Briefes findet sich unter der URL cgi-host.uni-marburg.de/~mrep/brief/ ; hier können Sie sich per Mail an kleink@staff.uni-marburg.de diesem offenen Brief anschließen.

Weblinks, über die weitere Informationen zu diesem Thema zur Verfügung gestellt werden:

www.blb-karlsruhe.de - Dokumentation über Presseberichte, Presserklärungen usw. zum geplanten Ausverkauf

Weblogs:

archiv.twoday.net/
log.netbib.de/

Mailinglisten

www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/date1.html - Über das Listenarchiv kann die Diskussion in der bibliothekarischen Fachöffentlichkeit verfolgt werden. Das Archiv ist tagesaktuell.

www.aedph.uni-bayreuth.de/mediaevistik.htm - Leider wird das Archiv dieser Liste nur monatlich aktualisiert, d.h. um die Debatte hier nachzuverfolgen, muß die Liste abonniert werden.

Für die Redaktion

Markus Malo

-------------------------------------------------------------
Markus Malo, M.A.
Universitätsbibliothek Stuttgart
Redaktion H-Germanistik
Holzgartenstr. 16 Postfach 104941
70174 Stuttgart 70043 Stuttgart
Tel: 0711/685-83815 FAX: 0711/685-83502
http.//www.h-germanistik.de
www.ub.uni-stuttgart.de
www.markus-malo.de


Erfreulicherweise auch in H-Germanistik
http://h-net.msu.edu/cgi-bin/logbrowse.pl?trx=vx&list=H-Germanistik&month=0609&week=e&msg=ckEv6MVdTcynsFsH9ysIPA&user=&pw=

http://www.bibliotheksrecht.de/

Wir gratulieren Eric Steinhauer für diese ausserordentlich gehaltvolle Bereicherung der Fachblog-Szene.

Jens Murken näherte sich theoretisch auf dem Essener Archivtag an.

http://archivnachrichten.blogspot.com/2006/09/historische-bildungsarbeit.html

Text und PDF-Download.

From: "Emine Kaynar"
Subject: [InetBib] Gesucht: Marketing für Bestandserhaltung: (Aktionen u. Projekte)
Date: Fri, 29 Sep 2006 22:10:12 +0200
To:

Sehr geehrte InetBib-Teilnehmer,

im Rahmen meiner Diplomarbeit "Deutschland ohne Worte: Wie Archive und Bibliotheken unser kulturelles Schriftgut erhalten wollen",
benoetige ich Informationen bezueglich erfolgreichen Aktionen und Projekten, mit denen die Oeffentlichkeit für das Thema Bestandserhaltung sensibiliert wird (Besipiel: Aktion Lesezeichen"; "Hamburg ohne Worte" etc.).

Welche/s Bibliothek/Archiv hat solche (Marketing-) Projekte/Aktionen laufen und kann mir gegebenfalls Informationsmaterial zusenden?

Ich bedanke mich für jede hilfreiche Antwort!

Mit freundlichen Grüßen

Emine Kaynar e.kaynar @ gmx.de

Aus der FAZ von morgen Samstag 30.09.2006, Nr. 228 / Seite 39:

Die baden-württembergische Landesregierung hat zu dem gestern in dieser Zeitung veröffentlichten Beitrag des Heidelberger Rechtswissenschaftlers Reinhard Mußgnug Stellung genommen und eingestanden, daß ihr Gutachten vorliegen, denen zufolge das Land im Streit mit dem badischen Fürstenhaus eine entschieden stärkere Rechtsposition einnehmen könnte, als sie die Regierung Oettinger bislang öffentlich vertreten hat. Mußgnug ist der Auffassung, die Kunstsammlungen des Fürstenhauses seien mit der Abdankung des letzten Großherzogs in Staatsbesitz übergegangen. Die Landesregierung teilte nun mit, Mußgnugs Rechtsauffassung entspreche einem Gutachten aus dem Jahr 1967, das von dem Heidelberger Rechtswissenschaftler Siegfried Reicke stamme. Unter Ministerpräsident Filbinger habe die Landesregierung 1976 versucht, auf der Grundlage dieses Rechtsstandpunktes eine Einigung mit dem Haus Baden zu erzielen; das sei jedoch nicht gelungen, weil die Fürstenfamilie es abgelehnt habe. rso.

Wenn die Fürstenfamilie nicht will, tanzt das Land gern nach ihrer Pfeife und sucht sich willfährigere Gutachter.

Nochmals zum Mitschreiben: Verschiedentlich wird in Presseveröffentlichungen der Bestand der Hof- und Landesbibliothek dem Domäneneigentum, das uneingeschränkt dem Großherzog zustand, zugewiesen. Das Domäneneigentum ging aber durch das von mir nachgewiesene Gesetz von 1919 (der Vertrag mit dem ehemaligen Großherzog) ins Landeseigentum über.
http://archiv.twoday.net/stories/2708484/

Zur Causa siehe dieses Weblog passim.

Das Denkmalschutzgesetz Baden-Württemberg enthält interessante innovative Regelungen zur Enteignung.

http://www.denkmalpflege-bw.de/service/denkmalschutzgesetz.php

§25 Voraussetzungen der Enteignung

(1) Die Enteignung ist zulässig, soweit die Erhaltung eines eingetragenen Kulturdenkmals oder seines Erscheinungsbildes oder die Erhaltung einer geschützten Gesamtanlage auf andere zumutbare Weise nicht gesichert werden kann.

(2) Die Enteignung ist außerdem zulässig

1. bei Funden, soweit auf andere Weise nicht sicherzustellen ist, dass ein Kulturdenkmal wissenschaftlich ausgewertet werden kann oder allgemein zugänglich ist,

2. bei Kulturdenkmalen, soweit auf andere Weise nicht sicherzustellen ist, dass sie wissenschaftlich erfasst werden können.

(3) Zum Zwecke von planmäßigen Nachforschungen ist die Enteignung zulässig, wenn eine begründete Vermutung dafür besteht, dass durch die Nachforschung Kulturdenkmale entdeckt werden.


§26 Enteignung beweglicher Sachen

(1) Ist Gegenstand der Enteignung eine bewegliche Sache, ein Recht an einer beweglichen Sache oder ein Recht, das zum Erwerb, Besitz oder zur Nutzung der beweglichen Sache berechtigt oder den Verpflichteten in der Nutzung der beweglichen Sache beschränkt, gelten §§4, 5, 7 bis 13, 17, §22 Abs. 1, 3 und 4, §§23, 27 bis 36, 39, 40, 42 und 43 des Landesenteignungsgesetzes entsprechend. In der Ausführungsanordnung können der Eigentümer und der Besitzer verpflichtet werden, die Sache an den Enteignungsbegünstigten herauszugeben.

(2) Ist zur Erhaltung, wissenschaftlichen Erfassung oder Auswertung eines Kulturdenkmals die sofortige Herausgabe an den Antragsteller dringend geboten, kann die Enteignungsbehörde den Eigentümer oder Besitzer verpflichten, die Sache an den Antragsteller herauszugeben. Im übrigen gelten §37 Abs. 2 bis 5 und §38 Abs. 2 und 3 des Landesenteignungsgesetzes entsprechend.

Die Leiterin der Handschriftenabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek, Claudia Fabian, sagte am Freitag im Deutschlandradio Kultur, das Vorhaben sei 'dreist' und 'skandalös'. Sie forderte, für einen möglichen Ankauf der Handschriften nach Kooperationspartnern zu suchen. Dies sei eine 'nationale Aufgabe'.

Fabian wies zugleich darauf hin, dass noch nicht alle rechtlichen Mittel ausgeschöpft seien, um die Pläne zu verhindern. Auch müsse der öffentliche Protest gehört werden. Ein Ausverkauf der Handschriften wäre 'ein Ausverkauf des Kulturstaats'
(ddp)

Siehe: http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/fazit/548941/

Auch Dieter Planck, Präsident des Landesamtes für Denkmalpflege, wandte sich gegen das Vorhaben , historische Handschriften für die Erhaltung von Schloss Salem am Bodensee zu verkaufen. Seiner Meinung nach kann mit der Veräußerung von Kunstschätzen die Erhaltung historischer Gebäude nicht gewissenhaft finanziert werden. „Ich kann die Art und Weise nicht nachvollziehen“, sagte der oberste Landesdenkmalpfleger am Freitag.

Nicht nur Gebäude erhalten

Die Öffentlichkeit habe nicht nur Anspruch auf die Bewahrung von Gebäuden, sondern auch auf den Erhalt der Schätze aus diesen Gebäuden, sagte Planck. „Es ist nicht gerecht, ortsfeste Gegenstände wie Klöster den leicht beweglichen und im internationalen Handel verkäuflichen Objekten gegenüber zu stellen.“ Nach Darstellung Plancks hat die Markgrafenfamilie in den vergangenen Jahren mehrere Millionen Euro in die Sanierung etwa von Dachteilen und bröckelnde Fassaden investiert. „Irgendwann kann man so etwas einfach nicht mehr leisten“, sagte Planck. Seine Einrichtung verfügt in diesem Jahr über zwölf Millionen Euro für den Erhalt von Gebäuden in Kommunen.

Auch die 1996 gegründete Gesellschaft Oberschwaben für Geschichte und Kultur wandte sich gegen den Deal von Adelshaus und Politik zur Erhaltung von Salem. „Es hieße, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben, würde der Erfolg durch den Ausverkauf der Handschriften erreicht“, sagte der Vorsitzende Hans-Ulrich Rudolf in Ravensburg.


http://focus.msn.de/kultur/kunst/handschriften-verkauf_nid_36539.html

Besonders bemerkenswert erscheint mir der Mut von Präsident Planck, der, weitgehend durch die Verwaltungsreform entmachtet, nun sehr deutliche Worte der Kritik findet.

Ausser Konkurrenz:
http://www.jungewelt.de/2006/09-30/044.php (Oettinger als Adelshelfer des Tages)

Vom Landesamt für Denkmalpflege an den Referatsleiter für Denkmalpflege im Wirtschaftsministerium BW, Dr. Hermann, verwiesen, hatte ich den richtigen Bürokraten an der Strippe.

Mehrfach betonte H., der Minister bzw. die Landesregierung werde nicht zulassen, dass Karlsruher Handschriften oder Handschriftengruppen ins Denkmalbuch eingetragen würden. Das widerspreche der "Einheit der Landesverwaltung". Nach Denkmalschutzrecht sei kein Verkaufs- oder Verbringungsverbot verfügt oder auch nur möglich. Es handle sich nur im formalen Sinn um Denkmale, eigentlich seien das Kulturgüter und für deren Schutz sei das Wissenschaftsministerium zuständig. Ein denkmalschutzrechtlicher Ansatz, das Problem zu lösen, sei ein "Holzweg".

Er mache sich noch keine Gedanken, was sein werde, wenn ein Teil der Kulturgüter in Privateigentum übergehe. Nach § 9 Denkmalschutzgesetz BW seien derzeit die fraglichen Bibliotheksbestände von den Genehmigungserfordernissen des Gesetzes ausgenommen, da sie von einer staatlichen Sammlung verwahrt würden.

Hermann verneinte, dass die Handschriften von § 8 Abs. 2 der die Zerstörung und Beseitigung der Kulturdenkmale verbietet ("Dies gilt für bewegliche Kulturdenkmale nur, wenn sie allgemein sichtbar oder zugänglich sind") erfasst würden. Die Handschriften der BLB seien nicht allgemein zugänglich.

Text des Gesetzes:
http://www.denkmalpflege-bw.de/service/denkmalschutzgesetz.php


***

Es darf auf meine Ausführungen von 1994 Bezug genommen werden:

"Da in anderen Bundesländern ganze Bibliotheken auf der Liste des national wertvollen Kulturguts stehen und in Bayern sogar eine Käfersammlung eingetragen wurde, hätte Baden-Württemberg das herausragende Ensemble der Donaueschinger Hofbibliothek ohne weiteres durch eine Eintragung schützen können, doch wurden nur ganz wenige Einzelstücke auf diese Liste gesetzt. Daß nicht einmal das ursprüngliche Zubehör der eingetragenen Handschriften erfaßt wurde, geht aus einem Verkauf im Jahr 1982 hervor. Damals ließ der Fürst bei der - mit dem Land nicht abgestimmten - Versteigerung zwanzig kostbarer Handschriften seiner Sammlung durch Sotheby's auch Fragmente der Vetus latina veräußern. Diese Bruchstücke einer altlateinischen Bibel, mit der sich ein eigenes Forschungsinstitut in Beuron beschäftigt, stammten nämlich aus dem Einband einer der drei auf der Liste stehenden Handschriften [Anm. 4]. Als das zuständige Ministerium weitere zwanzig Handschriften, ein Blockbuch und eine Inkunabel eintragen lassen wollte, blockte das Staatsministerium ab: die Verhandlungen sollten nicht gestört werden. Hier läßt sich die Rechtswidrigkeit des Vorgehens der Landesregierung mit Händen greifen. Ob die Abwanderung eines Kulturguts einen "wesentlichen Verlust" (Gesetzeswortlaut) für die Bundesrepublik bedeutet, bemißt sich nach objektiven Kriterien und ist von den Gerichten - leider nur auf Klage des Eigentümers - voll überprüfbar. Ein Beurteilungsspielraum steht der zuständigen Behörde nicht zu. Das zum Eintrag vorgesehene Blockbuch, eine "Kunst des Sterbens", und die Inkunabel, vermutlich der Wiener Aderlaßkalender von 1462, sind jedoch am 1. Juli ins Ausland verkauft worden (Erlös: zusammen etwa 1 Mio. DM). Um einen günstigeren Preis bei den Handschriften zu erzielen, hat die Landesregierung somit einen wesentlichen Verlust für das deutsche Kulturgut in Kauf genommen."

http://projekte.geschichte.uni-freiburg.de/mertens/graf/don.htm

Die Kriterien für die Denkmaleigenschaft stehen nicht zur Disposition der Landesregierung, auch wenn dieser Dr. Herman das anders sieht. Wenn z.B. die Reichenauer Klosterbibliothek "überörtliche Bedeutung haben oder zum Kulturbereich des Landes besondere Beziehungen aufweisen" sind sie nach § 12 Abs. 2 auch als bewegliche Kulturdenkmale zwingend einzutragen.

Ins Denkmalbuch wurden wesentlich weniger bedeutende Bibliotheken in Baden-Württemberg eingetragen, etwa die evangelische Predigerbibliothek in Isny oder die Ratsbibliothek Schwäbisch Hall, zu letzterer:
http://www.landesdenkmalamt-bw.de/nachrichtenblatt-online/NB2003-4-S-362-363.pdf

In Ermangelung einer Schutznorm kann sich der Bürger vor den Gerichten gegen die kaltschnäuzige Einschätzung der BW-Bürokraten nicht wehren, die hochrangigen Kulturdenkmalen den ihnen zustehenden Schutz nach dem Denkmalschutzgesetz einfach verweigern.

Siehe dazu auch:
http://archiv.twoday.net/stories/2736892/

Nachtrag: Kritik des Präsidenten des Landesamts für Denkmalpflege am Deal:
http://archiv.twoday.net/stories/2740802/

Die Denkmalfachbehörde kann meinen was sie will (der Maulkorb für Planck ist sicher schon ausgepackt), das Regierungspräsidium sitzt am längeren Hebel und ist dem Innenministerium unterstellt.

Auf der Meinungsseite der SZ von heute lesen wir:

Oettinger ist heute - in diesem Zusammenhang muss man sagen: leider - Ministerpräsident von Baden-W�rttemberg. In dieser Funktion möchte er nun einen Teil der Kultur des Abendlandes verhökern. Um den Markgrafen von Baden respektive die Sanierung dessen Salemer Schlosses zu finanzieren, will Oettinger einen wichtigen Teil der Badischen Landesbibliothek, in erster Linie mittelalterliche Handschriften, versteigern lassen. Der Vorgang ist empörend: Eine Sammlung, die Jahrhunderte sowie Kriege, Umstürze, Pleiten und Plünderungen überlebt hat, wird von einem emporgekommenen Provinzpolitiker versilbert.

Wes Ungeistes Kind Oettinger ist, beweist er jetzt durch den Satz, dass die Kritik an seinem Vorhaben nicht "auf den Wirtschaftsseiten" der Zeitungen stehe, sondern nur "im Kulturteil". Der Sinn dieses Satz ist klar: Die Wirtschaft ist ernst zu nehmen. Wer aber Kultur ernst nimmt, der hat einen Sprung in der Schüssel. Dies entlarvt alles, was Oettinger zu Kultur und Leitkultur gesagt hat, als heuchlerisches Gelaber. "Mir brauchet koi Kunscht, mir brauchet Krumbira (Kartoffeln)", hei�t ein schwäbisches Sprichwort. Dafür sorgt Oettinger.

Kaum Echo findet sich zum geplanten Karlsruher Handschriftenverkauf in Weblogs. Die Meinungsmacht der Blogger hat offenkundig andere Themen.

Offener Brief:
http://blog.markus-ritter.de/2006/09/28/baden-wurttemberg-verscherbelt-badischen-kulturschatz/

Back to the Feudalismus
http://hotmeals.twoday.net/stories/2738519/

Etwas Hohn
http://www.szon.de/blog/archives/1998-Kommt-schon,-der-Adel-braucht-doch-Kohle....html

Unreflektierte Vorurteile gegen öffentliche Sammlungen
http://rebellmarkt.blogger.de/stories/568016/

Zwar waren alle KollegInnen, die ich auf dem Essener Archivtag sprach, entsetzt und fassungslos, aber eine Resolution gab es nicht. Mein Fehler, ich hätte ja auf der Mitgliederversammlung des VdA eine beantragen können.

In den Niederlanden hat Agnes Jonker am 26.9. auf die Karlsruher Pläne aufmerksam gemacht:
http://forum.archieven.org/index.php?topic=5873.msg8706

Vielen Dank!

Ausverkauf von Werken des kulturellen Gedächtnisses stoppen!

(Bonn/Münster 28.09.2006) Das Vorhaben des Landes Baden-Württemberg, wertvolle Handschriften aus dem Bestand der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe zu verkaufen, um mit dem Erlös Schloss Salem zu sanieren, dass sich im Besitz der Markgrafen von Baden befindet, hat der kulturpolitische Sprecher des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Prof. Dr. Thomas Sternberg, kritisiert.

„Der geplante Verkauf dieser historischen Sammlung ist ein eklatanter Verstoß gegen den Auftrag der öffentlichen Kulturpolitik, möglichst vielen den Zugang zu diesen Kunstwerken zu ermöglichen, die einen wesentlichen Beitrag zum kulturellen Gedächtnis unseres Landes darstellen," so Sternberg wörtlich. "Das kulturelle Erbe, das die Handschriftensammlung als Fundus europäischen Mönchstums und einzigartiger Werke kirchlicher Kunst und Literatur verkörpert, darf nicht nach jeweiliger Kassenlage zur Disposition gestellt werden. Die Handschriften zeigen in einzigartiger Weise Berührungen der Kunst mit christlichem Glauben.
Die Klöster haben diese liturgischen, biblischen und anderen religiösen Schriften über Jahrhunderte als ihre größten Schätze gehütet. Jenseits der Frage, inwiefern das Land aufgrund unklarer Eigentumsverhältnisse überhaupt zu einem solchen Schritt berechtigt ist, würde der Verkauf der Handschriftensammlung ein unverzichtbares Gut in alle Winde zerstreuen."

http://www.zdk.de/pressemeldungen/meldung.php?id=369

Name und Anschrift der
Stiftung

Zähringer Stiftung
Neues Schloß
76530 Baden-Baden
Schriftwechsel an:
Zähringer Stiftung
Rentamt
88682 Salem
Tel.: 07553/810
Rechtsnatur Stiftung des öffentlichen Rechts
Stifter/in Seine Königliche Hoheit Großherzog Friedrich II von Baden
Genehmigung 22.03.1954 durch Regierung des Landes Baden-
Württemberg
Stiftungszweck
Erhaltung in bisherige Weise und Zugänglichmachen der
Öffentlichkeit folgender Sammlungen:
a) Die ehem. von Wessenbergische Gemäldesammlung
in Konstanz
b) Das Kopf´sche Kunstmuseum in Baden-Baden
c) Die Louis Jünck´sche Gemäldesammlung in Baden-
Baden
d) Die Türkensammlung in Karlsruhe
e) Die Großherzogliche Münzensammlung im staatl.
Münzkabinett
f) Die hofeigenen Bestände der früheren vereinigten
Sammlungen in Karlsruhe
g) Die hofeigenen Bestände der Hof- und Landesbibliothek
in Karlsruhe
Stiftungsorgane Verwaltungsrat
Stiftungsbehörde Regierungspräsidium Karlsruhe

Quelle:
http://www.rp.baden-wuerttemberg.de/servlet/PB/show/1119226/Z%E4hringer%20Stiftung.pdf

Laut SWR gehört dem Verwaltungsrat an:
*der Erbprinz Bernhard von Baden
*Prof. Siebenmorgen (Bad. Landesmuseum) und
* Graf Douglas

Gerade bei dem letzten Namen darf man annehmen, dass man den Bock zum Gärtner gemacht hat. Schliesslich ist der ehemalige Sotheby's-Vertreter (verantwortlich für die skandalöse Auflösung der Markgrafen-Kunstkammer 1995) erst letztes Jahr unrühmlich als Manager des Ausverkaufs der welfischen Marienburg aufgetreten.

Als MP3:

http://ondemand-mp3.dradio.de/podcast/2006/09/28/dlf_200609281737.mp3

Verband Deutscher Kunsthistoriker e.V.

aus aktuellem Anlass:

Offener Brief: Zum drohenden Verkauf Karlsruher Handschriften

An den
Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg
Herrn Günther H. Oettinger
Staatsministerium Baden-Württemberg
Richard-Wagner-Straße 15
70184 Stuttgart


Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

der Verband Deutscher Kunsthistoriker protestiert aufs Schärfste gegen den Plan der baden-württembergischen Landesregierung, kostbare Handschriften aus der Landesbibliothek Karlsruhe zu verkaufen, um mit dem erhofften Erlös das großherzogliche Haus Baden zu entschulden und zugleich damit den denkmalpflegerischen Erhalt des ehemaligen Zisterzienserklosters Salem zu sichern, das seit 1802 dem Haus Baden gehört und weiterhin als Wohnsitz dienen soll.

Es ist höchst zweifelhaft, ob dem Haus Baden überhaupt ein Besitzrecht an den von ihm beanspruchten beweglichen Kunst- und Bibliotheksgütern zusteht, die auch vor 1918 nicht Privatbesitz der Großherzöge waren. Die heute in der FAZ (Nr. 227, S. 37) veröffentlichte Beurteilung des Heidelberger Steuer- und Finanzrechtlers Mußgnug widerspricht mit sehr eindeutiger Begründung der derzeit von der baden-württembergischen Landesregierung geäußerten Auffassung.

Doch selbst im gegenteiligen Falle wäre es Pflicht und Ehrensache des verantwortlichen Ministerpräsidenten, eine derart beispiellose und barbarische Zerstreuung wertvollsten, gewachsenen Kulturgutes unter allen Umständen zu verhindern.

Denn Sie, Herr Ministerpräsident, tragen in der Gegenwart und vor der Zukunft des Ihrer Obhut anvertrauten Landes dafür Verantwortung, die mehr als tausend Jahre umspannenden Zeugnisse seiner kulturellen Eigenart und auch die Zeugnisse der weitgreifenden, die heutigen Landesgrenzen weit überschreitenden kulturellen Interessen zu bewahren, die sich in dem Karlsruher Bücherbestand von größtem ideellen Wert manifestieren.

Solche Sammlungsbestände besitzen, wie man in den Geschichtswissenschaften seit langem erkannt hat, ihren besonderen Wert in der gewachsenen, vielschichtigen Einheit. Diese stellt ein bedeutendes historisches Zeugnis in sich dar, das für alle Zeiten zerstört würde durch den Verlust auch nur weniger Handschriften, so wie eine kostbare Krone durch das Herausbrechen einzelner Perlen und Steine an materiellem und ideellem Wert entscheidend verlöre.

Und was wäre die Plünderung der einzigartigen Karlsruher Handschriftensammlung für ein Beitrag zur kulturgeschichtlichen Gleichberechtigung der badisch-schwäbischen Geschwisterschaft, wenn der ehemals württembergische Bibliotheksbesitz gottseidank unanfechtbar in der Stuttgarter Landesbibliothek erhalten bleibt?

Als 1980 die kostbare Bibliothek des Hauses Oettingen-Wallerstein bedroht war, fand die bayerische Staatsregierung unter Franz Josef Strauß eine intelligente Mischfinanzierung, mit der die Bibliothek – zu einem damals schon sehr stattlichen Preis ! – vollständig für die Universität des schwäbischen Landesteils in Augsburg und damit für das gemeinsame kulturelle Gedächtnis gerettet wurde. Das war in einem Land, das gleichzeitig an einem wirtschaftlich hochanspruchsvollen und wie wir sehen erfolgreichen Strukturwandel arbeitete, selbstverständlich. Sollte so etwas nicht auch heute in Ihrem Bundesland nicht nur möglich, ja vielmehr obligatorisch sein?

Wirtschaft und Kultur, sehr verehrter Herr Ministerpräsident, sind – und waren – immer zwei Seiten derselben Medaille, und für die Kultur waren immer auch hohe wirtschaftliche Opfer zu bringen, die sich freilich reich verzinsen.

Bei entsprechend gewachsenem Bewußtsein für das, was auf dem Spiel steht und angesichts des drohenden Verlustes an kultureller Identität und internationalem Ansehen müßte in einem so sprichwörtlich kreativen Lande wie dem Ihren doch auch in der Regierung soviel Phantasie zu entwickeln sein, wie nötig ist, um den vollständigen Erhalt der Karlsruher Bücherschätze zugleich mit dem von Kloster Salem sicherzustellen. Das können nicht nur die Bürger Ihres Landes von Ihnen erwarten, dazu fordert auch die Fachöffentlichkeit Sie dringendst auf!

Im Namen der Mitglieder des Verbandes Deutscher Kunsthistoriker

Hochachtungsvoll

gez. Prof. Dr. Georg Satzinger

Wer etwaige weitere Protestmaßnahmen namentlich unterstützen möchte,
teile dies bitte unter Angabe von Namen und Anschrift unter folgender
E-Mail-Adresse mit:
unterschrift kunsthistoriker.org

Vielen Dank für Ihre Unterstützung!


Information

Der im August 1948 gegründete Berufsverband vertritt die Interessen der in Deutschland und in deutschen Institutionen tätigen Kunsthistoriker. Öffentlichkeit für das Fach Kunstgeschichte wird unter anderen durch Publikationen und den zweijährlich stattfindenden Deutschen Kunsthistorikertag geschaffen (mit Mitgliederversammlung). Neben der Betreuung der klassischen Bereiche Universitäten und Forschungsinstitute, Museen und Denkmalpflege widmet sich der Verband verstärkt der Situation der in freien Berufen tätigen Kollegen und der Studenten, die vor dem Einstieg ins Berufsleben stehen.

Quelle:
http://www.zikg.lrz-muenchen.de/VDK/homepage.htm

*Manuscripts of the Badische Landesbibliothek, **Karlsruhe***

It has come to the attention of the Expert Group of European Manuscript Librarians, operating under the auspices of the Ligue des Bibliothèques Européennes de Recherche (LIBER), that the Government of Baden-Württemberg is planning to auction off large parts of the manuscript collection of the Badische Landesbibliothek in Karlsruhe which has been in public custody since the abolition of the Grand Duchy in 1918/19.

The LIBER Expert Group of European Manuscript Librarians recognises the unique significance of manuscript and archive collections, not only for the world of research and learning, but also for a wider audience of people interested in history and cultural heritage. The primary aims of the Group are to act as a forum for curatorial concerns, and to enhance understanding and practical cooperation among curators across Europe.

As a group of manuscript curators we protest against the possibility of a 'diaspora' of manuscripts which are not only an important part of the German cultural heritage but as such also part of the common European cultural tradition. The manuscripts now held in Karlsruhe have been collected over centuries, have been kept in the Landesbibliothek for decades, and have been catalogued after World War II with DFG-funding. Although the juridical ownership of these manuscripts seems to be disputed, we urge the government of Baden-Württemberg to do its utmost to try and keep this historical collection together, accessible to the international scholarly community.

Dr. A.Th. Bouwman

Chairman, Expert Group of European Manuscript Librarians, LIBER
[Keeper of Western manuscripts
Leiden University Library]

Dr Bernard Meehan
Acting Secretary, Expert Group of European Manuscript Librarians, LIBER
Keeper of Manuscripts
Trinity College Library, University of Dublin

Am Samstag, 7.10. soll nachmittags im International Library Centre bei der Frankfurter Buchmesse eine Podiumsdiskussion zum drohenden Verkauf der Handschriftensammlung der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe stattfinden. Einige prominente Redner aus Bibliothek, Fachwissenschaft und von der DFG haben schon zugesagt.

Merken Sie sich also diesen Termin vor! Die Messekarte kostet 9,50 Euro - das sollte uns unser kulturelles Erbe wert sein!

Viele Grüße,
Bettina Wagner

http://commons.wikimedia.org/wiki/Verwaltungsgerichtshof_Baden-W%C3%BCrttemberg:_National_wertvolles_Kulturgut%2C_1986

Leider sind die Bilder dieses urheberrechtlich nicht geschützten Gerichtsurteils (§ 5 UrhG) mir zu klein geraten. Sie stammen aus:

Schmid, Hermann: Von der Sozialpflichtigkeit säkularisierter Kunstgegenstände : Überlegungen zum Urteil d. Verwaltungsgerichtshofs B-W vom 14.3.1986 gegen Markgraf Max von Baden. - In: Freiburger Diözesan-Archiv 106. 1986. - S. 257 - 272

Schmid äußert sich in diesem lesenswerten Aufsatz sehr kritisch über den Eigentumsanspruch der Markgrafen. Ein 1919 aufgestelltes Verzeichnis des Markgrafeneigentums konnte er trotz mehrfacher Nachforschungen im GLA nicht auffinden.

Es fällt nicht leicht, angesichts des Ausverkaufs der Handschriftensammlung der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe die Ruhe zu bewahren. Das Perfide daran ist: Das Land Baden-Württemberg hat alle Trümpfe in der Hand, was den möglichen Schutz der unersetzlichen Handschriften angeht. Obwohl Kulturgüter von nationalem Wert ohne Wenn und Aber nach gerichtlich - aber nur für den Eigentümer! - voll nachprüfbaren Kriterien in die Liste national wertvollen Kulturguts einzutragen sind, um die Abwanderung ins Ausland zu verhindern, kann das Land rechtswidrig dem Haus Baden zusagen, dass keine solche Verkaufsbeschränkung erfolgt. Zuständig für die Eintragung ist ja das Wissenschaftsministerium des Landes. Der Bürger kann dagegen nicht vor Gericht ziehen, ihm fehlt das für die Klagebefugnis erforderliche subjektive öffentliche Recht. Ebenso verhält es sich im Denkmalschutzrecht. Natürlich ist die ehemalige Klosterbibliothek der Reichenau eine Sachgesamtheit, die das Kriterium eines Kulturdenkmals ohne weiteres erfüllt. Schließlich ist sie ungleich bedeutender als die evangelische Predigerbibliothek in Isny, die im Denkmalbuch steht. Eine Eintragung der Reichenauer Bestände wird aber dank des Weisungsrechts der Landesregierung gewiss unterbleiben. Das gleiche Bild bei der staatlichen Stiftungsaufsicht der ominösen "Zähringer-Stiftung", die das angeblich oder wirklich in Privateigentum befindliche Kulturgut des Hauses Baden verwaltet. Vor allem bei den beweglichen Denkmälern kann sich das Land Baden-Württemberg jeden Willkürakt leisten. Erinnert sei nur an den Verkauf der Druckschriften der Donaueschinger Hofbibliothek ab 1999, unter denen sich die Bibliothek des Joseph von Laßberg, ein Kulturdenkmal von europäischem Rang, befand. Wir brauchen also dringend - nach dem Vorbild des Naturschutzrechts - ein Verbandsklagerecht für anerkannte kulturelle Vereinigungen, mit denen die Einstufungen im Kulturgutschutz- und Denkmalschutzrecht von einem unabhängigen Gericht kontrolliert werden können. Sonst werden Kulturgüter zum Freiwild der Haushaltspolitiker.

(Der FAZ als Leserbrief zugeleitet.)

Update: Veröffentlicht am 6. Oktober 2006 S. 9

Ergänzend sei wie immer auf
http://www.blb-karlsruhe.de/ verwiesen. Hier nur eine Auswahl der zunehmenden Presseberichte.

Ausführlich berichtet über die Pressekonferenz der beiden Stuttgarter Minister (Finanzen: Stratthaus, Wissenschaft: Frenkenberg) vom Donnerstag bw heute:

Ausverkauf von Bibliotheksschätzen
Bilder gegen Bücher oder gar heimliche Haushaltssanierung, wie manche vermuten? Denn laut Bibliotheksdirektor Peter Michael Ehle müsste wohl fast das gesamte Konvolut – es besteht aus rund 3600 Handschriften, 4000 Musikschriften und 13 000 Inkunabeln, also Frühdrucken – abverkauft werden, um an 70 Millionen Euro zu kommen. Das wird von Stratthaus und Frankenberger bestritten. "Nach internationalen Kunstexperten sind manche Blätter viel mehr wert, als bisher angenommen", so Stratthaus. "Ob die dann auch verkauft werden, ist die andere Frage." Und deren Antwort liegt in der Verantwortung des Wissenschaftsministers.
Der lässt eine Kommission mit Experten aus seinem Hause und der badischen Landesbibliothek bilden, deren Mitglieder auswählen sollen, was veräußert werden soll. Die Experten, unter denen laut Minister keiner sei, der einen Vorteil aus dem Verkauf ziehe, sollen möglichst zurückhalten, was für die wissenschaftliche Benutzbarkeit wichtig oder für die badische Landesgeschichte von Bedeutung ist. "Ich nenne keine Objekte, zumal schon in der Kunstszene Werke angeboten werden, die nicht zum Verkauf stehen", erklärt Frankenberg. "Nicht alles, was in Baden geschaffen wurde, ist für Baden und nicht jedes Liebhaberstück ist zwangsläufig für die wissenschaftliche Forschung relevant. Unsere Experten wissen, was sie tun."

Hoffen auf den edlen Spender
Ob das bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) genauso gesehen wird, bleibt abzuwarten. Da von dort die Erschließung und Katalogisierung der Manuskripte mit rund 1,5 Millionen Euro gefördert wurden, wird bei der DFG erwartet, dass die Handschriften, die fünf Prozent des gesamten deutschen Bestands einmaliger Schriftquellen ausmacht, dauerhaft für die Wissenschaft und Forschung zugänglich bleiben. Wenn sie in Privathände gelangen, ist das jedoch kaum zu garantieren. Dann könnten die DFG-Vertreter ihre Fördergelder zurückfordern. Doch der Wissenschaftsminister ist bereit, dies in Kauf zu nehmen. "Das Risiko geht auf mein Haus. Aber im Vergleich zum Erlös ist das ein geringes."
Und so wird gehofft, dass sich ein Käufer findet, der die wertvollen Blätter in der Landesbibliothek lässt. Die Chancen hierfür sind gering: Die Messer auf dem Kunstmarkt sind längst gewetzt. Den Vergleich verzögern könnten nun die Mitglieder des Landtags, denn die müssen noch zustimmen. Laut Finanzminister Stratthaus soll dies noch im Oktober geschehen.


Kommentar: Vollendete Ignoranz! Wo bitteschön sind in der BLB die Liebhaberstücke, die für die Forschung irrelevant sind? Welche historische Handschrift ist überhaupt für die Forschung bedeutungslos?

***

In einer gemeinsamen Erklärung appellieren jetzt Wulf D. v. Lucius, der Vorsitzende der Württembergischen Bibliotheksgesellschaft, und Hannsjörg Kowark, der Direktor der Württembergischen Landesbibliothek, an das Land, den Verlust "wertvollster historischer Bestände" zu verhindern und andere Wege des Ausgleichs mit der Familie der Markgrafen von Baden zu finden. Sollte angesichts der noch nicht geklärten Rechtsverhältnisse der Verkauf nicht zu vermeiden sein, solle "das Opfer nicht allein den Büchern" auferlegt werden, heißt es in der Mitteilung. Nach Ansicht von Lucius und Kowark ist es nicht einleuchtend, "dass Bilder, Skulpturen und andere Gegenstände schützenswerter sein sollten als der gewachsene Handschriftenbestand, der für die Erforschung und Tradierung der Geschichte gewichtiger ist als manches Kunstwerk". (Stuttgarter Zeitung 28.9.2006)

Stuttgarter Zeitung
http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/detail.php/1257039?_suchtag=2006-09-28
Die Regierung agiere zu defensiv.

Die Welt
http://www.welt.de/appl/newsticker2/?channel=kul&module=dpa&id=12748720
Baden-Württemberg im Kreuzfeuer der Kritik

Berlin (ddp). Der Deutsche Kulturrat bewertet das Festhalten der baden-württembergischen Landesregierung an dem geplanten Verkauf von wertvollen Handschriften als «Skandal». Es sei unglaublich, dass sich ein Kunstminister eines Landes hinter einen solchen Vorgang stelle, sagte Kulturrats-Geschäftsführer Olaf Zimmermann am Donnerstag der Nachrichtenagentur ddp in Berlin.

Der baden-württembergische Kunstminister Peter Frankenberg (CDU) sollte sich die Frage stellen, ob er die richtige Aufgabe habe.

Zimmermann betonte, die inzwischen internationale Kritik an den Verkaufsplänen sei «an Deutlichkeit nicht mehr zu übertreffen». Die gesamte Fachwelt halte den Vorgang für «nicht hinnehmbar». Die Argumentation der Landesregierung, damit einen langwierigen und möglicherweise riskanten Gerichtsprozess mit dem Markgrafenhaus Baden zu verhindern, wies Zimmermann zurück. Das Land habe die Aufgabe, Kulturbesitz zu wahren und sollte es auf einen Prozess ankommen lassen.

Zimmermann bekräftigte, bei einer Veräußerung der Handschriften würde es bundesweit «kein Halten» mehr geben, Finanzschwierigkeiten mit dem Verkauf von Kulturgut zu lösen. «Wenn man die Schleuse öffnet, wird man sie nie wieder geschlossen bekommen», warnte der Geschäftsführer. Es gehe um viel mehr, als um die Frage der Handschriften.
(ddp)

Die FAZ fordert zurecht eine Offenlegung der Gutachten:

„Wir hätten einen Rechtsstreit mit dem Haus Baden nicht gewinnen können, und stellen Sie sich vor, Cranachs Gemälde in den staatlichen Sammlungen müssen abgehängt werden, weil das Haus Baden sie verkaufen will“, sagte Finanzminister Stratthaus. Wissenschaftsminister Frankenberg versprach, dafür zu sorgen, daß „Pakete von Schriften“ zusammengehalten würden, damit die wissenschaftliche Nutzbarkeit nicht gefährdet werde. Er sagte, das Vorgehen der Regierung sei kein Bruch mit der Tradition des Landes; denn man „wäre nie auf die Idee gekommen, Kunstgegenstände zu verkaufen, wenn die Rechtslage nicht so unsicher wäre“. Dann allerdings stellt sich die Frage, warum - wenn die Rechtslage so eindeutig ist - die Gutachten nicht veröffentlicht werden oder zumindest der Opposition zur Verfügung gestellt. Ministerpräsident Oettinger hatte eine Veröffentlichung in Aussicht gestellt; das Finanzministerium äußerte Bedenken.

Das Weblog http://kulturausverkauf.blogg.de/ enthält einen weiteren offenen Protestbrief an Oettinger.

http://www.wumkes.nl

Die Bücher (vor allem 19. Jh.) und Zeitschriften liegen als PDFs vor.

[...] Was für den Dynastie-Wechsel galt, galt beim Untergang der Monarchie erst recht. Denn die neuentstandene Republik kann die abgetretene Dynastie schwerlich großzügiger behandeln, als das die untergegangene Monarchie mit ihren depossedierten Dynastien getan hat. Drum schlägt beim Untergang der Monarchie das fürstenrechtliche Pertinenz-Prinzip ein letztes Mal durch. Die Souveränität geht vom Monarchen auf das Volk über; die Republik übernimmt das bis dahin fürstenrechtlich gebundene Kronvermögen. Dem Monarchen verbleibt allein das, was nach Fürstenrecht zu seinem Privatvermögen zählte.

Die Abdankung des Großherzogs

So hat auch Baden die Dinge geregelt. Es hat 1919 einen Vertrag mit dem vormaligen Großherzoglichen Haus geschlossen, der diesem eine Reihe von Liegenschaften des vormaligen Patrimonialbesitzes „als Privateigentum“ zusprach, die Sammlungen der Kunsthalle und der Landesbibliothek aber nicht erwähnt. Auf sie hätte der Vertrag eingehen müssen, wenn auch sie dem Großherzog hätten überlassen werden sollen. Dazu bestand indessen für die Republik Baden kein Anlaß. Sie trat nicht an, um Badens Kulturerbe als notfalls versilberbares Reservevermögen an seinen scheidenden Monarchen abzutreten.

Fazit also: Die Sammlungen der Landesbibliothek wie der Kunsthalle in Karlsruhe und anderer Museen des Landes sind mit der Abdankung des Großherzogs automatisch auf die Republik Baden und von ihr 1952 auf Baden-Württemberg übergegangen. Es gibt daher keinen Grund, sich mit dem Markgrafen über das Eigentum an ihnen zu vergleichen, schon gar nicht zu einem so horrenden Preis wie dem, den die Liquidierung der Karlsruher Handschriftensammlung das Land Baden-Württemberg kosten würde.
Reinhard Mußgnug ist emeritierter Professor für Finanz- und Steuerrecht an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg.


FAZ 29.09.2006, Nr. 227 / Seite 37

Siehe dazu in diesem Weblog:
http://archiv.twoday.net/stories/2731632/
http://archiv.twoday.net/stories/2708484/

Zur Rechtslage siehe auch:
http://www.welt.de/data/2006/09/28/1053382.html?s=2

Nicht vorenthalten sei dem werten Publikum ein Beitrag aus INETBIB:

From: Eric Steinhauer
Subject: [InetBib] Auf der HP von Baden-Württemberg
Date: Thu, 28 Sep 2006 09:44:10 +0200 (CEST)
To: Internet in Bibliotheken

gibt es zwar keine Infos über die BLB-Aktion, dafür aber ein schönes, aktuelles Foto des Ministerpräsidenten
http://www.baden-wuerttemberg.de/sixcms/detail.php?id=154732&template=lbw_grossbild_html&referer=88736&_min=_lbw
Ob das providentiell zu verstehen ist? Etwa "lacum aperuit et effodit eum et incidit in foveam, quam fecit." Ps. 7,16
:-}

http://mp3.swr.de/swr2/forum/swr2_forum_20060928_handschriftendeal.6444m.mp3

In Unterfranken wird – mit Mitteln der Bayerischen Landesstiftung – angekauft, nicht verscherbelt:

Es ist kreisrund, mehr als 400 Jahre alt und das einzige bekannte Werk seiner Art: Ein Sammelband aus der Hofbibliothek Julius Echters. Lange war das Buch verschollen; erst vor kurzem ist es in den USA wieder aufgetaucht; jetzt hat es die Universitätsbibliothek Würzburg auf einer Versteigerung in New York gekauft. Ab Freitag, 29. September, wird das einzigartige Rundbuch erstmals der Öffentlichkeit auf der Würzburger Festung im Fürstenbaumuseum präsentiert. Es kann dort bis Ende Oktober besichtigt werden.


Mehr Informationen und ein schönes Bild dieser Rarität gibt's hier:

http://idw-online.de/pages/de/news177210

und beim Schwäbischen Tagblatt:

http://www.cityinfonetz.de/index.php?nav1=das+magazin&artikel_id=35612321

Bücher gegen Bilder

Es sollen Handschriften verkauft werden, um den öffentlichen Sammlungen die wertvollen Kunstschätze des Hauses Baden zu sichern (F.A.Z.-Feuilleton vom 27. September). Mit diesem Vorschlag konnte der im Vergleich zu Manuskripten größeren Bekanntheit von Bildern Rechnung getragen, zugleich aber auch unterstellt werden, es handle sich bei dem zu verhökernden Bestand der Badischen Landesbibliothek lediglich um verstaubte Bände, die eigentlich nur ergraute Spezialisten zu interessieren hätten. Wieweit die zu einem großen Teil im Zuge der Säkularisation am Anfang des 19. Jahrhunderts aus den Klöstern in die Großherzogliche Hofbibliothek und spätere Landesbibliothek gelangten Handschriften tatsächlich als Besitz des Hauses Baden zu behandeln sind, mögen Juristen entscheiden. Den Entscheidungsträgern, die dem Verkauf einer solchen Sammlung zustimmen, muß jedoch bewußt sein, was für ein immens wichtiges kulturelles Erbe hier zerstört wird. Es geht unter anderem um Spitzenstücke des Reichenauer Klosters aus der karolingischen und ottonischen Zeit, die Zeugen einer für die damalige Geschichte des Reiches einzigartigen Text-, Schrift- und Buchmalereikultur sind. Als nicht minder wichtig müssen selbst die weniger bekannten Provenienzen gelten, zu denen insbesondere St. Peter im Schwarzwald zu zählen ist. Der unersetzliche Bestand, zu dem auch so prachtvoll ausgestattete Zimelien wie die Evangelistare von St. Peter und dasjenige von Speyer gehören, ermöglichen es, in einer einzigen Sammlung die subtilen Varianten jener Miniaturmalerei zu verfolgen, die um 1200, am Übergang von der Romanik zur Gotik, neue Formen des Bildverständnisses entwickelt. Der Bücherschatz umfaßt zudem wichtigste Referenzwerke der oberrheinischen Buchmalerei vom 12. bis zum 15. Jahrhundert. Sie stammen überwiegend aus Klöstern der Region, sind aber nicht einfach badischen Ursprungs, sondern sind zum Teil im Elsaß, in Basel oder am Hochrhein entstanden und überliefern uns eine so enge Verflechtung von Wissen, Frömmigkeit und Bildgestaltung, wie sie an keinem anderen Ort der Welt zu finden ist. Auch wenn dem Vernehmen nach gewisse Highlights erhalten bleiben sollen, zeugt die Absicht, eine solche Sammlung auseinanderzureißen, von einem bisher nicht für möglich gehaltenen Unverständnis der eigenen Kultur und ihrer Geschichte.

Professor Dr. Lieselotte E. Saurma,
Universität Heidelberg

Leserbrief FAZ 28.9.2006, S. 10

Deutschland verschleudert seine Vergangenheit
Amerikanische und britische Kunsthistoriker sind entsetzt: Ein Protest gegen die Pläne der Regierung Oettinger

An die Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

22. September 2006

Es fehlen uns die Worte, unserer Verwunderung, unserem Schock und Entsetzen Ausdruck zu geben, angesichts der noch immer fast unglaublichen Nachrichten über den skandalösen Plan, den größten Teil der Handschriftenbestände - ungefähr 3500 von insgesamt 4200 Bänden - aus der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe zu verkaufen, um es dem Haus von Baden zu erlauben, seine Schulden zu begleichen und seinen letzten Wohnsitz in Salem zu renovieren. Andere Nationen, zum Beispiel England, haben Wege gefunden, durch Instrumente wie den National Trust ein Gleichgewicht zwischen Konservierung und privaten Besitzansprüchen herzustellen. Nicht zuletzt dank Dostojewski bleibt Baden-Baden, die frühere Residenz des markgräflichen Hauses, weltbekannt als Sitz des heute unbedeutenden Spielkasinos, aber wer hätte gedacht, daß die Regierung von Baden-Württemberg sich als die größte Spielerin von allen erweisen würde?

Abgesehen von allen anderen Erwägungen, ist es fraglich, ob der Weltmarkt so viele Handschriften, von denen viele unvergleichliche Schätze sind, auf einmal und innerhalb so kurzer Zeit aufnehmen kann. Deshalb steht zu befürchten, daß eine große Zahl von ihnen zu Preisen verschleudert werden, die in keiner Beziehung zu ihrem echten Wert stehen. Abgesehen von der finanziellen Verantwortungslosigkeit, wird mit dieser Aktion, die unter der Hand und ohne öffentliche Debatte oder Rechnungsprüfung beschlossen wurde, eine der größten Sammlungen der Welt in alle Winde verstreut und damit zerstört.

Dieser Handschriftensammlung repräsentiert in vielerlei Hinsicht einen unvergleichlichen Nachweis und ein Repositorium von mehr als tausend Jahren europäischen Mönchstums und europäischer Geschichte, einschließlich bedeutender Monumente der Kunst, Literatur, Theologie, Mystik und Musik. Bücher, die (unter beträchtlichen Kosten seitens des Staats) konserviert, katalogisiert und ausgestellt wurden, werden nun Gott weiß wo enden. Viele werden in Privatsammlungen verschwinden und damit unzugänglich für Studenten, Wissenschaftler und die breite Öffentlichkeit von kultur- und geschichtsbeflissenen Einzelpersonen.

Historische Sammlungen - Klosterbibliotheken, die über Jahrhunderte hinweg entstanden - werden verstreut, wodurch es nahezu unmöglich wird, sie systematisch oder kohärent zu erforschen. Es ist kaum zu glauben, daß Bücher, die den Dreißigjährigen Krieg, die napoleonischen Kriege, die Säkularisation und sogar zwei Weltkriege überstanden haben, auseinandergenommen und zu Opfern des Marktes werden - und wofür? Um die Würde einer aristokratischen Familie in finanziellen Schwierigkeiten zu erhalten, in anscheinendem Bruch mit dem demokratischen Verfahren, ganz zu schweigen vom öffentlichen Interesse.

Eine Bibliothek ist mehr als nur eine Sammlung von Büchern. Sie ist ein Repositorium von Erinnerung, oder besser gesagt, sie ist eine Ressource, die die Arbeit an Gedächtnis, Geschichte und kulturellem Selbstbewußtsein ermöglicht. Obwohl die Sammlung während des Zweiten Weltkriegs ausgelagert war, wurde der Großteil des Karlsruher Bestands - ungefähr 360 000 gedruckte Werke - von Bomben vernichtet. Andere wichtige, großartige Bibliotheken, von Alexandria bis Sarajewo und der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar, sind heute verloren durch Unglücksfälle, Vandalismus oder Gewalteinwirkung. Sollen wir jetzt Karlsruhe in die Liste von Desastern einordnen? In diesem Fall wird es einen Sonderplatz einnehmen, denn in diesem Fall wird eine bedeutende Bibliothek zerstört, nicht zufällig, sondern unter der Leitung derer, die zu ihrem Schutz bestellt waren.

Es wäre weniger schlimm, wenn die Sammlungen in Karlsruhe von nicht mehr als rein antiquarischem Interesse wären, von nur lokaler oder bestenfalls regionaler Bedeutung. Selbst unter diesen Bedingungen wäre ihre Auflösung skandalös. Das ganze Mittelalter hindurch und auch noch danach war der Oberrhein jedoch eine Wiege der Zivilisation, ein wichtiger Platz des europäischen Urbanismus, ein Arterie zwischen Nord und Süd, kurz gesagt, eine treibende Kraft in der Geschichte Europas. Die Versteigerung der Karlsruher Handschriften wird weltweit als deutliches Signal registriert werden, daß in Deutschland die Vergangenheit zum Verkauf steht - und das zu Schleuderpreisen. Im Verkauf von solchen Schätzen macht die Regierung von Baden-Württemberg nicht nur das demokratische Vorgehen, sondern auch ihreVerpflichtungen gegenüber Bildung, Kultur und dem Gemeinwohl zur Farce.

Prof. Dr. Jeffrey F. Hamburger, History of Art & Architecture, Harvard University

Mitunterzeichnet von: Prof. Dr. Ann Blair, History, Harvard University, Prof. Dr. Caroline Walker Bynum, Institute for Advanced Study, Princeton, Prof. Dr. Walter Cahn, History of Art, Yale University, Prof. Dr. Margot Fassler, History of Music and Liturgy, Yale University, Prof. Dr. Roberta Frank, English, Yale University; President, Medieval Academy of America, Prof. Dr. Carmela Vircillo Franklin, Classics, Columbia University; Director, American Academy in Rome, Prof. Dr. Rachel Fulton, History, University of Chicago, Prof. Dr. Patrick Geary, History, University of California, Los Angeles, Prof. Dr. Thomas F. Kelly, Music, Harvard University, Prof. Dr. James H. Marrow, Art & Archaeology, Princeton University; Fitzwilliam Museum, Cambridge; President, Medieval Manuscript Society, Prof. Dr. E. Ann Matter, History, University of Pennsylvania, Prof. Dr. Robert Nelson, History of Art, Yale University, Prof. Dr. Thomas F. X. Noble, History; Director, Medieval Institute, University of Notre Dame, Prof. Dr. Nigel F. Palmer, Medieval German, Oxford University, Prof. Dr. Ken Pennington, Columbus School of Law, School of Theology and Religious Studies; The Catholic University of America, Prof. Dr. Robert Somerville, History, Columbia University, Prof. Dr. Nicholas Watson, English; Chair of Medieval Studies Committee, Harvard University, Prof. Dr. Anders Winroth, History; Chair, Medieval Studies Program, Yale University.

FAZ 28.9.2006, S. 44

Auch der Karlsruher Gemeinderat hat den Verkauf abgelehnt. Er verabschiedete in seiner gestrigen Sitzung eine entsprechende Resolution.

Die Interessen des Landes und des Hauses Baden müssten anders ausgeglichen werden, hieß es gestern Abend zur Begründung. Weiter beruft sich die Resolution auf das Entsetzen vieler Bürger, das der angekündigte Verkauf der BLB-Dokumente ausgelöst habe. Der Gemeinderat ist der Meinung, dass das gesamte Land für die Sicherung der Kulturgüter sorgen müsse; Lösungen müssten auch auf Bundesebene gesucht werden. Die Stadträte denken hier an Sponsoren, Stiftungen und die Prüfung anderer Kapitalanlagen.


Quelle:
http://www.ka-news.de/karlsruhe/news.php4?show=pmg2006927-108I

Weitere Stellungnahmen:
http://www.lesezeichen.szylla.net/?p=525
http://www.lesezeichen.szylla.net/?p=524 (mit PDF der SPD-Anfrage)

http://www.swr.de/nachrichten/bw/-/id=1622/nid=1622/did=1572132/fxw2ya/

Wissenschaftler aus aller Welt haben in einem Brief an die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" gegen den geplanten Verkauf wertvoller Handschriften durch das Land Baden-Württemberg protestiert. Der Verkauf sei ein Akt der Barbarei, wie er Bibliotheken sonst nur in Kriegszeiten widerfahre, heißt es.

Das in der Donnerstags-Ausgabe der "FAZ" veröffentlichte Schreiben ist von 19 Professoren und Kunsthistorikern unterzeichnet. Darunter sind Wissenschaftler der US-Eliteuniversitäten Harvard, Yale und Princeton. Es werde "weltweit als deutliches Signal registriert werden, dass in Deutschland die Vergangenheit zum Verkauf steht - und das zu Schleuderpreisen", heißt es weiter.

Neue Informationen bringt der Artikel von Rüdiger Soldt vom 27.9., S. 37:

Im Streit über den Verkauf von Handschriften der Badischen Landesbibliothek lautet die juristische Frage: Wer ist Eigentümer der Handschriften - das Land oder das markgräfliche Herrscherhaus Baden? Der angesehene Anwalt Hachenburg war schon 1919 an dieser Frage verzweifelt. [...]

Vor drei Jahren hat ein Gutachten des Bonner Völkerrechtlers Rudolf Dolzer dem Haus Baden Hoffnung gemacht, die Eigentumsfrage zu seinen Gunsten gerichtlich klären zu lassen. Ein Gutachten des Freiburger Rechtswissenschaftlers Thomas Würtenberger und des früheren Landgerichtspräsidenten Peter Wax malt nun das Prozeßrisiko aus und rät der Landesregierung zum Vergleich. Was den Inhalt des Gutachtens angeht, ist man allerdings auf die Angaben des Auftraggebers angewiesen. Die Landesregierung lehnt eine Veröffentlichung ab und verweist darauf, man wolle der Gegenseite, dem Haus Baden, keine nützlichen Hinweise geben.

Allerdings hat die Öffentlichkeit ein eigenes Interesse daran, sich ein Urteil über einen Sachverhalt zu bilden, der den Anschein eines anrüchigen Gegengeschäfts weckt: Warum soll der Staat einer Familie beim Erhalt einer Schloß-Immobilie unter die Arme greifen, wenn diese Familie im Gegenzug der Öffentlichkeit einen Schatz entzieht, der jahrzehntelang aus öffentlichen Mitteln konserviert und erschlossen worden ist? Die Opposition wirft der Regierung vor, in die "Falle der Familie" gegangen zu sein. "Die Frage, wem was gehört, ist bisher nie endgültig geklärt worden", sagt der finanzpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Nils Schmid. Bis die Besitzverhältnisse geklärt seien, solle das Land "ruhig Blut bewahren".

Die Eigentumsfrage stellt sich seit Beginn des neunzehnten Jahrhunderts, seit der zaghaften Herausbildung säkularer Verfassungsstaaten. Es begann damit, daß nach der Säkularisation Handschriften aus den Klöstern in die Sammlungen integriert wurden, die einige Jahre zuvor von der markgräflichen Familie eingerichtet worden waren. In der Staatsrechtslehre begann man, zwischen dem Eigentum eines Herrscherhauses und dem des Staates zu unterscheiden: Was ist privat, was dient der staatlichen Repräsentation? Die Markgrafen sahen im materiellen Gewinn aus der Säkularisation der Klöster auch eine Entschädigung für linksrheinische Gebietsverluste und betrachteten die Handschriften als ihr Eigentum. In der damals wohl fortschrittlichsten deutschen Verfassung von 1818 gibt es einen Artikel 59, der das Domäneneigentum, zu dem die Sammlungen gezählt wurden, zum Privateigentum der Markgrafen erklärte.

Das badische Landrecht sah die Möglichkeit vor, "Eigentum zu ersitzen". Das heißt: 1803 nicht erworbene Handschriften könnten durch das "Ersitzen" in den darauffolgenden dreißig Jahren Eigentum des Hauses Baden geworden sein. 1872 übereignete der badische Markgraf Friedrich I. seine Kunstsammlung in die Obhut des Staates, doch entschieden war damit nichts; denn die Eigentumsrechte behielt er. An den badischen Innenminister schrieb er damals, "ein Wechsel des Eigentums" sei "nicht angezeigt".

1918 dankte der Großherzog ab und schloß mit dem Land Baden einen Vertrag, dessen Regelungen aus Sicht der Rechtsgutachter widersprüchlich sind. Bis 1924 stritten sich das Herrscherhaus und das Land über die Zuständigkeit für die Sammlungen. Erst das Testament Friedrichs II. von 1927 schien Klarheit zu schaffen: Er vererbte die Sammlungen nicht dem Markgrafen Berthold, sondern seiner Ehefrau Hilda, der er vorschrieb, die Kunstschätze nach ihrem Tod in die "Zähringer Stiftung" einzubringen. Der Großherzog starb 1928, seine Frau lebte bis 1952, zwei Jahre später wurde die Stiftung gegründet. Damit könnte die Eigentumsfrage geklärt sein, das Problem ist nur: Es gibt kein Übergabeprotokoll der Sammlung an die Stiftung. "Was 1919 Eigentum des Großherzogs war, ist das Eigentum seiner Erben geblieben", heißt es im Finanzministerium. Die Gutachter des Landes sind der Auffassung, daß die Übergabe der Sammlungen und Kunstgegenstände in die "Zähringer Stiftung" nicht den gesetzlichen Erfordernissen entsprach. Zudem sei es auch tatsächlich "heute nicht mehr möglich, die Erwerbsgeschichte jedes einzelnen Gegenstandes zu rekonstruieren", argumentieren die Gutachter.

4200 Handschriften werden in der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe aufbewahrt, 3600 hiervon waren 1919 in Besitz des Hauses Baden. Von einer "Zerschlagung der Sammlung" will die Landesregierung nicht sprechen, da man nur etwa 70 von 3600 Handschriften veräußern will. [...]


Kommentar: Das Eigentum am Domäneneigentum wurde 1919 durch das von mir hier besprochene Gesetz http://archiv.twoday.net/stories/2708484/ abschließend geregelt. Wenn die Handschriften zum Domäneneigentum zählten (und nicht zum Hausfideikommiss oder zum Privateigentum) sind sie 1919 qua Gesetz Staatseigentum geworden.

SWR2 Forum: Donnerstag, 28. September 2006, 17.05 Uhr - Mein Erbe, mein Schloss, meine Verantwortung -
Der Handschriftendeal zwischen dem Haus Baden und dem Land Baden-Württemberg. Gesprächsleitung: Eggert Blum.

Es diskutieren:
Dr. Klaus Graf, Historiker und Archivar, Universität Freiburg; Prof. Reinhard Mußgnug, ehem. Ordinarius für Öffentliches Recht, Universität Heidelberg; Dr. Hans-Jürgen Vogt, Mitglied im Vorstand der Badischen Bibliotheksgesellschaft, kulturpolitischer Sprecher der CDU im Gemeinderat von Karlsruhe.

http://www.swr.de/swr2/sendungen/swr2-forum/index.html

Gibts danach auch im Format mp3 ("Podcast")

Aus der Liste MEDIAEVISTIK (das Listenarchiv hinkt jeweils einen Monat hinterher):

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
der Ministerpräsident Oettinger glänzt heute mit folgendem Statement:

Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) zeigte sich von der massiven Kritik am geplanten Verkauf nicht überrascht. Er habe mit einem kritischen Echo auf das Vorhaben gerechnet, sagte er im pfälzischen Herxheim. «Die Kritik kommt aber im Kulturteil der Zeitungen, nicht auf den Wirtschaftsseiten», erklärte er zu Zweifeln am finanziellen Erfolg der geplanten Versteigerung der Handschriftensammlung.

(http://www.suedkurier.de/nachrichten/dpa/starline/kulturwelt/art808,2226430.html?fCMS=e331958f1fb74d94edd6148ce16cf957)

Es verschlägt einem fast die Sprache, wie zynisch ein auf Zeit gewählter "Volksvertreter" mit dem ihm anvertrauten historischen Erbe nicht nur seiner Provinz umgeht. "Es wurde einer mit dem Baseballschläger umgehauen? Na und - stand ja nicht auf der Sportseite". Ich versuche seit Tagen, ruhig zu bleiben, aber solcherlei Äußerungen des kulturellen Hirntods können nun wahrlich nicht mehr mit Zurückhaltung zur Kenntnis genommen werden.

Eine hübsche Überschrift hat die NZZ gefunden (wobei "Stuß aus Stuttgart" wohl passender wäre) - darauf hat der Kollege Kipf ja eben schon hingewiesen:
"Banausen in Baden" (http://www.nzz.ch/2006/09/27/fe/articleEIKUM.html)

Ferner möchte ich im Einverständnis mit Felix Heinzer folgende Mitteilung von ihm weiterleiten:

1) Ein längerer Text zum Thema wird in der FAZ erscheinen, vielleicht noch Freitag oder Samstag, spätestens aber Anfang nächster Woche.

2) Ist es vielleicht nicht uninteressant zu wissen, daß man am Montag von Seiten des Stuttgarter Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst an mich [Felix Heinzer] herangetreten ist (im Rahmen einer Voranfrage) als auswärtiger Gutachter in der geplanten Kommission mitzuwirken, die eine Auswahlliste der zu veräußernden Handschriften erstellen soll, wobei auf meine besondere Vertrautheit mit dem Bestand abgehoben wurde.
Ich habe in erster spontaner Reaktion abgesagt, und bleibe auch nach ruhigerer Reflexion bei diesem Nein, was ich heute übrigens auch dem Spiegel-Redakteur in einem längeren Telefonat mitgeteilt habe. Ich sehe diese Absage durchaus auch als eine Möglichkeit des öffentlichen Protests gegen den unerhörten Vorgang - das darf durchaus publik werden, deshalb habe ich im Gespräch mit dem Spiegel diesbezüglich kein Blatt vor den Mund genommen.
Die Gründe für dieses Nein sind vielfältig:
Als ehemaliger DFG-Katalogbearbeiter einer der Provenienzen, die zur Debatte stehen, empfinde ich es als geradezu zynisch, bei der Zerschlagung dieses Bestandes mitwirken zu sollen (für die St. Peterer Handschriften hätte ich dann auch noch unfreiwillig eine Art "Handbuch" mitgeliefert).
Über diese persönliche Betroffenheit hinaus - und das ist natürlich wichtiger - meine ich, daß man in eine solche Kommission nicht hinein darf (wenn man nicht von Amts wegen dazu gezwungen wird), weil grundsätzlich nicht verwischt werden darf, daß die Veräußerung jeder Handschrift oder einzelner Bestandskomplexe verurteilt werden muß und eine Auswahlregelung kein Ausweg ist, weil sie das grundsätzliche Tabu des Verkaufs von Kulturgut, das in öffentlichen Einrichtungen verwahrt wird, durchbricht.
Im übrigen muß man, wie ich meine, alle Kräfte aufs Verhindern konzentrieren. Ich glaube, daß noch nicht alles verloren ist - und da wäre die Mitwirkung in einem solchen Gremium das falsche Signal, während eine möglichst generelle Absage seitens der eingeladenen "Experten" vielleicht doch dazu beitragen könnte, daß man auch in Stuttgart merkt, hier stimmt was Grundsätzliches nicht!

Herzlich
Felix Heinzer

Dem schließt sich an
Falk Eisermann

Rebecca LR Garber
an MEDTEXTL

Apologies for cross-posting:

Included below are a translation of an article from NZZ-Online in
Zürich, and an open letter that the German academics are sending to the
government and news media on Friday. The article includes information
about which mss are to go on the block, and why. The PM of Baden has
excused this action today by claiming that the uproar has only been in
the cultural pages of the media, but not in the financial sections
(which apparently proves that it makes good financial sense).

All translations are mine: I accept responsibility for any
discrepancies from the German that the English may convey.

sincerely,
Rebecca LR Garber, PhD
Freelance Translator

NZZ-Online (Neue Züricher Zeitung)

Philistines in Baden
End-of-Season Manuscript Sale in Karlsruhe

Evil news is heard from Baden-Württemberg. A bad case of governmental
philistinism afflicts the state at present. To the horror of
librarians, historians, patriots and citizens, the MP and the
hereditary arch duke of Baden have agreed to hock the unique collection
of manuscripts held in the State Library of Baden in Karlsruhe. To be
disposed of are all works acquired prior to 1872. At that time, the
archducal library was placed under the control of the Baden
Innenministerium (Department of State, internal affairs). This
protects volumes bought later from the princely claims of possession,
but not, however, works of art such as the prachtmanuscripts: an
illuminated book of hours of Archduke Christoph I of Baden (1490), the
Gospel of St. Peter (ca. 1200) or the medieval lectionaries from the
scriptorium of the monastery at Reichenau. They are threatened with
being scattered to all corners of the globe.

70 million euros, that is the requirement, has to be brought in by this
sale. A sum that can only be achieved by a rigorous plundering of the
3500 volumes of the entire manuscript collection. From the anticipated
proceeds, the preservation of the castle Salem, the last castle
remaining in the possession of the financially irresolute house of
Baden, will be ensured. The archduke will receive approximately 30
million as compensation for the expenditures (on the castle) in
previous years, the remainder is held in a trust to ensure
(maintenance) of the castle. In return, the heirs of the last Archduke
of Baden, who was forced to abdicate in 1918, will abjure “for all
time” from demanding the return of former archducal collections from
the state. MP Öttinger justifies the agreement by reference to the
legal battle, in which the state and the archducal family have been
entangled for some time.

According to the representation of those responsible, this business
deals with a responsible appreciation of the values of the goods: on
the one hand, the old manuscripts, which, as has been sufficiently
proven, are only accessible to a few experts; on the other hand, the
castle Salem, a wonderful building complex with its own gothic Minster.
Why do we call the whole thing Philistinism? Because one simply does
not sell manuscripts of this value and history. It is also the
construction of Philistines, to finance the maintenance of castle Salem
solely from the interest from the trust. The influx of capital
required for that demands, above all else, the initially ruinous
manuscript sale. But the government in Baden-Württemberg is concealing
this.

Joachim Günter

***

Open Letter

Honorable Ministerpräsident,
Ladies and Gentlemen,

with disbelief and horror we have learned, that the state government
intends to completely divest itself of the medieval manuscripts held in
the State Library of Baden in Karlsruhe. In a barbarous act beyond
compare, a central portion of the cultural inheritance of the state
will be stolen.

The majority of manuscripts in question come from the libraries of
monasteries in the Black Forest, the Upper-Rhine, and Lake Constance.
They document a unique path of spiritual life in this region, and how
it developed. With few exceptions, these manuscripts arrived in the
care of the state 200 years ago during the secularization, which
expropriated the monastic libraries. Since that time, they have been
conserved and made available to the public under considerable
application of technology and public means. This sale will scatter
them to all ends of the globe. The increasing connections made between
items in the collection will be torn asunder and many of the
manuscripts will be accessible only with great difficulty, or not at
all. This will be a second expropriation.

As scholars, who are engaged in researching and analyzing medieval
manuscripts, we appeal to you as the responsible parties in government
and parliament: Do not inflict upon the State, whose citizens selected
you as their representatives, irrecoverable damages! Distance
yourselves from these disastrous plans!

If you would like to sign the Open letter, send an email to
kleink@staff.uni-marburg.de
subject: Open Letter
please include your full name, title, institutional affiliation
Email addresses will not be disclosed. Dr. Klaus Klein will add all
names to the open letter, to be sent to the governement and news media
on Friday.

The petition list is closed. More than 2500 scholars and members of the public have signed

Via EXLIBRIS kam von Klaus Klein:

Liebe Listenmitglieder,

zu dem von der Landesregierung Baden-Württemberg geplanten Verkauf von großen
Teilen der mittelalterlichen Handschriften der Badischen Landesbibliothek
Karlsruhe sollten wir - auch aus Gründen der Selbstachtung - nicht
schweigen. Niemand soll uns später den Vorwurf machen, wir hätten uns nicht
öffentlich zu Wort gemeldet.
Aus diesem Grund haben wir in Marburg einen 'Offenen Brief' an den
Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg und die Abgeordneten des
Landtags verfaßt. Diesen Brief können Sie im Internet unter folgender Adresse
einsehen:

http://www.handschriftencensus.de/brief/

Um dem 'Offenen Brief', den wir in Kürze an den Ministerpräsidenten, an die
Abgeordneten und an die Presse weiterleiten werden, einen größeren Nachdruck
zu verleihen, sollte er von möglichst vielen Personen (auch aus dem Ausland)
mitgetragen werden. Ich bitte Sie daher, diesen 'Offenen Brief' zu
unterzeichnen, indem Sie Ihre Zustimmung an meine E-Mail-Adresse senden
(kleink@staff.uni-marburg.de); ich werde Ihre Namen dann umgehend an den Brief
anfügen. Benötigt werden lediglich folgende Angaben: Titel, Vorname,
Nachname, Institution/Ort (Email-Adressen werden nicht veröffentlicht).
Bitte machen Sie auch Ihre Kolleginnen und Kollegen, die nicht Mitglied in der
Mediaevistik-Liste und in der Diskus-Liste sind, auf den 'Offenen Brief' und
die Möglichkeit der Mitunterzeichnung aufmerksam. Personen, die über
keinen E-Mail-Zugang verfügen, können Ihre Zustimmung auch per Fax
übermitteln (06421 - 282 48 61).

Brieftext

Offener Brief
an den Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg
und die Abgeordneten des Landtags von Baden-Württemberg

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

ungläubig und entsetzt haben wir zur Kenntnis genommen, daß die Landesregierung beabsichtigt, in großem Stil mittelalterliche Handschriften aus der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe zu veräußern. In einem beispiellosen Akt der Barbarei würde dem Land damit ein zentraler Bestand seines kulturellen Erbes genommen.

Die Masse der Handschriften, um die es geht, stammt aus den Bibliotheken der Klöster im Schwarzwald, am Oberrhein und am Bodensee. Sie dokumentieren in einzigartiger Weise das geistige Leben der Region, wie es sich über Jahrhunderte entwickelt hat. Mit wenigen Ausnahmen sind diese Handschriften vor zweihundert Jahren im Zuge der Säkularisation durch Enteignung in die Obhut des Staates gekommen. Sie wurden seither unter Einsatz erheblicher öffentlicher Mittel konserviert und erschlossen. Durch den Verkauf würden sie in alle Winde zerstreut. Der gewachsene Zusammenhang der Sammlungen würde zerrissen und viele der Handschriften wären nur noch schwer oder gar nicht mehr zugänglich. Es wäre eine zweite Enteignung.

Als Fachleute, die mit der Erforschung und Auswertung mittelalterlicher Handschriften befaßt sind, appellieren wir an Sie als die Verantwortlichen in Regierung und Parlament: Fügen Sie dem Land, dessen Menschen Sie als ihre Vertreter gewählt haben, nicht unersetzlichen Schaden zu, nehmen Sie Abstand von dem unseligen Vorhaben!

Stellungnahme der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), 27.09.2006, von Dr. Jutta Rateike

http://idw-online.de/pages/de/news177138

Bestände müssen für Wissenschaft zugänglich bleiben

Das Land Baden-Württemberg plant im Rahmen eines Vergleichs den Verkauf großer Teile des Handschriftenbestandes der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe. Bei diesen Schriften handelt es sich um fünf Prozent des gesamten deutschen Bestandes dieser einmaligen Schriftquellen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat die Erschließung und Katalogisierung der Handschriften mit rund 1,5 Millionen Euro gefördert und erwartet daher, dass diese Bestände dauerhaft für die Wissenschaft und Forschung zugänglich bleiben. Die DFG appelliert deshalb nachdrücklich an die baden-württembergische Landesregierung, diesen Zugang weiterhin sicherzustellen.

Mittelalterliche und frühneuzeitliche Handschriften bieten Einblicke in die geistige Welt einer vergangenen Epoche und sind daher einzigartige und unverzichtbare Quellen für die geisteswissenschaftliche Forschung. Die langjährige, stetige Förderung der DFG hat mit dazu beigetragen, dass die deutschen Bibliotheken bei der Erschließung von mittelalterlichen Handschriftenbeständen im internationalen Vergleich eine Spitzenstellung erlangen konnten. Diese führende Position ist unverzichtbar mit dem langfristig verlässlichen Zugang der Forschung zum gemeinsamen deutschen Kulturerbe verknüpft. Die DFG erwartet bei der Vergabe von Fördermitteln, dass die geförderten Bibliotheken als zuverlässige Partner ihre Handschriften und Originalquellen für Wissenschaft und Forschung zugänglich machen.

Die DFG fördert die Erstellung von Katalogen zu mittelalterlichen Handschriften im Programm "Kulturelle Überlieferung" seit 1960. Seitdem sind über 200 Kataloge zu thematisch, zeitlich und regional sehr unterschiedlich charakterisierten Beständen erarbeitet worden. Derzeit werden in Deutschland rund 30 Projekte dieser Art gefördert. Seit 1992 wurden die Kataloge auch maschinenlesbar erarbeitet, und ein großer Anteil ist heute im Internet im DFG-geförderten Handschriftenportal http://www.manuscripta-mediaevalia.de entgeltfrei recherchierbar.

Ansprechpartnerin für Fragen zur DFG-Förderung von Handschriftenerschließungen ist Dr. Eva Effertz, Tel. 0228 885-2101, E-Mail: Eva.Effertz@dfg.de .

Julia Schröder in der Stuttgarter Zeitung vom 25. September:

Die Zeiten haben sich geändert. Wo alle den Gürtel enger schnallen und neue Flexibilität zeigen müssten, könne die Kultur nicht ungeschoren bleiben, heißt das Argument, das auch im Fall des geplanten Handschriften-Ausverkaufs in Karlsruhe wirksam ist. Um dem Land die umstrittenen Eigentumsrechte an Kunstbeständen aus früherem Adelsbesitz zu sichern, so die Logik dieses Plans, müssen die Handschriftenbestände aus ebendiesem Besitz in den Skat gegeben werden; um ein Kulturerbe zu sichern, muss halt ein anderes dran glauben. Zumal es sich vor Handschriften, die aus guten Gründen selten das Tageslicht sehen, nicht so gut posiert wie vor erlesenem Kunsthandwerk oder großformatigen Gemälden.

Der Vorgang "Land Baden-Württemberg vs. Adelshaus Baden" ruft andere Vorgänge in Erinnerung, die durchaus unterschiedlich sind, aber ein und dieselbe Tendenz aufweisen. Ob man nach Krefeld schaut, wo die Stadt ein Monet-Gemälde verscherbeln will, um mit den erhofften 20 Millionen ihr Museum (und womöglich die Stadtkasse) zu sanieren; ob man sich an Weimar erinnert, wo die Klassik-Stiftung ihren Mörike-Bestand verkaufen musste, damit das Land Thüringen seinen Verpflichtungen in einem Restitutionsvergleich mit dem dortigen Adelshaus nachkommen konnte; ob man sich an die glorreichen Vorschläge des baden-württembergischen Landesrechnungshofs erinnert, den "behutsamen Abbau" der Bestände der Staatsgalerie betreffend - die Richtung ist ebenso klar wie fatal: "die Kultur" wird für ihre Kosten haftbar gemacht.

Aber "die Kultur" kann für sich und ihre Kosten nicht einstehen. Wenn umgesetzt würde, was sich in manchem Politikerhirn als prima Lösung festgesetzt zu haben scheint, gibt es "die Kultur" in diesem Sinne bald nicht mehr. Man hat den Eindruck, was Kultur eigentlich sein soll, ist manchem Entscheidungsträger nicht mehr klar. Ist Kultur nicht mehr als jenes "Innovative", das die überaus gut ausgestattete, aber leider in vielen Fällen nicht in Frage kommende Landesstiftung zu fördern bestimmt ist? Jenes "Imageaffine", das Sponsorenbörsen öffnet? Jenes Repräsentative, mit dem man sich gern schmückt? Die Sonntagsrede auf einem kulturpolitischen Kongress? Das alles ist freilich Kultur. Vor allem jedoch ist Kultur das, was wir von denen, die nach uns kommen, auch nur geborgt haben, um es zu beschützen.

Diese Bildunterschrift zum verkaufsgefährdeten Speyerer Evangelistar in den BNN
http://www.blb-karlsruhe.de/blb/blbhtml/2006/presse-bnn060926.php
trifft den Nagel auf den Kopf.

Die Unterstützung für die Landesbibliothek nimmt erfreulicherweise zu.

http://www.n-tv.de/714439.html

"Wenn Kulturgüter verhökert werden, um öffentliche Haushalte zu sanieren, ist das der Kulturnation Deutschland nicht würdig", sagte der Kulturexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Hans-Joachim Otto, am Dienstag in Berlin. Auch seine Parlamentskollegin Karin Binder (Die Linke) äußerte "vollkommenes Unverständnis". [...] Der Deutsche Kulturrat forderte grundsätzlich, den "Raubbau" in Museen und Bibliotheken zu stoppen. Geschäftsführer Olaf Zimmermann verwies auf vergleichbare Erwägungen der Stadt Krefeld, wo zur Museumssanierung ein wertvolles Gemälde verkauft werden soll, sowie den Vorschlag des Landesrechnungshofs Baden-Württemberg zum "maßvollen Abbau" der Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart. Diese Beispiele belegten: "Das Verkaufen von öffentlichem Kulturgut wird rasend schnell salonfähig". Dieser vermeintliche Königsweg zur Bewältigung außergewöhnlicher Belastungen im Kulturhaushalt sei in Wirklichkeit "eine Art Räumungsverkauf von öffentlichem Kulturbesitz".

Selten dümmlich äußerte sich MP Oettinger laut der gleichen Quelle: Die Kritik kommt aber im Kulturteil der Zeitungen, nicht auf den Wirtschaftsseiten. Seit wann sind mittelalterliche Handschriften außer bei Berichten über Versteigerungen Thema der Wirtschaftsseiten?

Zur Position des Kulturrats siehe
http://www.verbaende.com/News.php4?m=41585

Das Karlsruher MdB Karin Binder (Die Linke) hat sich deutlich gegen den Verkauf ausgesprochen (oben bereits erwähnt): Es handle sich um Ausverkauf gesellschaftlichen Eigentums.
http://www.ka-news.de/karlsruhe/news.php4?show=pmg2006926-98J

Der Südkurier schreibt:

Beinahe wären die [Reichenauer] Handschriften ins Weltkulturerbe aufgenommen worden. Nun das. So leicht könnten 70 Millionen Euro nicht erlöst werden, meint Ehrle. Dazu müsste die gesamte alte Sammlung verkauft werden. An eine von Oettinger angekündigte "Baden-Klausel", wonach Kunst- und Kulturschätze von besonderer Bedeutung für den badischen Landesteil nicht veräußert werden dürfen, glaubt Ehrle nicht. Was soll die unabhängige Expertenkommission denn ausnehmen? Ehrle hält einen Vergleich parat: Vor zwölf Jahren zahlte das Land für mehr als 1200 mittelalterliche Handschriften aus der Fürstlich-Fürstenbergischen Sammlung rund 25 Millionen Euro - damals eine Art Freundschaftspreis der Donaueschinger, die unter Geldnot litten. Im Fall Baden seien also gut 3000 Handschriften nötig, um 70 Millionen Euro flüssig zu machen. Ehrle fürchtet einen "ungeheuren Imageschaden". Der scheint sich schon eingestellt zu haben. Norbert H. Ott rechnet in der "Süddeutschen Zeitung" wüst mit der "Teppichhändlermentalität" der Geschäftspartner ab. Eine solche Bibliothek sei ein "Gedächtnisspeicher", der sich erst durch den Mix aus Erlesenem und Alltäglichem zum Profil einer Epoche füge. Finanzkräftige Käufer wie das Getty-Museum Los Angeles aber pickten die Preziosen heraus und ließen den Rest "im Warenkorb". Schloss Salem oder die Bilder Baldung Griens oder Cranachs aufzurechnen, wie es Markgraf Bernhard tue, dokumentiere "totale Ignoranz". Dies sei ein "dreister Versuch der Veruntreuung" des der öffentlichen Hand anvertrauten Erbes. Scharf polemisiert Autor Ott auch gegen die optimistische Erlös-Rechnung: "Hoheit und ihr willfähriger Vasall auf dem Stuhl des baden-württembergischen Ministerpräsidenten werden sich noch sehr wundern, wenn sie auf ihrer der öffentlichen Nutzung entwendeten Beute sitzen bleiben." Denn gut 3500 auf einen Schlag angebotene Codices würden den Markt "hoffnungslos verstopfen". Geräuschlos, soviel ist sicher, werden Oettinger und der Markgraf das Thema nicht mehr erledigen können.

Die deutsche UNESCO-Kommission meldete sich ebenfalls mit harscher Kritik zu Wort (Südkurier):

Dieses Vorhaben wird unter anderem von der Deutschen Unesco Kommission scharf verurteilt, der die Reichenau die Erhebung zum Weltkulturerbe verdankt. Generalsekretär Roland Bernecker sagte gestern zu dieser Zeitung, die Handschriften seien als Teil des Weltdokumentenerbes auch ein "Kernbestand des Reichenauer Weltkulturerbes" und deshalb unveräußerbar. Der beabsichtigte Verkauf sei ein "Schock" und "unbegreiflich für alle, die um die kulturelle und historische Bedeutung" dieser Handschriften wüssten.

***

Der DBV hat gestern folgende Pressemitteilung veröffentlicht, die auch auf seiner Website nachzulesen ist:

http://www.bibliotheksverband.de/

Pressemitteilung

Berlin, 25.09.2006

Der Deutsche Bibliotheksverband e.V. ist entsetzt, dass die
Landesregierung von Baden-Württemberg plant, einem Verkauf der
Handschriften des Hauses Baden, die den wertvollsten Bestand der
Badischen Landesbibliothek bilden, auf dem freien Markt zur Deckung
einer fehlenden Finanzierung des Fürstenhauses zuzustimmen.

'Der Verkauf hochwertiger Kulturgüter, die seit Generationen in
öffentlicher Obhut und im öffentlichen Bewusstsein sind, darf in einem
wohlhabenden Kulturland nicht möglich sein.' Diesem Zitat aus der
Erklärung der Badischen Bibliotheksgesellschaft, die erhebliche Spenden
zum Erhalt und zur Pflege der wertvollen Bestände der Badischen
Landesbibliothek Karlsruhe aufgebracht haben, schließt sich der Deutsche
Bibliotheksverband e.V. vollständig an. Ein Land wie Baden-Württemberg,
das sich immer wieder zur föderalen Struktur in der Kultur bekannt hat,
muss jetzt auch aus seinen eigenen Mitteln den Ausverkauf dieses
wertvollen Kulturguts verhindern und die Bestände für die
Landesbibliothek Karlsruhe sichern.

Prof. Dr. Claudia Lux, Vorsitzende des Deutschen Bibliotheksverbandes
e.V. weist darauf hin: 'Den Verkauf von Kulturgut mit staatlicher
Unterstützung haben wir in Deutschland eigentlich nur zu Zeiten der DDR hinnehmen müssen, die immer wieder Eingriffe in die wertvollen Bestände
der Bibliotheken vornahm, um Devisen zu erhalten. Diese Methode darf nicht zum Vorbild für das Handeln der Baden-Württembergischen Landesregierung werden.'

Der Deutsche Bibliotheksverband e.V. fordert die Baden-Württembergische
Landesregierung auf, den notwendigen Betrag durch Stiftungen und andere
Zuwendungen aufzubringen und als Ablösesumme an das Haus Baden zu
übergeben, um die wertvollen Handschriften und Drucke der Badischen
Landesbibliothek vollständig und dauerhaft als Eigentum des Landes und
damit als öffentliches Eigentum zu sichern.

[...] Im Deutschen Bibliotheksverband e.V. (DBV) sind ca. 2.000 Bibliotheken
aller Sparten und Größen Deutschlands zusammengeschlossen. [...]

Kontakt: Deutscher Bibliotheksverband e.V.
Prof. Dr. Claudia Lux, Vorsitzende oder Barbara Schleihagen,
Geschäftsführerin

Viele haben von ihr gehört, aber die wenigsten haben sie in der Hand gehalten: Die Berliner Zeitung Agit 883. Als Medium der Gegenöffentlichkeit strahlte sie in den Jahren 1969 bis 1972 weit in die Bundesrepublik aus. Agit 883 war das auflagenstärkste Organ des parteiunabhängigen Linksradikalismus jener Tage.
Die Redaktionsräume der Zeitung waren der Ort von Begegnungen und lautstark wie zum Teil handgreiflich ausgetragenen Konfrontationen innerhalb des linken Spektrums: Anarchisten trafen hier auf Maoisten, Antiimperialisten waren mit engagierten Mitgliedern von Basisgruppen konfrontiert, Sozialisten versuchten sich einen Reim auf Hasch- und Wermutrebellen sowie rote Bauarbeiter zu machen. Musiker verfolgten die Redaktionsdebatten genauso wie angehende Journalisten. In den öffentlichen Redaktionstreffen der 883 verdichtete sich, was die Linke jener Tage in Szenelokalitäten, Kommunen und Wohngemeinschaften geredet, nachgedacht und nächtelang diskutiert hatte.
Rund 250 politische Gruppen nutzten die Zeitung – sie sprengte die zuvor überwiegend verbandsförmig bestimmte Öffentlichkeit der Studentenbewegung. Agit 883 kann als Spiegelbild eines Neuzusammensetzungs- und Suchprozesses der radikalen Linken in den Jahren 1969/70 gelten. Die Zeitung war nicht nur theoretisches Medium, sondern visualisierte das vibrierende Lebensgefühl der Linken in Berlin. Agit 883 war mit dem durcheinander gewirbelten Layout und in der Sprache in irritierender Weise anders. Es ist augenfällig: Für diese linke Generation stand die Revolution auf der Tagesordnung.

rotaprint 25 (Hg.):
agit 883. Bewegung, Revolte, Underground in Westberlin 1969–1972
ISBN 3-935936-53-2 | 296 Seiten | 22 Euro, hamburg/Berlin 2006
Beigelegte CD mit sämtlichen Ausgaben der Agit 883

Informationen zum Buch auf der website des Verlages

Vorwort des Bandes im Volltext

Eintrag zur agit 883 in der Online Bibliographie Datenbank des deutschsprachigen Anarchismus
--

Leserbrief in der FAZ vom Dienstag 26.9.2006 S. 8

Die Meldung über den beabsichtigten Verkauf von Handschriften der Badischen Landesbibliothek durch das Haus Baden in Einvernehmen mit der Baden-Württembergischen Landesregierung (F.A.Z. vom 21. September) hat bei allen, die diese Handschriftensammlung kennen, zunächst nur ungläubiges Erstaunen über so viel Ignoranz hinsichtlich des kulturellen Ranges dieser Dokumente, dann aber Entsetzen ausgelöst. Bislang sind derartige Bestandsverluste aus Bibliotheken in öffentlicher Hand nur durch Krieg oder Brände zu beklagen gewesen.

Ein Verkauf in der angedeuteten Größenordnung wäre eine Zerstörung dieser Sammlung. Unabhängig von der Rechtsfrage, ob das Haus Baden säkularisiertes Klostergut als Privateigentum betrachten darf - es ist nicht einzusehen, warum das Land einem Rechtsstreit aus dem Wege geht -, wird hier doch Kulturgut zur Disposition gestellt, das anerkanntermaßen zu den ganz zentralen Überlieferungsstücken des süddeutschen Mittelalters gehört. Aber auch die Stücke anderer Provenienz sind inzwischen seit Jahrhunderten eng mit unserem kulturellen Umfeld, mit Geistes- und Wissenschaftsgeschichte verwoben - etwa das von Rose-Maria Gropp (F.A.Z. vom 22. September) herausgestellte, ursprünglich für den französischen Hof entstandene und jetzt aus dem Säkularisationsgut des Schwarzwaldklosters Sankt Peter stammende "Breviculum" aus Werken des Raimundus Lullus. Abt Martin Gerbert erwähnte es schon 1773 rühmend in seinem "Iter alemannicum", die kritische Edition besorgte schließlich das Freiburger Raimundus-Lullus-Institut (1990). Eine Zerstörung dieser historischen Sammlungs- und Forschungszusammenhänge - durch die von der DFG finanzierte Katalogisierung sind die Handschriften im übrigen bestens erschlossen - kann man nur als Barbarei ansehen. Ein Verkauf in der angedeuteten Art und eine Zerstreuung dieser Bestände wäre ein Jahrtausendschaden für die kulturelle Überlieferung Badens.

Professor Dr. Albert Raffelt,
Freiburg im Breisgau

[Raffelt ist stellvertretender Leiter der UB Freiburg]

http://www.swr.de/nachrichten/bw/-/id=1622/nid=1622/did=1566218/ph8g5s/index.html

Die SPD kündigte einen Antrag auf die rechtliche Prüfung an, der in vier Wochen im Finanzausschuss des Landtags behandelt werde. Geklärt werden soll unter anderem die Frage, welche Kulturgüter dem Land gehören und welche der markgräflichen Familie. "Mit der Vereinbarung, wie sie jetzt veröffentlicht worden ist, können wir uns nicht einverstanden erklären. Wir dringen darauf, dass dem Landtag genau Bericht erstattet wird, was die juristischen Möglichkeiten des Landes sind und wie das Land künftig mit Kulturgütern umzugehen gedenkt", so der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Nils Schmid im SWR. Bis die Besitzverhältnisse geklärt seien, solle das Land "ruhig Blut bewahren".

"Geringschätzung unserer kulturellen Wurzeln"

Die kulturpolitische SPD-Fraktionssprecherin Helen Heberer betonte, die Veräußerung bedeutender Kulturgüter sei keine Lösung für ein kurzfristiges Stopfen von Finanzlöchern. "Wenn sich das einschleicht, sehen wir bald arm aus", sagte sie. Darüber hinaus forderte sie Alternativen zum Aufbringen der benötigten Mittel. Die geplante Versteigerung der Handschriften sei "nicht demokratisch".


Auf der SWR-Seite gibt es auch einen zweiminütigen Clip zum Thema mit O-Ton Oettinger zur Baden-Klausel.


Sollte das Land Baden-Württemberg sich tatsächlich zum Erfüllungsgehilfen feudaler Privatinteressen machen und nach Vandalenart eine ihrer bedeutendsten Handschriftensammlungen plündern, kann sich die dann zur Provinzklitsche verkommene Karlsruher Bibliothek eintragen lassen in die Liste jener verschwundenen Büchersammlungen - Alexandria, Sarajewo, Weimar -, die allerdings, anders als in Karlsruhe, durch Krieg oder Katastrophen vernichtet wurden.


So endet der Artikel des Handschriftenexperten und Germanisten Norbert H. Ott in der gestrigen SZ, von dem es Auszüge bei
http://giorgione.twoday.net/stories/2715049/
gibt.

Faksimile: http://www.blb-karlsruhe.de/blb/blbhtml/2006/presse-sz060925.php

http://archivnachrichten.blogspot.com/

Soeben habe ich gesehen, dass Jens Murken, der die "Konkurrenz" bei augias.net betreut, unter "Archivnachrichten" seit September ebenfalls ein Weblog führt.

Erfreulicherweise wird auch der drohende Ausverkauf in Karlsruhe thematisiert. Da man dort ARCHIVALIA ignoriert, versteht es sich von selbst, dass auf die umfassenden Informationen hier KEIN Link gesetzt wurde. Schäbig.

Nochmals zur Erinnerung: ARCHIVALIA ist im Gegensatz zu den "Archivnachrichten" ein Gemeinschaftsweblog. Jeder kann sich kostenfrei registrieren (dauert eine Minute) und eigenverantwortlich Beiträge in ARCHIVALIA anlegen.

http://shorterlink.de/?1d87dc

Verband deutscher Schriftsteller (VS) Baden-Württemberg schlägt Alarm

Mittelalterliche Handschriften der Badischen Landesbibliothek dürfen nicht zugunsten der Instandhaltung von Schloss Salem versteigert werden.

Der VS Baden-Württemberg fordert Ministerpräsident Oettinger dringend auf, die geplante Veräußerung der wertvollen Handschriften der Badischen Landesbibliothek zu verhindern.
Der VS-Landesvorsitzende, Josef Hoben, und der Vorstand sind entsetzt über diese Pläne.

Es kann nicht sein, dass die bedeutendsten Zeugnisse des Landes der Dichter und Denker versetzt werden, um ein marodes Adelshaus finanziell zu unterstützen. Eine Versteigerung der Handschriften würde eine Geringschätzung unserer kulturellen, literarischen und auch sprachlichen Wurzeln bedeuten. Es wäre ein fatales Signal in Zeiten mangelnder Deutschkenntnisse und verheerender PISA-Ergebnisse, wenn die Landesregierung unser kulturelles Erbe verschleuderte und dafür sorgte, dass es in den Tresoren profitgieriger Trophäensammler in aller Welt landet.

Kontakt:
Josef Hoben (VS-Landesvorsitzender)
Telefon: 0151/15246470

Matthias Kehle (Vorstandsmitglied)
Telefon: 0179/5950719

Gerade gefunden:
http://litblog.literaturwelt.de/archive/2006/09/25/aufruf_onlinedemo_gegen_kultur/olivers_blog

Aufruf: Online-Demo gegen Kulturausverkauf in Baden-Württemberg
Hallo!
Mit dieser Mail bittet Sie der Verband deutscher Schriftsteller (VS) in Baden-Wuerttemberg, namentlich Vorstandsmitglied Matthias Kehle, um eine "Online-Demonstration" gegen einen geplanten Verkauf wertvoller mittelalterlicher Handschriften durch die Landesregierung Baden-Wuerttemberg.

* Um was geht es?
Die Landesregierung hat vor, wertvollste mittelalterliche Handschriften aus der Badischen Landesbibliothek (BLB) in Karlsruhe, auf dem Kunstmarkt zu versteigern. Mit dem Ertrag von etwa 70 Millionen (!) Euro soll das marode Fuerstenhaus Baden und die Tourismus-Industrie unterstuetzt werden, in dem naemlich die Instandhaltung des fuerstlichen Schlosses Salem am Bodensee gewaehrleistet wird. Die BLB - eine der schoensten und bedeutendsten deutschen Bibliotheken - beherbergt u.a. die Handschrift C des Nibelungenliedes.
Naehere Infos unter:

http://www.blb-karlsruhe.de/

* Was kann ich tun?
Erstens: Schreiben Sie Guenther Oettinger eine Mail und protestieren Sie dagegen. Sie koennen dafuer das folgende Kontaktformular nutzen:

http://www.guenther-oettinger.de/index.php?id=297

Verwenden Sie Ihre eigenen Worte oder lehnen sich an die Formulierungen eines Kollegen an:
http://typo.twoday.net/stories/2714717/

Sie koennen auch gerne die Presseerklaerung des VS zitieren, die Sie (u.a.) hier finden:
http://shorterlink.de?1d87dc

Zweitens: Senden Sie diese Mail weiter an moeglichst viele Ihrer Freunde und Bekannte. An Bibliothekare, Lehrer, Historiker, Kunstfreunde, Literaten. Senden Sie die Mail per Blindkopie (BCC) weiter. Bedenken Sie: Heute pluendern die Politiker Handschriften in Karlsruhe, morgen sind es Kunstwerke der Stuttgarter Staatsgalerie, und uebermorgen werden Theater in Niedersachsen geschlossen. Dies ist keine Spam-Aktion, sondern ein bundesweiter Aufruf zu politischem Engagement von unten.

Drittens: Thematisieren Sie das Ganze (sofern vorhanden) in Ihrem Weblog.

* Was bringt das Ganze?
Als vor zwei Jahren die Zukunft Kuenstlersozialkasse (KSK) diskutiert wurde, bekam Ministerin Zypries binnen weniger Tage tausende Mails, die auf diese Weise generiert wurden. Daraufhin berichteten verschiedene Tageszeitungen und Spiegel-Online. Seitdem wird die Abschaffung der KSK nicht mehr diskutiert.

* Das Ende der Mail-Aktion ist der deutsche Nationalfeiertag, der 3. Oktober 2006 - ein Tag, an dem wir auch unsere kulturelle, literarische und sprachliche Tradition feiern sollten.

Danke und viele Gruesse
Matthias Kehle

English information on the case

http://listserv.uiuc.edu/wa.cgi?A2=ind0609&L=medtextl&T=0&P=11816

Rebecca LR Garber:

This came from our medieval colleagues in Germany. I have included the
original post, which includes the article from the Stuttgarter Zeitung,
because I can not find an English reference to this atrocity on the net.

In summary:
The house of Baden in Germany has fallen on hard times, and has decided
that, in order to pay for renovations to the family castle in Salem,
that they will sell a number of paintings, coins, and manuscripts to
raise 70 million Euros.

The manuscripts are currently housed in the Badische Landesbibliothek
in Karlsruhe, where they have been available to scholars, and are
considered part of the European cultural heritage. The director of the
collection found out *in the public press* that his collection was to
be sold piecemeal to the highest bidder.

There is some debate as to who actually owns the collection, the family
or the state of Baden-Württemberg. This is keeping the lawyers busy,
but may not keep the manuscripts safe.

Among the manuscripts at risk:
The Book of Hours belonging to Christoph 1 of Baden, and the prayer
book of Susanna von Brandenburg-Ansbach-Kulmbach. This collection also
includes the manuscripts from religious houses secularized in 1803,
including the collection from Reichenau, which includes mss from the 11thC.


See also
http://listserv.uiuc.edu/wa.cgi?A2=ind0609&L=medtextl&D=0&T=0&P=19259

List EXLIBRIS
http://palimpsest.stanford.edu/byform/mailing-lists/exlibris/2006/09/msg00273.html
Message from Bettina Wagner

Sharp-L
https://listserv.indiana.edu/cgi-bin/wa-iub.exe?A2=ind0609&L=sharp-l&T=0&P=14723
Message from Bettina Wagner

A&A list
http://forums.archivists.org/read/messages?id=238
Message from Klaus Graf

Die "British Academy", die nationale britische Akademie für die Geisteswissenschaften, bemerkt es nun auch:

Copyright hindering scholarship in the humanities and social sciences

Siehe http://www.britac.ac.uk/news/release.asp?NewsID=219

Der Begriff Open Access wird dabei übrigens bemüht vermieden.

Schön wäre es natürlich, wenn die Damen und Herren Fellows der Academy mal die Mall zum Trafalgar Square runterlaufen würden und Ihrer Majestät Museumsleute in National Gallery und National Portrait Gallery darüber aufklären würden, dass ihr an allen Online-Ecken und -Enden versuchter schamloser Copyfraud die Verbreitung und Nutzung des gemeinfreien kulturellen Erbes erschwert.

Michele C. Ferrari hat in der Liste MEDIAEVISTIK den folgenden Brief an den Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg veröffentlicht.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

Medienberichten zufolge beabsichtigt das Land Baden-Württemberg Handschriften aus der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe für den Verkauf freizugeben. Mit diesem Schreiben möchte der Mediävistenverband Sie dringend bitten, diese Entscheidung zurückzunehmen. Auf dem Spiel steht die Glaubwürdigkeit des Landes Baden-Württemberg und seiner Entscheidungsträger, und zwar in dreifacher Hinsicht.

Zum ersten ist es weder in Deutschland noch im Ausland nachzuvollziehen, warum unersetzliche Kulturgüter wie Handschriften (die ja Unikate sind) als Verhandlungsmasse in Rechtsstreitigkeiten benutzt werden, als ob es sich dabei um verstaubte Liebhaberstücke aus dem Trödelmarkt handelte. Das Signal wäre verheerend. Soll das Kulturerbe einer historisch gewachsenen Gemeinschaft wirklich wie gewöhnliche Ware zur Disposition stehen, um finanzielle Angelegenheiten zu regeln? Die Baden-Württemberger sind zu Recht stolz auf ihre Vergangenheit. Diese Traditionsverbundenheit lässt vermuten, daß ein solches Vorhaben im Land kaum konsensfähig ist.

Der Verlust wäre zum zweiten immens. Die Vorstellung, daß Kulturdenkmäler dieses Ranges in die Hände von Privatpersonen gelangen könnten, übersteigt das Vorstellungsvermögen eines neutralen Beobachters. Und ist man im klaren darüber, was dies für das Forschungsland Baden-Württemberg bedeutete? Kann es sich Ihr Bundesland in einer Zeit, in der der Wettbewerb um Spitzenpositionen in der nationalen und internationalen Forschungslandschaft entbrannt ist, wirklich leisten, derart sorglos mit dem eigenen Kulturerbe umzugehen, wenn man bedenkt, daß die Pflege und die Erschließung dieser Bestände jahrzehntelang von der öffentlichen Hand (etwa in Form von DFG-Projekten) finanziert wurde? Mangelnde Zuverlässigkeit ist keine Voraussetzung für Investitionen. Das gilt auch für die Kulturförderung.

Aber sogar der finanzielle Nutzen des geplanten Geschäfts ist drittens zweifelhaft. Die Summe von 70 Mio. Euro, die Sie aus dem Erlös erwarten, ist mit Sicherheit überschätzt. Werden die Bürger in Ihrem Land verstehen, warum Bestandteile ihrer eigenen Vergangenheit ausgestossen werden und der Staat trotzdem voraussichtlich mehrere Millionen ausgeben muß, um einer undurchdachten Verpflichtung nachzukommen?

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! In den letzten Jahren hat Baden-Württemberg uns erklärt, daß es alles kann. Zeigen Sie jetzt, daß der Mut zum Umdenken dazu gehört.

Der SPIEGEL 39/2006, S. 169 greift das Thema heute nun auch in einer Kurzmeldung auf und zitiert Kritiker des geplanten Deals. Die Zerstreuung der Handschriften in alle Welt wäre eine Katastrophe, klagte Ute Obhof, vorauseilenden Gehorsam macht der Freiburger Mittelalter-Experte Felix Heinzer aus und Eef Overgaauw, Leiter der Handschriftenabteilung von Berlin, erinnert an die Millionen, die für die dann wertlose Katalogisierung ausgegeben wurden.

Stuttgarter Zeitung:
http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/detail.php/1254473

Das Geld solle aus den Erträgen der Landesstiftung oder aus den Aktien dies früheren Badenwerks bestritten werden, meinten Vertreter des badischen Landesteils.

http://www.bietigheimerzeitung.de/html/news/artikel_suedwestumschau.php4?artikel=96275

"SPD-Generalsekretär Joerg Tauss kritisierte den möglichen Verkauf wertvoller Handschriften aus der Badischen Landesbibliothek gestern als "Ausdruck der Kulturlosigkeit" von Oettinger und von Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU). Mit Blick auf Bildung und Forschung sei es unerträglich, wenn die unersetzlichen Handschriften nicht mehr der Wissenschaft zur Verfügung stünden, sondern in privaten Vitrinen verschwinden würden."

Falk Eisermann heute in den Listen MEDIAEVISTIK und Diskus:

" Bemerkenswert auch Oettingers "Angebot", eine Expertenkommission einzusetzen, die sicherstellen solle, daß "kulturell wertvolles Schriftgut, das in Baden entstanden ist, unverkäuflich bleibt": eine Formulierung, wie sie sich nur ein kulturpolitisches Bleichgesicht mit gespaltener Zunge ausdenken kann. Denn das heißt im Klartext: Die Reichenauer Handschriften und andere Zimelien nichtbadischer Entstehung werden so oder so verscherbelt; das kümmert die Volksseele offenbar nicht so sehr und begrenzt mithin den wahlpolitischen Kollateralschaden. Kann man provinzieller, berechnender denken? Welche Experten in einer solchen Kommission Selektions- und Erfüllungshilfe leisten und "das kulturell wertvolle Schriftgut" von anderem, offenbar "wertlosem" unterscheiden sollen, wird nicht gesagt. Wie und warum und an wen dieses "wertlose" Schriftgut verkauft werden soll, müßte man den MP gelegentlich auch mal fragen. Es ist ja evident, daß alle Beteiligten von den merkantilen Möglichkeiten ihres Projekts keinen blassen Schimmer haben. Wird in dieser Kommission - abgesehen von den sicher in großer Zahl vorhandenen, zweifellos hochkompetenten württembergischen Ministerialdirigenten und ggf. ein paar Vertretern von Auktionshäusern - auch jemand von der UNESCO, von der DFG dabei sein?

Ich darf abschließend aus einem Artikel von Norbert H. Ott (Süddeutsche von heute, S. 13) zitieren, welcher die Überschrift trägt "Ein dreister Versuch der Veruntreuung" und die Sache auf den Punkt bringt:

"Sollte das Land Baden-Württemberg sich tatsächlich zum Erfüllungsgehilfen feudaler Privatinteressen machen und nach Vandalenart eine ihrer bedeutendsten Handschriftensammlungen plündern, kann sich die dann zur Provinzklitsche verkommene Karlsruher Bibliothek eintragen lassen in die Liste jener verschwundenen Büchersammlungen - Alexandria, Sarajewo, Weimar -, die allerdings, anders als in Karlsruhe, durch Krieg oder Katastrophen vernichtet wurden. Die Karlsruher Handschriften übrigens waren das Einzige, was 1942 nach dem Luftangriff vom Bestand der Bibliothek übrig blieb."

Die landesregierenden Trümmerfrauen werden's schon richten."

Siehe auch:

Frankfurter Allgemeine Zeitung 25. September 2006

RUBRIK: POLITIK; Politik; S. 4

Kulturgüterkampf in Baden;
Von Rüdiger Soldt

Auszug:

"Ein Anwalt hätte dem Haus Baden geraten, sich die derzeit im Besitz des Landes befindlichen Kulturgüter als Eigentum herausgeben zu lassen", sagte Oettinger. Zahlreiche Kunstschätze wären für Baden-Württemberg angesichts der großen Finanznot des Prinzen ebenfalls verloren gewesen. "Wir werden eine Baden-Klausel vorbereiten, die sicherstellt, daß Schriftgut, das hier entstanden ist oder inhaltlich zu Baden gehört, hier bleibt", sagte Oettinger. Das bedeutet: Die Handschrift aus Persien soll verkauft werden, das sehr wertvolle Stundenbuch Christoph I. aus dem Jahr 1490 soll in jedem Fall in der Sammlung bleiben. Ob das reicht, um 70 Millionen Euro einzunehmen, wird allerdings von den Kritikern des Vergleichs bezweifelt. Er habe die Landesstiftung gebeten, zu prüfen, ob sie sich am Kauf beteiligen könne, sagte Oettinger. Auch die Gründung einer neuen Mäzenaten-Stiftung gilt als möglich.

Den Ausverkauf wichtiger Kulturgüter will die Landesregierung verhindern, ob ihr das gelingt, wird sich wohl erst beurteilen lassen, wenn eine Liste der Handschriften und Kunstwerke vorliegt, die verkauft werden sollen. Darüber wird nun eine Kommission entscheiden. In Karlsruhe formiert sich Widerstand: SPD, FDP, Grüne, CDU-Politiker wie der Oberbürgermeister Fenrich, die Landesvereinigung Baden und die Badische Bibliotheksgesellschaft wollen von den in Stuttgart auf den Weg gebrachten Vorhaben nichts wissen. Was auch immer die Landesregierung zu ihrer Rechtfertigung vorbringen mag.

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Suedkurier
http://www.suedkurier.de/nachrichten/bawue/art1070,2223296.html?fCMS=29fe7f34d54a2ca3e97ee43345b6655e

Oettinger sagte, "dass Gutachter unter anderem die Kulturgüter auf ihre Bedeutung für das Land überprüfen sollen. Dem Gremium sollen neben zwei Gutachtern unter anderem Vertreter der Badischen Landesbibliothek und des Hauses Baden angehören. Für den Erhalt des wichtigen Kulturgutes Schloss Salem soll laut Oettinger die Stiftung gegründet werden. Für jeden Euro, den Wirtschaft und Bürger spenden, soll ein Euro des Landes hinzukommen. Je mehr Geld die Stiftung erhalte, desto weniger müsse verkauft werden, sagte Oettinger. Der Landesbeitrag habe eine Obergrenze bei einem einstelligen Millionenbetrag."

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Volltexte/Faksimiles bei
http://www.blb-karlsruhe.de/

Das kann kein noch so gutes Digitalarchiv:

Mit mehr als zwei Jahrhunderten Verspätung haben britische Wissenschaftler eine Hand voll Pflanzensamen aus Südafrika zum Keimen gebracht. Die Körner waren vor einiger Zeit in einem Buch entdeckt worden, das sich im Nationalarchiv in London befunden habe, wie die Königlichen Botanischen Gärten von Kew mitteilten.

(Quelle: http://www.n-tv.de/712347.html )

Von den 1803 von einem niederländischen Händler konfiszierten 32 Arten von Pflanzensamen konnten jetzt drei „wiederbelebt“ werden.

Aber vielleicht können ja in 200 Jahren wenigstens ein paar interessante Viren in den Digitalarchiven zum Leben erweckt werden...

Nachtrag: Beitrag in den National Archive News vom 20.9.2006.

Digitales Langzeitarchiv nimmt den Produktivbetrieb auf - Mehrere zehntausend Dokumente bereits erfolgreich eingespielt

Das kopal-System für die Langzeitarchivierung digitaler Objekte hat im August 2006 die erste Stufe seines Produktivbetriebs erfolgreich aufgenommen. Dabei haben die Projektpartner Deutsche Nationalbibliothek und Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek (SUB) Göttingen bereits rund 31.000 zu archivierende Dokumente in das bei der Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung mbH Göttingen gehostete Archivsystem eingespielt. Das Archivsystem basiert auf der von IBM im Rahmen des Projektes zu einem mandantenfähigem System weiter entwickelten Archivsoftware DIAS und der eigens im Projekt entwickelten Software koLibRI (kopal Library for Retrieval and Ingest), die die Einspeisung und Abfrage von Archivmaterialien unterstützt.

Die Deutsche Nationalbibliothek hat bereits zum Auftakt des Produktivbetriebs den größten Teil ihrer von nahezu allen deutschen Hochschulen eingelieferten elektronischen Hochschulschriften (Dissertationen und Habilitationen) in das Archivsystem eingespielt. Diese Online-Hochschulschriften werden seit 1997 elektronisch gesammelt und bilden mit über 47.000 Dokumenten die größte derartige Sammlung in Europa. Der Zuwachs beträgt mittlerweile rund 10.000 Online-Dissertationen pro Jahr. Entsprechend dem wissenschaftlichen Wert dieser Dokumente und ihrer Bedeutung für die Forschung wurden sie als Pilotmaterialien für die Langzeitarchivierung in kopal ausgewählt. Weitere Bestandsgruppen, die nun in das Archiv übernommen werden sollen, sind Verlagspublikationen aus dem Sammelspektrum der Deutschen Nationalbibliothek.

Die SUB Göttingen hat in den letzten Wochen Materialien unterschiedlicher Provenienz in das Archiv eingebracht. Hierzu zählt eine Auswahl der etwa 100.000 auf dem Dokumentenserver der SUB gesammelten Online-Publikationen der Georg-August-Universität und des Universitätsverlages sowie weiterer Forschungseinrichtungen, die im PDF-Format vorliegen. In Kürze wird außerdem damit begonnen, die 6 Mio. TIFF-Images von Originaldokumenten aus den digitalen Sammlungen des Göttinger Digitalisierungszentrums in das Archiv einzuspielen. Ausgewählt werden vor allem Digitalisate besonders seltener Materialien aus den Beständen der SUB wie die Gutenberg-Bibel, Reisebeschreibungen, (Nord)Americana und Mathematica sowie wichtige Werke der Wissenschaftsgeschichte.

Die im Projekt kopal entwickelten Open-Source-Tools (koLibRI - kopal Library for Retrieval and Ingest) wurden seit der Testphase Ende letzten Jahres so optimiert, dass ein zuverlässiges und in einer kontrollierten Umgebung stattfindendes Einspielen nunmehr gewährleistet ist. Auswahl und Einspielen der Pilotmaterialien werden auch dazu genutzt, die Workflows der Partnerbibliotheken für die Bearbeitung digitaler Materialien zu überprüfen und genauer abzustimmen. In einem nächsten Schritt sind diese Arbeitsabläufe prinzipiell an die Erfordernisse eines künftig in der Routine ggf. auch außerhalb der beteiligten Projektpartner laufenden Einspielbetriebs anzupassen.

Derzeit werden bis zum Ende der Laufzeit des Projektes Mitte 2007 Komponenten für Administration und Prozess-Monitoring im Archivsystem entwickelt sowie die Voraussetzungen geschaffen, um in kopal Migrations- und Emulationsprozesse durchzuführen, die eine langfristige Interpretierbarkeit der archivierten Dokumente sicherstellen.

Weiteren Interessenten bietet kopal künftig die Möglichkeit, die Bedingungen der Langzeitarchivierung in kopal für die eigenen Belange intensiv zu testen und zu evaluieren. Ein entsprechendes Servicemodell mit unterliegendem Betriebskonzept befindet sich derzeit in Entwicklung.

Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung seit Juli 2004 mit einem Volumen von 4,2 Millionen Euro gefördert.

Das Projekt kopal ist in der nächsten Zeit auf folgenden Messen präsent:

* Archivistica, Congress Center Essen, 26. bis 28. September 2006, Stand 3

* Frankfurter Buchmesse, 4. bis 8. Oktober 2006, Stand M 455 in Halle 4.2

* eUniversity, Internationales Kongresszentrum, Bundeshaus Bonn, 8. bis 9. November 2006

Gesamtprojektleitung:
Deutsche Nationalbibliothek, Reinhard Altenhöner

Weitere Informationen:
http://kopal.langzeitarchivierung.de

(Quelle: Pressemeldung http://idw-online.de/pages/de/news176554 )

Was aber jetzt in Baden-Württemberg ausgehandelt wurde, ist in der Größenordnung so ungeheuerlich, dass damit alle Dämme des kulturellen Ausverkaufs zu brechen drohen. Welcher Teufel also hat die Landesregierung geritten? Es geht um die Lösung eines alten Eigentumsstreits mit den Markgrafen von Baden. Nach deren Abdankung als Großherzöge 1918 wurde - anders als in Preußen, Bayern oder Württemberg - ein unanfechtbarer Vergleich über Liegenschaften und Kunstbesitz mit dem ehemaligen Herrscherhaus versäumt. Nach langem Hin und Herr erhoben die Markgrafen jetzt Anspruch auf Kunstgüter im Wert von 250 bis 300 Millionen Euro. Die Landesregierung scheute einen Prozess und handelte einen Vergleich aus.

70 Millionen Euro sollen in eine Stiftung fließen, die den Markgrafen den Erhalt und die Pflege von Schloss Salem ermöglichen soll. Dafür bleiben zahlreiche berühmte Kunstwerke endgültig im Besitz der Landesmuseen. Das Land will allerdings für die Abfindung keine Steuergelder aufwenden, so kam man auf die unselige Idee, die Handschriften aus dem alten großherzoglichen Besitz auf den Markt zu werfen. Der Region wird damit ein Stück Geschichte aus dem Herz gerissen, Deutschland verliert eine seiner bedeutendsten Handschriftensammlungen.

In den Auktionshäusern New Yorks und Londons reibt man sich schon die Hände. Warum macht sich eigentlich Dresden nicht daran, die Sixtinische Madonna auf den Markt zu werfen? Der Tunnel unter der Elbe ließe sich so bezahlen und für die leere Staatskasse bliebe auch noch was übrig. Und wann endlich verkauft das bankrotte Berlin seine Nofretete? Ist doch alles Luxus.


Sebastian Preuss in: Berliner Zeitung vom 23.9.2006

Unter diesem passenden Titel referiert der "Südkurier" das Entsetzen auf der Insel Reichenau über die geplante Vernichtung des Dokumentenerbes.

Der volle Artikel: http://www.suedkurier.de/nachrichten/bawue/art1070,2221520.html

Besonders schockierend ist für mich folgendes: "Der Landtagsabgeordnete des Bodenseekreises und Tourismus-Vorsitzende Ulrich Müller (CDU) begrüßt dagegen die Lösung: Schloss Salem gehöre zu den "Top Ten" der touristischen Ziele der Bodenseeregion, sein Erhalt durch den Verkauf von Kunstgegenständen sei zu begrüßen."

Zur derzeitigen Schande, Baden-Württemberger zu sein, kommt nun bei mir noch die Scham, in der gleichen Stadt zu wohnen wie dieser barbarische Pfennigfuchser. Und auch noch zwangsweise jahrelang IHK-Beiträge für eine von so einem Individuum geleitete Kammer gezahlt zu haben. Immerhin weiß ich jetzt nach der UNESCO und der Landesregierung noch jemanden, dem ich einen gesalzenen Brief schreiben kann.

http://log.netbib.de/archives/2006/09/24/oettinger-verpasst-der-offentlichkeit-beim-festakt-200-jahre-baden-eine-beruhigungspille/

http://fairuse.stanford.edu/commentary_and_analysis/2006_08_hirtle.html

Digital Access to Archival Works: Could 108(b) Be the Solution?

By Peter B. Hirtle
Abstract

Section 108(b) of the Copyright Law, which deals with unpublished works, is often described primarily has a “preservation” clause, with its primary purpose being to ensure that our manuscript heritage is not lost. A closer look at the legislative history of the section, however, reveals that Congress was primarily concerned with increasing scholarly access to unpublished materials. Limited distribution to other libraries and archives to enhance research access to the original materials, it concluded, does not compete with the copyright owner’s right to commercially exploit the work. Under the original section 108(b), there were no limits on the number of copies that could be made for deposit in other repositories. Today digital technologies could provide a means of providing access to research materials without having to distribute physical copies to other repositories (though distribution of copies for preservation purposes would still be desirable).

Kurzreferat auf dem Essener Archivtag am 28.9.2006

"11.30-12.30 Uhr Open access: Freier Zugang zu Kulturgut in Archiv, Bibliothek und Museum
Leitung: Franz-Josef Gasterich (Frankfurt a.M.) mit Kurzreferaten von Dr. Klaus Graf (Aachen), Dr. Harald Müller (Heidelberg), Thilo Martini M.A. (Pulheim)".

Definition:

Open Access meint den
*dauerhaften
*kostenfreien
*sowie von urheber- und lizenzrechtlichen Beschränkungen freien Zugang zu

*wissenschaftlicher Fachliteratur
*wissenschaftlich relevanten Daten und zu
*Kulturgut in Bibliotheken, Archiven und Museen

* via Internet.

Ich konzentriere mich im folgenden ganz auf archivische Belange.

(Siehe dazu auch meinen Beitrag vom Februar 2004: Open Access für Archivalien http://archiv.twoday.net/stories/145113/ )

Dauerhaft bezieht sich auf die wünschenswerte Langzeitarchivierung der elektronischen Daten. Das sollte für uns Archivare kein Problem sein.

Kostenfrei im Internet: Der Gegensatz von Open Access ist der kostenpflichtige Zugang zu Findmitteln oder Archivgut, sei es auf der Basis individueller Gebühren, sei es durch institutionelle Subskription. So ist die weltweit umfassendste Findmitteldatenbank im World Wide Web, der ArchivesGrid der Research Libraries Group nur für zahlende Institutionen und Einzelpersonen - diese zahlen knapp 15 Dollar im Monat - zugänglich.

http://archivegrid.org/

Kostenfrei ist jedoch nur die eine Seite der Medaille, das wird oft unterschlagen. Die "Berliner Erklärung für Open Access" sieht ausdrücklich vor, dass eine freie Verbreitung erfolgen darf, die es etwa erlaubt, ohne Zustimmung des Urhebers seinen Beitrag auf fremden Servern zu spiegeln oder in eine andere Sprache zu übersetzen. Der Philosoph Peter Suber, einer der führenden Köpfe der Open Access Bewegung in den USA , spricht von der Beseitigung der "permission barriers".

Um auszudrücken, dass ein Dokument frei von "permission barriers" genutzt werden kann, sind sogenannte "Creative Commons Lizenzen" das beste Mittel.

http://creativecommons.org

Oft begegnet man der Annahme, dass die kommerzielle Nutzung der Open-Access-Dokumente ausgeschlossen werden darf, aber diese Ansicht hat keinerlei Stütze im Wortlaut der Berliner Erklärung.

Hinsichtlich der kostenfrei im Internet verfügbaren Fachliteratur sind andere Länder bei der Nutzung der spezifischen Open Access-Infrastruktur, der sogenannten Repositorien oder Archive weiter. In dem Repositorium "E-LIS - E-Prints in Library and Information Science" gibt es in der Gruppe Archives 55 Dokumente, meist wissenschaftliche Artikel auf Spanisch, von denen sich die meisten tatsächlich auf archivfachliche Fragen beziehen.

http://eprints.rclis.org/view/subjects/DL.html

Wir brauchen natürlich auch ein deutschsprachiges Repositorium für archivische Fachbeiträge, das die Langzeitarchivierung und die Kompatibilität mit dem sogenanten OAI-Standard garantiert. OAI steht für: Open Archives Initiative und bedeutet ein offenes Austauschformat. Vielleicht könnte man diesen archivfachlichen Dokumentenserver an der Archivschule Marburg ansiedeln.

Nun aber zu meinem Hauptpunkt. Die Berliner Erklärung von 2003 hat auf Betreiben des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte das Open Access-Prinzip auch für Kulturgut gefordert.

Nun kann man sicher bei vielen Archivaren Verständnis dafür wecken, dass archivische Fachliteratur bequem und kostenfrei im Internet greifbar sein soll (unsere Fachzeitschrift "Der Archivar" ist das ja bereits), und konsensfähig ist sicher auch die kostenfreie Bereitstellung von Findmitteln. Kontroverser ist da schon die Frage, in welchem Umfang und welcher Bildauflösung digitalisiertes Archivgut kostenfrei ins Internet gehört. Und nur wenige teilen meinen dezidierten Standpunkt, dass die Beseitigung von permission barriers essentiell für Open Access ist, die übliche Bildrechte-Abzocke auf dubioser rechtlicher Grundlage also ein Ende haben sollte.

Siehe nur:
http://archiv.twoday.net/stories/2102658/
http://archiv.twoday.net/stories/2518568/ mit weiteren Hinweisen

Open Access und freie Inhalte stehen auf der einen Seite, der fiskalisch motivierte Wunsch, die Kontrolle über die Bildrechte nicht aufzugeben, auf der anderen Seite.

"Open Access" ist ein heisses Thema bei forschungsfördernden Organisationen. So unterstützt die DFG Open Access ausdrücklich. Es ist also nicht ganz unrealistisch anzunehmen, dass bei drittmittelfinanzierten Archivprojekten die Geldgeber einen Open Access-Begriff zugrundelegen, der die Beseitigung von "permission barriers" und die Bereitstellung freier Inhalte, soweit diese nicht urheberrechtlich geschützt sind, vorsieht. Dies kollidiert natürlich mit dem umfassenden Kontrollanspruch der Archive in Sachen Bildrechte.

Archivrechtlich gibt es für diesen Kontrollanspruch keine Grundlage. Der Bundesgesetzgeber hat sich für eine Befristung des Schutzes des geistigen Eigentums entschieden, im Urheberrecht sind das 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Es ist den Bundesländern verwehrt, aus fiskalischen oder anderen Interessen ein urheberrechtsähnliches Immaterialgüterrecht zu schaffen, das den Gedanken der "Public Domain", des nach Schutzfristablauf nutzbaren Allgemeinguts, aushöhlt. Der Gesetzgeber hat alle wesentlichen Entscheidungen zu treffen, und er hat dies auch getan, indem er die Nutzung von Archivgut in den Archivgesetzen abschließend geregelt hat. Die Frage der Bildrechte wird in keinem Archivgesetz ausdrücklich angesprochen. Insbesondere das Grundrecht der Forschungsfreiheit steht einer von vielen aus fiskalischen Motiven gewünschten Überwachung der Nutzung von gemeinfreiem Archivgut durch Reproduktionen entgegen.

Es ist auch nicht einzusehen, wieso ein Wissenschaftler zwar eine Kaiserurkunde aus dem Mittelalter ohne Zustimmung des Archivs edieren darf, aber für die Bereitstellung eines Digitalisats, also einer Faksimileabbildung die Genehmigung des Archivs braucht. Beides unterfällt dem immaterialgüterrechtlichen Begriff der Vervielfältigung.

Ist "Open Access" mit dem geltenden Haushaltsrecht vereinbar?

Meine Antwort ist ein klares Ja. Wenn die Rechnungshöfe einer bedingungslosen Ökonomisierung und einem Drehen an der Gebührenschraube das Wort reden, so wird dies der spezifischen Interessenlage der Archive und der Bürger nicht gerecht.

Wir sollten eigentlich wissen, dass freier Eintritt in Museen und gebührenfreie Nutzung von Bibliotheken für den Bildungstandort Deutschland wichtig ist. Mit der Ablehnung freier Inhalte durch die Archive und dem Insistieren auf Reproduktionsgebühren auch bei gemeinfreien Unterlagen verprellen die Archive zunehmend die Forschung und sie verärgern eine wachsende Zahl an freien Inhalten interessierter Bürger (Stichwort: Wikipedia). Übermäßig viel nimmt das durchschnittliche Archiv mit den Bildrechten auch nicht ein. Eine wirkliche Refinanzierung der Archivkosten ist illusorisch.

Es ist auch im Bereich der kulturgutverwahrenden Institutionen sinnvoll, die Debatte um freie Daten des öffentlichen Sektors zu verfolgen, auch wenn die EU-Richtlinie über die Weiterverwendung der Daten des öffentlichen Sektors und das sie umsetzende, in Vorbereitung befindliche Informationsweiterverwendungsgesetz unsere Institutionen ausklammern.

http://archiv.twoday.net/stories/1790084/

Bereitstellung von gemeinfreiem Archivgut im Internet als "Open Access", also frei nutzbar, ist legitimer Teil der archivischen Öffentlichkeitsarbeit. Da sollte uns kein Rechnungshof und kein Stadtkämmerer hineinreden.

Gemeinfreies, also urheberrechtlich nicht mehr geschütztes Archivgut ist Kulturgut, und Kulturgut ist immer kulturelles Allgemeingut, das unbeschränkt allgemeinzugänglich sein muss - auch in Form von digitalen Reproduktionen im Internet. Es gehört - mit einem agrargeschichtlichen Vergleich - zur Allmende, nicht zum Herrschaftsland. Archive, Bibliotheken und Museen haben nicht die Befugnis, sich nach Gutsherrenmanier diese Allmende unter den Nagel zu reissen und ein finanzielles Verwertungsmonopol zu behaupten, gleichsam bildrechtliche "Archiv-Frondienste".

Archivgut gehört eigentumsrechtlich dem Archivträger, gemeinfreies Archivgut hinsichtlich seines geistigen Gehalts den Bürgerinnen und Bürgern, es gehört Jedermann. "Open Access" ist der beste Weg, damit ernst zu machen.

http://www.ka-news.de/karlsruhe/news.php4?show=wph2006922-23H

Am gestrigen Freitag bezogen auch die Parteien Stellung. Renate Rastätter (MdL) und Dr. Gisela Splett (MdL) verurteilten im Namen der Grünen die Verkaufspläne. Sie hielten es für "verhängnisvoll", dass hinter verschlossenen Türen seitens der Landesregierung bereits konkrete Zusagen an das Haus Baden gemacht worden seien. Der Vorsitzende der FDP/Aufbruch-Fraktion im Gemeinderat Michael Obert forderte seinerseits eine "Bündelung aller Kräfte zur Rettung der Handschriftensammlung". Auch der CDU-Kreisvorsitzende Ingo Wellenreuther (MdB) warnt gegenüber ka-news: "Die Landesbibliothek darf natürlich nicht geplündert werden." Vorher müssten genau die durchaus existierenden Eigentums- und Besitzansprüche des Hauses Baden gegenüber dem Land Baden-Württemberg im Detail geregelt werden, so der CDU-Politiker.

http://www.fr-aktuell.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/?em_cnt=975044

Für Armin Schlechter, Leiter der Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek Heidelberg, kommen die Veräußerungspläne der Verschleuderung von Kulturgut gleich: "Die Handschriften haben die Bombardierung im Zweiten Weltkrieg überlebt. Was jetzt passiert, ist von ähnlicher Tragweite." Auch hielte er es für völlig unsinnig, wenn eine so große Anzahl von Handschriften auf den Markt geworfen würde. "So viele Sammler gibt es gar nicht, die dafür angemessene Preise zahlen."

http://neonostalgia.com/weblog/?p=163

Eine interessante Stellungnahme. Der Blogger bedauert, dass ein einziges der Mss. online ist.

"But I have mixed feelings. The library hasn’t photographed any of these mss, as far as I know. Indeed there doesn’t seem to be a full list of them, even. They have just one (!) manuscript online. I suspect that readers have been prevented from photographing them. One scholar, when I queried why they weren’t online, suggested that it was good for scholars to have to travel to Karlsruhe to consult them! Frankly, it would be better if these mss were in hands that would record them and place them online. Perhaps the House of Baden would be agreeable to a proposal to do so!"

 

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